Landwirte nehmen mit Traktoren mit der Aufschrift "€žMüsst ihr erst Hungern bevor ihr es versteht"€œ auf einer Demonstration des Deutschen Bauernverbandes unter dem Motto «Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!» vor dem Brandenburger Tor teil.
Bei der Protestdemo der Landwirte in Berlin waren auch Thüringer Bauern dabei. Bildrechte: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Bauernproteste Ramelow hält Aus für Förderungen in der Landwirtschaft für inakzeptabel

26. Dezember 2023, 15:36 Uhr

Thüringens Ministerpräsident Ramelow sieht durch die geplanten Einsparungen bei Agrarhilfen den oft strukturschwachen ländlichen Raum über Gebühr getroffen.

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält das von der Bundesregierung geplante Aus von Steuervergünstigungen für Landwirtschaft und Gartenbau für völlig überzogen. "Das geht so nicht, das ist absolut inakzeptabel. Der Protest der Länder wird sich aufbauen", sagte Ramelow der "Deutschen Presse-Agentur" in Erfurt.

Ich verstehe die Protestierenden da draußen.

Bodo Ramelow Thüringer Ministerpräsident

"Ich verstehe die Protestierenden da draußen", so Ramelow zu den Bauernprotesten gegen die Pläne der Ampel-Koalition. Sie will Vergünstigungen bei Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge streichen.

Ramelow sieht Sparmöglichkeiten dagegen bei der notwendigen Besteuerung von Kerosin, bei der Dienstwagen-Privilegierung sowie "ungeheuerlichen Ausnahmen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei den ganz großen Vermögen".

"Schlag gegen den ländlichen Raum"

Landwirtschaftsfahrzeuge seien Arbeitsmittel, ohne die die Bauern nicht auskämen. Damit sei die Kfz-Steuerbefreiung gerechtfertigt, sagte der Linke-Politiker. "Hat man je gehört, dass Steuern auf Maschinen in der Industrie erhoben werden? Das sind auch Arbeitsmittel."

Nach seiner Ansicht werden mit den Sparplänen der Ampel in der Agrarwirtschaft ländliche Regionen, die oft strukturschwach sind, über Gebühr getroffen. "Das ist einer der schwersten Schläge der letzten Jahre für den ländlichen Raum."

Es könne nicht sein, dass die Bauern anders behandelt würden als beispielsweise die Lufthansa, die weiterhin keine Kerosinsteuer zahlen müsse. Wie die Lufthansa stünde auch die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft im internationalen Wettbewerb.

Ramelow für Begrenzung des Dienstwagenprivilegs

Ramelow warf vor allem der Regierungspartei FDP Klientelpolitik vor. "Das halte ich für kreuzgefährlich für eine Demokratie."

Statt bei den Bauern zu sparen und ihnen ihre grünen Nummernschilder für ihre Fahrzeuge zu nehmen, sollten Einsparungen beispielsweise beim Dienstwagenprivileg ernsthaft geprüft werden. Es sollte zumindest begrenzt werden, verlangte Thüringens Regierungschef.

Das Steuerprivileg für Dienstwagen könnte bei einem bestimmten Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge gekappt werden. Dann könnten beispielsweise Pflegedienste weiterhin davon profitieren, die in der Regel mit kleinen Autos unterwegs seien.

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Fassungslos machten ihn Ausnahmetatbestände bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, sagte Ramelow. "2022 ist in 24 Fällen Erbschafts- beziehungsweise Schenkungssteuer in Höhe von insgesamt 1,43 Milliarden Euro erlassen worden."

Kritik an Ampel-Plänen nicht nur von Landwirten

Die Streichung von Vergünstigungen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge sollen dem Bund Einsparungen von insgesamt bis zu einer Milliarde Euro bringen. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) lehnt das ebenfalls ab.

Aus den Ampel-Reihen wurden angesichts der Protestwelle auch andere Stimmen laut, die eine Debatte über Alternativen fordern. Vertreter der Landwirtschaft verweisen darauf, dass die Betriebe ohnehin vor großen Herausforderungen stehen, zum Beispiel bei der Umstellung der Tierhaltung auf mehr Tierwohl.

Mehr zur Landwirtschaft in Thüringen

MDR/dpa (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 22. Dezember 2023 | 19:00 Uhr

35 Kommentare

Anita L. vor 20 Wochen

@Tamico161, die Reinigung öffentlicher Einrichtungen wie Schulen oder Behörden wird durch die höchste Form der Subvention bezahlt, die es gibt: öffentliche Gelder. Ich kenne keine öffentliche Schule, in der die Schüler-/Eltern-/Lehrerschaft für die Reinigung der WCs bezahlt. Auch private Schulen erhalten Finanzierung vom Staat.
Insbesondere der Lebensmittelhandel profitiert von den Subventionen auf die Lebensmittelproduktion: Er kann die Preise immer weiter drücken in dem Wissen, dass der Staat den Ausgleich schon zahlen wird. Des Weiteren kann auch der Einzelhandel von Strukturförderprogrammen oder selbst beim Umbau auf erneuerbare Energien aus Bundesfördermitteln profitieren. Und selbst wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, hilft der Staat, zum Beispiel durch die Zahlung von Insolvenzgeld, wodurch der insolvente Arbeitgeber von der Zahlung der letzten Gehälter quasi "befreit" ist.

goffman vor 20 Wochen

1. Um die Schuldenbremse zu optimieren bräuchte es eine 2/3 Mehrheit, also die Mitarbeit der Opposition. Dies wäre volkswirtschaftlich sinnvoll und wird durch die FDP genauso verhindert wie durch die Oppositionsparteien CDU und AFD.
2. Auch eine Opposition trägt Verantwortung.
Es ist ihre Verantwortung konstruktive Kritik zu üben und umsetzbare Alternativen zu erarbeiten. Wenn sie aber nur noch schlechtere Vorschläge einbringt oder sich der Realität verweigert und Populismus betreibt, dann wird sie ihrer Verantwortung nicht gerecht. Herr Ramelow hat ja wenigstens alternative Sparmaßnahmen und Einnahmequellen vorgeschlagen - die zum einen umsetzbar wären und zum anderen auch eine entsprechende Größenordnung haben.

goffman vor 20 Wochen

@camper21: Ihnen ist bewusst, dass die Besitzer von Lidl, Kaufland, Aldi & Co. zu den zehn reichsten Deutschen gehören? Anita L. hat absolut recht: Eine „wertschätzende“, d.h. angemessene Bezahlung der Bauern wäre die richtige Forderung. Der Anteil, den wir von unserem Einkommen für Lebensmittel ausgeben müssen, ist heutzutage deutlich niedriger, als noch vor Jahrzehnten.

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