MEDIEN360G im Gespräch mit... Josef Holnburger

13. August 2019, 12:12 Uhr

Josef Holnburger ist Politikwissenschaftler und Mitautor der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über den digitalen Wahlkampf zur Europawahl 2019. Er forscht an der Universität Hamburg zu neuen Möglichkeiten der Political Data Science.

Porträt von Josef Holnburger 5 min
Bildrechte: MEDIEN360G / Foto: Simone M. Neumann
5 min

Josef Holnburger ist Politikwissenschaftler und Mitautor der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über den digitalen Wahlkampf zur Europawahl 2019.

MDR FERNSEHEN Fr 02.08.2019 09:23Uhr 04:54 min

https://www.mdr.de/medien360g/medienpolitik/interview-josef-holnburger-106.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Dagmar Weitbrecht: Wir sind bei MEDIEN360G, dem Portal für Medienthemen des Mitteldeutschen Rundfunks. Das Jahr 2019 ist ein Wahljahr in Mitteldeutschland. In Kürze wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Umfragen sehen die CDU und die AfD gleichauf. Höchste Zeit also, im Wahlkampf Vollgas zu geben. Der spielt sich zunehmend auch in den sozialen Netzwerken ab. Ich spreche jetzt mit dem Politikwissenschaftler Josef Holnburger. Er hat zusammen mit dem Politik- und Strategieberater Martin Fuchs für die Friedrich-Ebert-Stiftung den digitalen Wahlkampf der Parteien zur Europawahl analysiert. Hallo Herr Holnburger, ich grüße Sie!

Josef Holnburger: Hallo, guten Tag.

Dagmar Weitbrecht: Was war für Sie das überraschendste Ergebnis der Wahlkampfanalyse.

Josef Holnburger: Das Überraschendste, glaub ich, war tatsächlich, dass, obwohl die Parteien SPD und CDU erkannt haben, dass es eine große Relevanz hat, den Wahlkampf auch in sozialen Netzwerken zu bespielen und deswegen auch sehr viel Geld in die Hand genommen haben, dieses Geld nicht in Reichweite umgesetzt werden konnte. Also es wird zunehmend schwerer, für gerade die CDU und SPD, an organische Reichweite zu kommen. Das heißt an Menschen, die auf natürliche Weise auf ihre Beiträge klicken und die entsprechend teilen. Und es wird zunehmend auch schwerer für diese Parteien, selbst mit werbefinanzierten Beiträgen, großes Publikum zu erreichen.

Dagmar Weitbrecht: Was haben denn andere Parteien anders gemacht?

Josef Holnburger: Ich glaube, was andere Parteien anders gemacht haben ist, dass die bereits auf eine sehr aktive Community setzen konnten. Nehmen wir das Beispiel der AfD, die ja sehr erfolgreich den Europawahlkampf in den sozialen Netzwerken gemacht hat, aber kaum Geld in die Hand genommen hat. Die haben sehr viele Nutzer_innen, die sehr viele Beiträge kommentieren, teilen, auf "Gefällt mir" klicken. Das machen sie natürlicherweise schon, das heißt, da muss auch gar kein großes Geld in die Hand genommen werden, sondern da wird einfach die Partei supportet. Und ich glaube, das geht gerade den Parteien SPD und CDU so ein bisschen ab.

Dagmar Weitbrecht: Welche Plattform entwickelt sich in Bezug auf den Wahlkampf am rasantesten?

Josef Holnburger: Das können wir eindeutig belegen. Das ist Instagram. Mit Instagram erreichen teilweise die Parteien stärkere Interaktionsraten als auf dem ehemaligen Platzhirsch, würde ich es fast bezeichnen, Facebook. Wir haben beobachtet, dass alle Parteien mittlerweile auf Instagram aktiv sind. Die meisten Kandidierenden sind auf Instagram auch aktiv. Wir haben gerade dort auch gesehen, dass vor allem diejenigen Spitzenkandidierenden, die vielleicht noch weniger bekannt sind, umso mehr auf Instagram Werbung machen. Und vor allem erreichen sie dort ein sehr aktives und auch vor allem junges Publikum. Ich glaube, das ist eine Erkenntnis, die mittlerweile alle Parteien getroffen haben.

