Porträt von Jens Hänisch. 7 min
Jens Hänisch ist Chef vom Dienst und Moderator bei MDR Aktuell und für die Wahlkonzepte im MDR mit verantwortlich. Bildrechte: MDR MEDIEN360G

Europawahl 2024 Warum der MDR ein Wahlkonzept veröffentlicht

24. April 2024, 13:57 Uhr

In Wahlkampfzeiten haben öffentlich-rechtliche Medien eine besondere Verantwortung. Um sicher zu stellen, dass über Parteien und Politiker fair und neutral berichtet wird, veröffentlicht der MDR vorab ein Wahlkonzept. Was genau Wahlkonzepte sind und warum der MDR sie schreibt und veröffentlicht, erklärt Jens Hänisch im Interview.

2024 wird häufig als Superwahljahr bezeichnet. Bundesweit finden in diesem Jahr mehr als 10 Wahlen statt, darunter am 9. Juni die Europawahl und im September wählen Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Landtage.

Für den MDR liegt im Jahr 2024 ein großer Schwerpunkt auf der Wahlberichterstattung. Zur Vorbereitung darauf hat der Sender am 24. April ein sogenanntes Wahlkonzept für die Europawahl veröffentlicht. Im Juni folgen weitere Konzepte für die beiden Landtagswahlen, die im MDR-Gebiet stattfinden. Was genau ein Wahlkonzept ist und warum der MDR so etwas überhaupt erstellt, erklärt einer der Verantwortlichen für die Wahlkonzepte im MDR, Jens Hänisch.

Was ist ein Wahlkonzept?

Das Wahlkonzept sei in erster Linie eine Auflistung aller Sendungen, Beiträge und sonstiger Inhalte, die im Rahmen der Wahlberichterstattung geplant sind, erklärt Jens Hänisch, MDR-Aktuell Moderator und Verantwortlicher für die Wahlkonzepte. Zum Beispiel findet sich auch ebendieser Artikel im Wahlkonzept, da er im Zuge der Wahlberichterstattung veröffentlicht wird.

"Wir haben uns aus mehreren Gründen vor ein paar Jahren im MDR darauf geeinigt, [die Vorplanungen für die Berichterstattung] in ein sogenanntes Wahlkonzept zu gießen und das auch vor der Vorwahl- und Wahlberichterstattung zu veröffentlichen", so Jens Hänisch.

Eine stilisierte Hand hält einen Kompass. Daneben liegt eine Mappe und der Titel steht darüber: In Bildern erklärt. Warum Wahlberichterstattung ein Konzept braucht. 2 min
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Journalistisch unabhängig informieren – als Orientierung für den Wähler – und zugleich über alle Parteien angemessen berichten: Wie das umgesetzt wird, steht im Wahlberichterstattungskonzept.

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Daneben sind im Wahlkonzept auch die besonderen rechtlichen Leitplanken beschrieben, die für öffentlich-rechtliche Sender während der Vorwahl- und Wahlberichterstattung gelten.

Warum schreibt und veröffentlicht der MDR Wahlkonzepte?

Als öffentlich-rechtlicher Sender sei der MDR an zwei Grundsätze gebunden, die in der Verfassung verankert sind und sich scheinbar widersprechen, so Jens Hänisch. Zum einen an den Grundsatz der Rundfunkfreiheit und zum anderen an den Grundsatz der Parteienfreiheit.

Das bedeutet, dass die Öffentlich-Rechtlichen allen Parteien im Wahlkampf vergleichbare Chancen, abgestuft nach ihrer Bedeutung und früheren Wahlerfolgen, ermöglichen müssen, gleichzeitig haben sie aber den Auftrag zur unabhängigen Information und damit das Recht, über ihre redaktionellen Inhalte selbst zu entscheiden – unabhängig von der Politik. Um diese Ansprüche in Einklang zu bringen, planen die Redaktionen genau, wie, wann und in welchem Umfang sie über die Wahlen berichten.

