Ein massiver Brand ist über dem Crocus City Hall am westlichen Rand von Moskau zu sehen
Nach dem Anschlag am Freitag: Die Crocus City Hall am westlichen Rand von Moskau steht in Flammen. Jüngsten Angaben zufolge wurden 139 Menschen bei der Attacke getötet. Bildrechte: picture alliance/dpa/XinHua | Cao Yang

Terroranschlag Lukaschenko: Angreifer wollten zuerst nach Belarus fliehen

26. März 2024, 21:58 Uhr

Nach dem Terrorangriff auf eine Konzerthalle am Rande Moskaus mit 139 Toten sieht Russland weiter Verbindungen in die Ukraine und den Westen. Der belarussische Machthaber Lukaschenko widerspricht russischen Darstellungen zur Fluchtroute. Zwei der mutmaßlichen Angreifer sollen zudem aus der Türkei nach Moskau gereist sein.

Dieses vom Presseamt des Präsidenten von Belarus via AP veröffentlichte Bild zeigt Alexander Lukaschenko, Präsident von Belarus, bei seiner Rede während einer Auszeichnungszeremonie für hochrangige Militärs.
Spricht von einer anderen Fluchtroute der mutmaßlichen Angreifer: der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Bildrechte: picture alliance/dpa/Belarusian Presidential Press Office/AP | ---

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat der russischen Darstellung widersprochen, dass die mutmaßlichen Angreifer im Konzertsaal nahe Moskau in der Ukraine erwartet worden seien. Die Angreifer hätten zunächst die Flucht nach Belarus versucht. Sie seien aber wegen der Grenzkontrollpunkte umgekehrt. "Deswegen gab es keine Möglichkeit für sie, nach Belarus einzureisen. Sie haben das gesehen. Deswegen kehrten sie um und gingen zu dem Abschnitt an der ukrainischen-russischen Grenze", sagte Lukaschenko.

Bei dem Angriff am vergangenen Freitag, zu dem sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannt hatte, war ein bewaffnetes Kommando in die voll besetzte Crocus City Hall im nordwestlich gelegenen Moskauer Vorort Krasnogorsk eingedrungen und hatte dort das Feuer eröffnet. Nach jüngsten Angaben wurden dabei 139 Menschen getötet. Es war der schlimmste Anschlag auf russischem Boden seit mehr als 20 Jahren.

Russland beschuldigt unter anderem die Ukraine

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB wirft westlichen und ukrainischen Geheimdiensten vor, den Anschlag unterstützt zu haben. "Wir glauben, dass die Aktion sowohl von den radikalen Islamisten selbst als auch von westlichen Geheimdiensten vorbereitet wurde", zitierte die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti den FSB-Chef Alexander Bortnikow. Die ukrainischen Dienste seien "unmittelbar involviert", fügte er hinzu.

Nach Angaben des FSB wurde der Auftraggeber des Anschlags noch nicht identifiziert. Russland verstehe jedoch, wer die Angriffe organisiert habe, sagte Bortnikow. Seinen Angaben zufolge hatten die mutmaßlichen Angreifer vor, in die Ukraine zu fliehen. Dort hätten sie "als Helden" begrüßt werden sollen. Beweise für seine Behauptungen legte der FSB-Chef nicht vor. 

Auch der Sekretär von Russlands nationalem Sicherheitsrat, Nikolai Patruschew, machte die Ukraine vor Journalisten für den Anschlag verantwortlich. Kurz darauf relativierte er seine Aussage und sprach davon, dass vieles auf eine ukrainische Beteiligung hindeutete.

Putin zweifelt an Motiv des IS

Der russische Präsident Putin entzündet eine Kerze.
Der russische Präsident Wladimir Putin entzündet nach dem Anschlag eine Kerze. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mikhail Metzel

Kremlchef Wladimir Putin äußerte sich zurückhaltender: Er zähle darauf, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft alles dafür tun werde, "dass die Verbrecher eine gerechte Strafe erhalten, so wie es das russische Gesetz vorschreibt". Am Montag hatte Putin bestätigt, dass der Angriff auf die Crocus City Hall von islamistischen Terroristen ausgeführt wurde. Zugleich machte er wie schon am Wochenende deutlich, dass er eine ukrainische Spur sieht.

Russland wolle wissen, "wer der Auftraggeber ist". Putin geht demnach davon aus, dass Islamisten zwar den Auftrag für den Massenmord ausgeführt haben, die Drahtzieher aber anderswo sitzen. Ein Motiv sieht er in der Ukraine, nicht beim IS.

Ukraine weist Anschuldigungen zurück

Die Ukraine weist jeglichen Vorwurf einer Beteiligung vehement zurück. Der IS hatte mehrfach erklärt, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Dem IS nahestehende Medienkanäle haben zudem Videos von den Bewaffneten in dem Konzertsaal veröffentlicht.

Der enge Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, bestritt die jüngsten Vorwürfe von FSB-Chef Bortnikow auf der Plattform X: "Die Lügen werden offiziell verbreitet von Patruschew und danach vom FSB-Chef Bortnikow."

Acht Verdächtige in Untersuchungshaft

Die russische Strafverfolgung hat bislang elf Verdächtige im Zusammenhang mit dem tödlichen Angriff festgenommen, darunter die vier Männer, die sie als mutmaßliche Angreifer bezeichnet. Ein russisches Gericht nahm am Dienstag nach eigenen Angaben einen achten Verdächtigen in Untersuchungshaft, der aus Kirgistan stammt.

Zwei der mutmaßlichen Angreifer sollen vor ihrem Aufenthalt in der russischen Hauptstadt in der Türkei gewesen sein. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen sie am 2. März von Istanbul nach Moskau gereist sein. Die Nachrichtenagentur beruft sich auf türkische Sicherheitskreise.

Die beiden Männer sitzen mittlerweile in Russland in Haft. Auf Fotos von Sonntag waren an ihren Körpern Verletzungen zu erkennen, die auf Folter durch russische Sicherheitskräfte hindeuten.

Suche nach Opfern beendet

Vier Tage nach dem Terroranschlag ist die Vermisstensuche in der ausgebrannten und teilweise eingestürzten Konzerthalle eingestellt worden. "Ich kann mitteilen, dass es unter den Trümmern keine Opfer mehr gibt", meldete der Chef des Katastrophenschutzes im Gebiet Moskau, Sergej Poletykin, am Dienstagabend. Suchhundeführer und Retter hätten ihre Arbeit beendet. Nach Angaben des Gouverneur des Moskauer Umlands, Andrej Worobjow, hätten rund 1.000 Kräfte des Zivilschutzes 8.000 Quadratmeter Fläche abgesucht.

AFP/dpa/REUTERS (lik)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. März 2024 | 16:00 Uhr

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