Journalismus und Medien in der DDR Parteipresse und Staatslenkung

30. Oktober 2019, 13:59 Uhr

Als nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und des Dritten Reichs in der DDR das bessere, sozialistischen Prinzipien verpflichtete Deutschland entstehen sollte, galt dieser Anspruch auch für den Journalismus. Doch im Staat setzte sich von Anfang an nur eine Partei an die Spitze und behauptete, nur mit ihr sei dieses Ziel zu erreichen. Die Medien in der DDR wurden im Sinne dieser Politik geformt und waren diesem „sozialistischen Journalismus“ verpflichtet.

Schriftzug "Hand der Partei" und eine zertrümmerte DDR-Fahne. Außerdem Bild von Karl-Heinz Röhr. 12 min
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"Ein besseres Deutschland zu schaffen, dem wollten wir uns als junge Journalisten widmen", sagt Karl-Heinz Röhr mit Blick auf seine journalistische Ausbildung in der DDR.

MDR FERNSEHEN Di 24.09.2019 12:59Uhr 11:32 min

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Zwar gab es laut DDR-Verfassung offiziell Pressefreiheit. Die Realität sah aber ganz anders aus. Hier hatten die Medien als „kollektiver Organisator, Agitator und Propagandist“, wie es im Wörterbuch der Sozialistischen Journalistik von 1979 heißt, im Sinne der Partei zu funktionieren. Das gesamte Mediensystem – vom Buchverlagswesen über Zeitungen und Zeitschriften bis zum Radio, Fernsehen und (Kino-)Film – war staatlich gelenkt.

Als Lenin 1902 in seinem Buch Was tun? die Strukturen und Organisation einer „Partei neuen Typs“ unter Führung der Arbeiterklasse entwickelte, gehörten auch Überlegungen zur Funktion und Rolle der Presse dazu. Nach diesem Verständnis hatte die Zeitungen – das damals vorherrschende Massenmedium – nicht etwa der freien, unabhängigen Information zu dienen. Die Presse wurde vielmehr komplett in den Dienst der Partei gestellt. Meinungsvielfalt fand nicht statt, im Gegenteil: Die Presse war Sprachrohr der Partei und hatte die Menschen in deren Sinne zu lenken und „auf Linie“ zu bringen.

Zeitungen nur von Parteien und Massenorganisationen

Alle Veröffentlichungen brauchten eine Lizenz, also eine Genehmigung der zuständigen Behörden. Tageszeitungen durften in der DDR nur die zugelassenen Parteien und die so genannten „Massenorganisationen“ wie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), die Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) oder auch der Bauernverband und die Nationale Volksarmee herausgeben. So sollte die Präsenz von nicht auf der Staatslinie liegenden Weltanschauungen, Meinungen und Sichtweisen von vornherein ausgeschlossen werden.

Fernsehen und Radio wurden staatlich gelenkt

Fernsehen und Radio der DDR unterstanden dem Staatlichen Komitee für Rundfunk bzw. Fernsehen der DDR und damit ebenfalls der Parteiführung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Es gab zwei Fernsehprogramme und fünf landesweite Radioprogramme (DDR I, DDR II, Stimme der DDR, Berliner Rundfunk, Jugendradio DT64). Fernsehen und Radio wurden über eine Rundfunkgebühr finanziert, die zuletzt bei 120 DDR-Mark pro Jahr lag. (Zum Vergleich: Ab 1988 wurden Gebührenzahlende in der BRD mit 199,20 Mark pro Jahr zur Kasse gebeten, wobei der Durchschnittsverdienst im Westen deutlich höher als der in der DDR war.)

Auch die Blätter der Blockparteien waren auf SED-Linie

Neben der SED, die bereits 1946 – also drei Jahre vor der Gründung der DDR – durch den nicht ganz freiwilligen Zusammenschluss der Kommunistischen Partei (KPD) und der Sozialdemokraten (SPD) entstand, gab es noch drei weitere Parteien: Die (Ost-)CDU, die Liberaldemokratische Partei (LDPD), die Nationaldemokratische Partei (NDPD) und die Bauernpartei. Diese waren aber im so genannten „nationalen Block“ zusammengeschlossen und der SED untergeordnet. Daher lagen auch alle Zeitungen, die diese „Blockparteien“ und anderen Organisationen herausgaben, auf SED-Linie.