Göttin Justitia mit Füllfederhalter und Taube. Auf dem Bild steht der Titel: In Bildern erklärt. Wie vertragen sich Parteien- und Rundfunkfreiheit? 2 min
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Informationen aus der Politik finden ihren Weg zu der Bevölkerung meist durch die Medien - vor allem im Wahlkampf. Dabei treffen der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und die Rundfunkfreiheit aufeinander.

Mo 26.04.2021 17:20Uhr 01:58 min

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Und damit für alle Interessierten (z.B. Vertreterinnen und Vertreter von Parteien, Bürgerinnen und Bürger oder auch Nutzerinnen und Nutzer) transparent, einsehbar und nachvollziehbar ist, dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten und auch die journalistische Freiheit beachtet wird, veröffentlicht der MDR seine Wahlkonzepte. Das macht der MDR allerdings freiwillig, manche ARD-Medienhäuser haben in der Vergangenheit ihre Wahlkonzepte zum Beispiel nicht veröffentlicht.

Im Zweifelsfall haben die Wahlkonzepte noch einen weiteren, juristischen Zweck. Sie dienen dem MDR als Rückversicherung. Sollte sich eine Partei durch die Berichterstattung ungerecht behandelt fühlen und dies gerichtlich überprüfen lassen wollen, kann anhand eines solchen Wahlkonzepts leichter nachvollzogen werden, was an dem Vorwurf dran ist.

Ändert sich mit dem Wahlkonzept die Arbeit in den Redaktionen?

Sechs Wochen vor der Wahl, in der sogenannten Vorwahlphase, gebe es für die Rundfunkfreiheit ganz besondere Bedingungen, die nur zu Wahlkampfzeiten gelten, erklärt Jens Hänisch. Diese rechtlichen Leitplanken müsse der MDR in der Zeit bis zur Wahl beachten, die Wahlkonzepte werden kurz vor diesem Zeitpunkt veröffentlicht.

Zu diesen rechtlichen Leitplanken gehört zum Beispiel die abgestufte Chancengleichheit. Zwar würde der MDR grundsätzlich nicht überproportional über eine Partei berichten und andere links liegen lassen, aber in den sechs Wochen bis zur Wahl müssen die Sender über alle Kandidatinnen und Kandidaten (abgestuft) gleichgewichtig, neutral und fair berichten. Es gehe schließlich um einen wichtigen und ausgewogenen Beitrag der Öffentlich-Rechtlichen zur öffentlichen Meinungsbildung vor einer Wahl, so Hänisch.

Zwei stilisierte Menschen im Anzug. Einer steht deutlich erkennbar. Ihm werden zwei Mikrofone entgegen gehalten. Der andere Mensch steht mit verschränkten Armen daneben und ist schwächer zu sehen. In Bildern erklärt: Warum wird über manche Parteien weniger berichtet? 3 min
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Das schränke die journalistische Entscheidungsfreiheit aber keineswegs ein, stellt Jens Hänisch klar: "Auch in solchen Vorwahlzeiten gilt: Die Entscheidung, in welcher Form wir berichten, welche kritischen Fragen wir stellen, die treffen wir Journalisten."

Wie verbindlich sind die geplanten Inhalte im Wahlkonzept?

Die Sendungen, Beiträge und Formate, die im Wahlkonzept stehen, finden auch so statt, denn es handelt sich um planbare Berichterstattung, z. B. Wahlkampfauftakte oder Veranstaltungen der Parteien. Über tagesaktuelle Ereignisse wird aber selbstverständlich trotzdem berichtet und sei auch von der abgestuften Chancengleichheit ausgenommen, erläutert Jens Hänisch.

