Jäger mit Gewehr im Anschlag
In der EU soll die Verwendung von Bleimunition weiter eingeschränkt werden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa

Kontroverse Debatte EU will Bleimunition für Jäger und Schützen weitgehend verbieten

09. Februar 2024, 19:54 Uhr

Jäger, Sportschützen und Angler tragen dazu bei, dass hochgiftiges Blei in die Umwelt gelangt. Die EU will die Gefahren für Menschen und Tiere reduzieren. Blei soll weniger zum Einsatz kommen. Der Vorschlag hat in Sachsen-Anhalt Befürworter und Gegner.

Stephan Schulz
Bildrechte: Anne Hasselbach

Ob Jäger, Sportschützen oder Angler, sie alle verwenden seit Jahrhunderten das giftige Schwermetall Blei. Es ist in der Munition der Waffenträger vorhanden, Angler tarieren damit ihre Posen aus. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) mit Sitz in Helsinki schätzt, dass in der EU pro Jahr rund 44.000 Tonnen Blei in die Umwelt gelangen. Damit sei eine erhebliche Gefahr für Mensch und Tier verbunden.

Um das Gesundheitsrisiko zu verringern, hat die ECHA der Europäischen Kommission in Brüssel vorgeschlagen, den Einsatz von Blei bei der Jagd, beim Sportschießen und in der Fischerei stark zu beschränken. Der Vorschlag wird unter Jägern, Sportschützen und Umweltschützern in Sachsen-Anhalt kontrovers diskutiert.

Bleifreie Munition: Landesjagdverband befürchtet hohe Umrüstungskosten

Der Landesjagdverband in Sachsen-Anhalt hält es für richtig, dass nach Alternativen für bleihaltige Munition gesucht wird. Allerdings gibt Geschäftsführer Wolf Last zu bedenken, dass viele Jäger alte, aber gute Flinten haben, die mit bleifreier Munition nicht richtig funktionieren würden. Die Anschaffung neuer Waffen sei teuer, zumal auch die Schießstände, auf denen die Jägerinnen und Jäger trainieren, umgerüstet werden müssten, sagt Last. "Das würde viele Millionen Euro kosten." Ohne eine finanzielle Unterstützung des Staates sei das kaum möglich.

Jäger
Wolf Last, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Schützenvereine und Sportschützen wollen auf Bleimunition nicht verzichten

Ähnlich sieht das Dirk Schwiderski, der Geschäftsführer des Landesschützenverbandes. Er vertritt 20.000 Sportschützen in Sachsen-Anhalt, die in 456 Vereinen organisiert sind. Seiner Ansicht nach gibt es neben Gold derzeit kein anderes Metall, das so günstige physikalische Eigenschaften für den Schießsport aufweist wie Blei. Es gebe zwar bleifreie Munition auf dem Markt, aber nicht für alle Waffen. Für Kleinkaliberwaffen, die im Sportschießen eingesetzt werden, gebe es gar keine Alternativen. Käme ein Bleiverbot, müssten die Schützen und Schützenvereine viel Geld in neue Waffen investieren. "Ich sehe daher die Gefahr eines Vereinssterbens, weil die Vereine so viel Geld nicht haben."

Seeadler beim Fischfang an der Unteren Havel
Seeadler sind durch Bleimunition besonders gefährdet. Bildrechte: NABU/Klemens Karkow

Giftiges Blei in der Umwelt

Die Europäische Chemikalienagentur ECHA schätzt, dass in der EU pro Jahr rund 44.000 Tonnen Blei in die Umwelt gelangen (57 Prozent Sportschießen, 32 Prozent Jagd, 11 Prozent Angel- und Fischereiaktivitäten). Durch die Verwendung bei der Jagd und im Angelsport kommt es den Angaben zufolge zu Bleivergiftungen bei Wildtieren. Aber auch die Gesundheit von Menschen könne beeinträchtigt werden, zum Beispiel durch Bleireste in erlegten Wildtieren. Deshalb sollen die Bleiemissionen in Europa innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren um etwa 630.000 Tonnen verringert werden. Dadurch würde etwa 72% weniger Blei in die Umwelt gelangen.

