Freitag, 24.01.2020: Alles gut!

"Alles gut" - mittlerweile ist das eine nette Floskel. Ich komme zu spät, entschuldige mich und jemand sagt freundlich "Alles gut!". Das hatte ich in diesem Moment gar nicht verlangt, die totale Absolution. Es ging nur um ein kleines Versehen, und nun kommt gleich dieses "Alles". Immer wenn mir das geschieht, überlege ich, welches Versehen, welche Untat oder gar Bosheit ich gleich mit unter dieses "Alles" verbuchen kann, damit es aus der Welt ist. Dann fällt mir aber ein, es ist nur eine Floskel.

Und trotzdem, warum dieses "Alles?". Nehmen wir einmal an, es ist keine Floskel und mein Gegenüber meint diesen Satz in aller Konsequenz ernst? Mein Gegenüber wird wohl kaum denken, dass in dieser Welt "Alles" gut wäre. Das ist es ja nicht. Aber es ist auch nicht alles schlecht. Was nun? Vielleicht spricht aus diesem "Alles gut" eine große Sehnsucht. Es möge doch wenigstens einen kurzen Moment mal "alles gut" sein. Sinnbildlich steht für dieses "Alles gut" in diesem Moment die eine Beziehung zwischen zwei Menschen, von den der eine sich aufgrund seines Zuspätkommens verunsichert entschuldigt und der andere sich daran nicht abarbeitet, sondern versöhnlich sagt: Das ist nicht schlimm, es gibt Wichtigeres, gut, dass Du da bist - eben "alles gut". Das kann wirklich ein Wunder sein, wenn das geschieht und zwei Menschen feststellen, zwischen Ihnen steht aber auch gar nichts. Natürlich kann mich ein gedankenloses "Alles gut" nerven, aber vielleicht kann es Menschen auch daran erinnern, dass es das geben kann und soll. Dass vormals der Schöpfer, also Gott, selbst von seiner Schöpfung gesagt hat "und siehe, es war sehr gut" (1. Mose 1,31) ist dabei keine Randnotiz.

Dass Jesus Christus mit seiner Liebe menschliche Beziehungen heilen will und alles dafür gab, rückt dieses "Alles gut" in die Mitte des Lebens. Nehmen wir noch einmal an, es ist keine Floskel, dann könnte viel Gutes daraus erwachsen. Denn mit jedem "Alles gut!" wird daran erinnert, es gibt die Alternative zur Entzweiung und es bleibt die Sehnsucht lebendig, dass es mit dieser Welt sein könnte wie einst von Gott gedacht.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Stephan Ringeis

Stephan Ringeis

Senderbeauftragter der Evangelischen Freikirchen beim MDR

geb. 18.09.1962 in Jena | aufgewachsen in Berlin | Studium der Theologie am Theologischen Seminar der Evangelisch-methodistischen Kirche in Bad Klosterlausnitz von 1982 bis 1987 | Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche in Neudorf/Erzgebirge 1987 bis 1990 | Pastor in Wilkau-Haßlau 1990 bis 1997 | Pastor in Zwickau von 1997 bis 2009 | Superintendent des Distrikts Zwickau der Evangelisch-methodistischen Kirche 2009 bis 2019 | Pastor im Interimsdienst (Geistliche Begleitung von Gemeinden in Übergangssituationen) | verheiratet | drei Kinder

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.