Rundfunk, Presse und Politik

Im Hintergrund sitzt eine Person. Sie ist nicht erkennbar. Im Vordergrund ist ein Mikrofon zu sehen.
Lokaljournalisten, die in Dörfern und Kleinstädten arbeiten, laufen Gefahr, dass sich ihr Berufsleben auch auf ihr Privatleben auswirkt. Sie haben Sorge vor Übergriffen, weil nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Wohnorte oder Autos häufig bekannt sind. Bildrechte: MDR MEDIEN360G
Stilisierte Grafik zur ARD-Reform mit dem ARD-Logo am Haken eines Krans und einem grafisch dargestellten Baugerüst mit einem Bauarbeiter sowie Geldscheinen im Bildhintergrund. mit Video
Was soll der Öffentlich-Rechtliche leisten? Was soll er kosten? Darüber wird derzeit viel diskutiert. Dass es Reformbedarf gibt, das ist weitgehend Konsens. Nicht nur in der Politik, auch in den Rundfunkanstalten selbst. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
Porträtfoto von Prof. Dr. Annika Sehl von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Im Interview mit MEDIEN360G spricht Prof. Dr. Annika Sehl von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt über ihre Aufgaben im Zukunftsrat. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Christine Blohmann/Die Hoffotografen, Berlin

Medien im Fokus

Ein Reporter steht in kniehohem Wasser und spricht in ein Mikrofon. Eine Person mit Kamera filmt ihn.
Der Klimawandel beeinflusst alle Lebensbereiche. Die Herausforderung für Journalisten ist es, das Thema als Teil ihrer Berichterstattung anzusehen und lösungsorientiert zu berichten. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | dpa
Eine junge Frau sitzt umgeben von Büchern auf dem Boden und filmt sich mit einem Smartphone.
Auf der Videoplattform TikTok diskutieren, empfehlen und rezensieren vor allem junge Frauen in kurzen Videos Bücher. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Eine Frau blickt durch einen weißen Rahmen, auf dem "facebook" steht und wirft der Kamera einen Kuss zu.
Im Februar 2004 startete die weltweite Erfolgsgeschichte von Facebook. Auch wenn die Plattform vor allem bei Jüngeren an Bedeutung verloren hat, ist das Urgestein der Sozialen Netzwerke noch lange nicht tot. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Stilisierte Grafik von mehreren Fernsehern, die aufeinandergestapelt sind. Auf einigen ist ein bunter Hintergrund und die Logos von deutschen Privatsendern zu sehen.
Der 1. Januar 1984 war der Startschuss für das deutsche Privatfernsehen. Im Gegensatz zum Programm der Öffentlich-Rechtlichen stand bei den Privaten die Unterhaltung im Vordergrund. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Eine Frau sieht mit gespanntem Blick in die Kamera und isst Popcorn.
Binge-Watching beschreibt das "Durchschauen" einer Serie in kurzer Zeit. Was früher verpönt war, gehört heute zur Normalität. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Foto: Panthermedia
Eine Frau mit Köpfhörern auf dem Kopf und einem Smartphone in der Hand hält sich erschrocken die Hand vor den Mund.
Unter True-Crime-Fans sind Frauen mit Abstand in der Überzahl. Der Grund dafür könnte mit der Angst vor Verbrechen zusammenhängen. Bildrechte: Panthermedia / Benzoix (YAYMicro)

Sicher in der digitalen Welt

Ein Mann und eine Frau posieren mit ihrem Säugling für ein Selfie.
Bevor Kinder fünf Jahre alt sind, sind bereits durchschnittlich 1500 Bilder von ihnen im Netz, so eine Studie. Und einmal online, haben die Eltern keine Kontrolle mehr darüber, wie die Bilder verwendet werden. Bildrechte: MDR MEDIEN360G | Panthermedia
Zwei Kleinkinder sitzen nebeneinander und haben ein Smartphone und ein Tablet in der Hand.
Der Medienkonsum von Kindern kann mittels verschiedener Apps besser von den Eltern kontrolliert werden. Bildrechte: Panthermedia | MDR MEDIEN360G
Auf einem Gewässer schwimmt ein durchsichtiger Ball, in dem eine Person steht.
Durch den Einfluss von Algorithmen in (Sozialen) Medien können sogenannte Filterblasen entstehen, in denen nur bestimmte Themen und Meinungen stattfinden. Bildrechte: picture alliance/dpa
Bildausschnitt von einem Handy-Display mit Nachrichten-Apps.
Täglich strömen zahlreiche Nachrichten und Meldungen auf uns ein. Die Folge: Bei vielen zeigt sich Nachrichtenmüdigkeit. Warum uns Bad News frustrieren, wird wissenschaftlich untersucht. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G