Die Angeklagte mit Beistand und ihrer Verteidigung.
Seit Dienstag muss sich eine ehrenamtliche Helferin wegen des tödlichen Unfalls auf der Oberhofer Rennrodelbahn vor Gericht verantworten. Bildrechte: MDR/ Alexander Reißland

Justiz "Die Frage meiner Schuld belastet mich": Tödlicher Bob-Unfall in Oberhof wird verhandelt

24. April 2024, 09:00 Uhr

Unter Tränen und sichtlich mitgenommen verfolgte die Angeklagte, wie die Verteidigung ihre Eklärung zum Bob-Unglück auf der Rennrodelbahn in Oberhof vorlas. Am Dienstag startete am Amtsgericht Suhl der Prozess gegen die 47-Jährige. Die Anklage wirft ihr fahrlässige Tötung vor. Sie war an dem Abend als ehrenamtliche Helferin dabei.

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Die wegen des tödlichen Unfalls auf der Oberhofer Rennrodelbahn angeklagte ehrenamtliche Helferin hat das Unglück vor Gericht zutiefst bedauert. Es vergehe kein Tag, an dem sie nicht daran und an das schwere Leid denke, hieß es am Dienstag zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Suhl in einer von der Verteidigung verlesenen Erklärung der sichtlich mitgenommenen und weinenden Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor.

Angeklagte betreute am Unglücksabend Start der Ice-Tubes

Ende Februar vergangenen Jahres war im Zielbereich des Eiskanals ein Gästebob gegen einen Doppel-Schlauchring geprallt, weil sich beide Gefährte zeitgleich in der Eisrinne befanden.  Dabei starb ein 45-Jähriger, der in dem sogenannten Ice-Tube saß, seine 41-Jahre alte Lebensgefährtin erlitt schwere Verletzungen. Die Angeklagte betreute an dem Unglücksabend als Vereinsmitglied ehrenamtlich den Start der Ice-Tubes. Es ist eine emotional schwierige Verhandlung, wie Richterin Alexandra Grimm gleich zu Beginn anmerkte. 

Staatsanwalt Jochen Grundler sagte, der Zusammenstoß sei für die Angeklagte vorhersehbar und vermeidbar gewesen, da sie wusste, dass sie die Schlauchringe nur bei grüner Ampel in den Eiskanal schieben durfte. "Die Frage meiner Schuld belastet mich sehr", ließ die sichtlich mitgenommene und weinende Angeklagte über ihre Verteidigerin erklären. Die 47-Jährige fühlt sich dem Rodelsport seit ihrer Kindheit verbunden, auch ihre Tochter sei aktiv. Sie sei vor dem Unglück ein paar Mal als Helferin im Startbereich der "Ice-Tubes" tätig gewesen.

In der Erklärung der Angeklagten hieß es weiter, für den Start des Ice-Tubes habe es eine Freigabe per Lautsprecher gegeben. Sie sei sich sicher gewesen, dass die Ampel in dem Moment auf Grün schaltete.

Rettungskräfte an Bob- und Rennrodelbahn in Oberhof
Rettungskräfte sind an der Rennrodelbahn in Oberhof am Einsatz. Bildrechte: MDR/News5/Steffen Ittig

Angeklagte bekam keine gesonderte Schulung

Die angeklagte Helferin gab zudem an, keine Informationen zu weiteren Veranstaltungen noch zur weiteren Bahnbelegung gehabt zu haben. Auch sei sie für ihren Einsatz nicht gesondert geschult worden. Vielmehr sei es "learning by doing" gewesen.

Als dann Sekunden später die Freigabe für den von einem höheren Punkt der Eisbahn startenden Gästebob erfolgte, sei sie total erschrocken gewesen und habe sofort durchgegeben, dass die Schlauchringe in der Bahn seien - verhindern konnte das den Zusammenstoß allerdings nicht mehr. Vor dem Unglück gab es bereits zwei andere Schlauchringfahrten.

Rettungswagen und Helfer stehen am Ausgang der Bobbahn.
Bei dem Bobunfall starb im Februar 2023 ein 45-Jähriger. Eine 41-jährige Frau wurde schwerverletzt. Bildrechte: picture alliance/dpa/News5 | Steffen Ittig

Auf Videos ist Ampel rot

Die im Gerichtssaal gezeigten Videos und Bilder von dem Unglück waren für die Angehörigen und auch für die Angeklagte nur schwer erträglich. Auf einem vom Start des Doppel-Schlauchrings gezeigten Video war zu sehen, dass dieser bei Rot in den Eiskanal geschoben wurde. Ein Gutachter sagte am ersten Prozesstag zudem aus, dass der Unfall vermeidbar gewesen wäre, wenn das Rotlicht beachtet worden sei. Eine Fehlfunktion der Lichtanlagen schloss der Unfallanalytiker aus.

Nebenanklage vermisst Genauigkeit bei Ermittlungen

Der Nebenklägervertreter Juri Goldstein, der die 21-jährige Tochter des Opfers vertritt, sagte, die Aufarbeitung dieser Tragödie sei für die Familie sehr wichtig. Er kritisierte in einer für seine Mandantin verlesenen Erklärung, das Verfahren lasse die erforderliche Akribie in den Ermittlungen vermissen. Er stellte die Frage nach einem konkreten Sicherheitskonzept und nach fachkundigem Personal für diese touristischen Fahrten: "Wieso sind diese Verantwortlichen nicht auf der Anklagebank?"

Rechts- und Staatsanwälte sitzen an einem Tisch.
Der Nebenklägervertreter Juri Goldstein (vorn, 2. v.l.) neben der Tochter des verstorbenen Unfallopfers. Bildrechte: MDR/ Alexander Reißland

Die 1.354 Meter lange Eiskanalbahn in Oberhof wird vor allem für den Profisport genutzt. Es ist aber auch möglich, dass Gäste etwa in einem von einem Profi gesteuerten Bob mitfahren oder mit Schlauchringen den Eiskanal herunterfahren. Der Zweckverband Thüringer Wintersport stellt der Tourismus GmbH Oberhof freie Zeiten für touristische Zwecke zur Verfügung. Die Abfahrten dürfen nur mit fachkundigem Personal erfolgen, hieß es dazu in der verlesenen Erklärung der Tochter.

Als Zeugin sagte auch die Schwester des Toten aus. Sie will eine Startdurchsage gehört haben - ebenso wie die, dass ein Bob startet. Es sei furchtbar gewesen, zu wissen, dass eine Tragödie passiert und diese miterleben zu müssen und nicht helfen zu können, so die 36-Jährige am Dienstag im Gericht.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.

MDR/dpa (jml)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. April 2024 | 19:00 Uhr

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