SED-Zeitungen wurden immer bevorzugt bedient

Die Zeitungen der SED hatten auch wirtschaftlich einen eingebauten Vorteil: Sie wurden bei der Zuteilung von – in der DDR stets knappen – Papiervorräten, bei der Technik und beim Vertrieb bevorzugt. Und es gab mehr davon: Alle Parteien gaben ein so genanntes „Zentralorgan“ mit Sitz in Berlin heraus – das bekannteste war das Neue Deutschland der SED. Dazu kamen regionale Blätter. Hier hatte die SED auf der Ebene der 15 Bezirke, in die die DDR eingeteilt war, ein jeweils eigenes regionales „Bezirksorgan“. Die anderen „Blockparteien“ durften jeweils maximal fünf regionale Titel herausgeben.    

Feine Unterschiede: Die Menschen mussten zwischen den Zeilen lesen

Unterschiede fanden sich in den Zeitungen trotz der offiziellen Führung durch die Staatspartei SED. CDU-Blätter berichteten beispielsweise mehr über kirchliche Themen, die LDPD-Blätter legten einen Schwerpunkt auf Kunst und Kultur. Abweichungen von der offiziellen Linie fanden aber kaum und wenn, dann nur sehr verklausuliert statt: Die Menschen mussten „zwischen den Zeilen“ lesen können, um sie zu verstehen. Bei Magazinen und Zeitschriften galt das im Großen und Ganzen genauso. Hier gab es allerdings ein paar kleine Freiheiten mehr, beispielsweise in Blättern wie dem „Magazin“, der „Wochenpost“ und im Satireblatt „Eulenspiegel“, die so begehrte „Bückware“ wurden: Weil die Nachfrage das Angebot überstieg, wurden die Exemplare unter der Ladentheke gebunkert und nur an ausgewählte Kunden abgegeben. Die Presse wurde in der DDR stark subventioniert. Die Zeitungen kosteten Pfennigbeträge, ein Abonnement nur wenige Mark im Jahr.

Zentralisierte Ausbildung im Journalistenberuf

Um die Kontrolle über die Medien und damit die Journalisten und Journalistinnen von Anfang an in der Hand zu behalten, wurde auch die Ausbildung immer zentralisierter. Seit Ende der 1960er Jahre war die Sektion für Journalistik an der Universität Leipzig de facto die einzige Ausbildungsstätte. Damit hatte die DDR die Journalistenausbildung – eigentlich ein klassischer Ausbildungsberuf – schon früh akademisiert. Die so genannte „Delegation“ zum Studium erfolgte durch die Medienhäuser, für die die Studierenden schon während des Studiums auch arbeiteten. Für die Auswahl zum Studium war die „staatsbürgerliche Eignung“ maßgeblich. Das Studium war im Theorie-Bereich ideologisch auf Parteilinie. Daneben fand aber auch eine umfassende und handwerklich solide journalistische Ausbildung statt. Quereinstiege aus anderen Berufen waren höchstens für Parteimitglieder möglich.

Zum Vergleich: Die Situation in Westdeutschland

In der Bundesrepublik war die Presse dagegen komplett privatwirtschaftlich organisiert. Die Gründung eines Verlages oder das Herausgeben von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften war ab dem 21. September 1949 nicht mehr an Genehmigungen oder Lizenzen gebunden.

Bis 1984 gab es im Westen nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser wurde nach dem Vorbild der britischen BBC ausdrücklich staatsfern organisiert. 1984 wurde mit dem Start von RTL und Sat.1 der private Rundfunk eingeführt. Für private Sender ist bis heute eine Lizenz nötig. Bei deren Erteilung spielen politische oder weltanschauliche Kriterien aber keine Rolle. „Journalist“ konnte sich schon damals jeder nennen, der journalistisch arbeitete.

Eine besondere Ausbildung oder Zulassung für den Beruf ist bis heute nicht vorgeschrieben.