Dagmar Weitbrecht: Da würde ich gerne nochmal nachhaken. Sie sagten, Facebook ist ja quasi out, wenn man es jetzt mal platt formulieren würde, und Instagram der neue Stern am Himmel. Was unterscheidet diese beiden Plattformen jetzt in Bezug auf den Wahlkampf?

Josef Holnburger: Ich würde nicht sagen, dass Facebook out ist. Facebook muss auch immer noch weiter bespielt werden. Ich glaube nur, dass mit Instagram sich langsam eine Zielgruppe herauskristallisiert, die vor allem noch mal jünger ist. Das heißt, man erreicht dort vor allem die Erst- und Zweitwähler. Das ist ja gerade bei solchen Wahlen wie der Europawahl auch nicht unwichtig, diese Wählergruppe anzusprechen. Deswegen glaube ich, dass der Wahlkampf online in Zukunft nicht nur auf einem Fokus sitzen darf, nämlich nur Facebook oder nur Instagram oder nur Twitter oder nur YouTube, sondern, dass immer mehr alle diese Plattformen bespielt, gespielt werden müssen, um entsprechend alle Zielgruppen zu erreichen.

Dagmar Weitbrecht: Sie hatten es eben schon gesagt im Interview. Auch in ihrer Studie kommen sie ganz klar zu dem Ergebnis, dass sich die großen Volksparteien ziemlich schwer tun mit dem Wahlkampf in den sozialen Netzwerken. Hat das unter Umständen auch Folgen für die Demokratie?

Josef Holnburger: Ich glaube, das hat tatsächlich Auswirkungen auf die Demokratie. Das hat auch ein bisschen mit den Änderungen des Algorithmus von Facebook zu tun. Es war ja der Wunsch von Facebook - das müsste im Frühjahr 2018 gewesen sein -, dass diese Seite wieder eher persönliche Nachrichten in den Vordergrund stellt. Das heißt, Beiträge von öffentlichen Seiten sind in dem neuen Algorithmus weniger stark berücksichtigt als Beiträge, die von Freunden geteilt werden oder von Freunden geschrieben werden. Das hat auch Auswirkungen für die Parteien selbst, eben vor allem die großen Parteien, die vielleicht wenig organische Reichweite haben. Wenn diese Parteien es nicht mehr schaffen, die Wähler_innen zu erreichen, dann hat das natürlich auch langfristige Wirkungen. Zum einen auf das Parteienspektrum selbst, also das Internet wird auch weiterhin eine große Relevanz haben bei der Wahlentscheidung und wird auch weiterhin einen sehr großen Teil der Öffentlichkeit annehmen. Und wenn man auf diesen großen Teil der Öffentlichkeit eben nicht mehr die Menschen erreicht, die man vorher erreicht hat, dann wird es auf jeden Fall das Parteienspektrum noch mal umkrempeln können, oder die Gefahr besteht zumindest.

Dagmar Weitbrecht: Die der digitale Wahlkampf wird immer wichtiger, doch die Parteien gehen sehr unterschiedlich um damit und haben auch sehr unterschiedlich Erfolg. Das war der Politikwissenschaftler Josef Holnburger, vielen Dank.

Josef Holnburger: Dankeschön.

Dagmar Weitbrecht: Für MEDIEN360G war Dagmar Weitbrecht am Mikrofon.

Zur Person Josef Holnburger

Josef Holnburger ist Politikwissenschaftler und Mitautor der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über den digitalen Wahlkampf zur Europawahl 2019. Als politischer Referent der DGB Jugend beschäftigt er sich mit den Schwerpunkten Internationales und Arbeitsmarktpolitik.