Quelle: Europäische Chemikalienagentur (ECHA)

Anders als die Jäger können die Schützenvereine jedoch auf Ausnahmeregelungen hoffen. Die Europäische Chemikalienagentur deutet in ihrem Gutachten bereits an, dass Gewehre und Pistolen, die für bleihaltige Kugelmunition ausgelegt sind, auf Schießplätzen weiterhin erlaubt sein werden. Ein Grund dafür dürfte sein, dass für Schießstände strenge Regeln gelten. Das Blei, das dort verschossen wird, landet in Kugelfängen und wird recycelt.

Trotz der in Aussicht gestellten Ausnahmeregelungen schaut Dirk Schwiderski mit Sorge auf das Gutachten. "Offene Flinten-Schießstände, also Schießstände, auf denen mit Bleischrot geschossen wird, will die Chemikalienagentur möglichst verbieten. Das wäre aus unserer Sicht ein fatales Signal."

Dirk Schwiderski, Geschäftsführer Landesschützenverbad Sachsen-Anhalt
Dirk Schwiderski, Geschäftsführer Landesschützenverband Sachsen-Anhalt Bildrechte: Dirk Schwiderski

Die Schützenverbände und Sportschützen, dazu zählen auch Biathletinnen und Biathleten, sind nicht generell gegen eine Reduzierung von Bleimunition, aber sie pochen auf Ausnahmeregelungen. Dabei werden sie von vielen Politikern unterstützt. Der Stendaler SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Hermann Wollmann zum Beispiel stellte sich nach einer Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, auf der Experten des Deutschen Skiverbandes (DSV) und des Deutschen Schützenbundes (DSB) gehört wurden, auf die Seite der deutschen Biathleten. Sie seien auch weiterhin auf Bleimunition angewiesen. "Biathlon und Sportschießen haben in Deutschland und bei den Olympischen Spielen eine lange Tradition. Damit die europäischen Athletinnen und Athleten im weltweiten Vergleich konkurrenzfähig bleiben, ist eine Ausnahmeregelung unerlässlich."

Bleiverwendung beim Angeln

Auch beim privaten und berufsmäßigen Angeln wird das Thema kontrovers diskutiert, gleichwohl es im Handel zahlreiche Bleialternativen gibt. Das berichtet der Deutsche Angelfischerverband in seiner Analyse zum Thema. Die Europäische Chemikalienagentur ECHA wird damit zitiert, dass das Risiko bei der Verwendung von Angelblei durch Handelsbeschränkungen deutlich reduziert werden könne. Obwohl Blei im Unterschied zur Jagd kaum in den Organismus der Fische eintrete und am Boden der Gewässer von Sedimenten umgeben sei, sei das Schwermetall für Wasservögel gefährlich und wirke sich so auf den Nahrungskreislauf aus. Auch bei der privaten Herstellung von Bleibeschwerungen können beispielsweise beim Gießen verdampfende Bleioxide Schäden an Nervensystem und Organen verursachen.

Naturschützer fordern ein generelles Verbot von bleihaltiger Munition

Während die Schützenvereine und Sportschützen wie Biathleten wahrscheinlich auch weiterhin mit Blei schießen können, sind viele Jäger schon jetzt auf Alternativen angewiesen. Denn seit Februar 2023 ist der Einsatz von Bleigeschossen in Feuchtgebieten verboten. Das sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, sagt der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Sachsen-Anhalt, Christian Kunz. "Uns geht das aber nicht weit genug, weil die Formulierung Feuchtgebiete sehr schwammig ist. Betrifft das jedes Gewässer?" Der BUND fordert ein generelles Verbot von bleihaltiger Munition in der Jagd. "Wir wissen, dass jeder dritte Seeadler an einer Bleivergiftung stirbt, weil Tierkadaver gefressen werden, in denen sich Bleischrot befindet." Das müsse aufhören, so der Umweltschützer.

Christian Kunz, Ingenieur für Wasserwirtschaft, vom BUND Sachsen-Anhalt
Christian Kunz, Landesgeschäftsführer des BUND Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

In Frankreich, Dänemark und einigen Teilen Belgiens gilt bereits ein generelles Bleiverbot in der Jagd. Ob ein solches Verbot für alle EU-Mitgliedsstaaten kommt, steht aber noch in den Sternen. Bislang gibt es nur das Gutachten der Europäischen Chemikalienagentur. Die Europäische Kommission hat sich darüber noch kein endgültiges Urteil gebildet. Frühestens nach den Europawahlen im Juni soll ein erster Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden.

MDR (Stephan Schulz)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. Februar 2024 | 17:05 Uhr

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