Blick auf das fast völlig zerstörte Stadtzentrum von Dresden.
Die zerstörte Dresdner Innenstadt nach dem Luftangriff vom 13. Februar 1945 Bildrechte: picture alliance / dpa | Gutbrod

13./14. Februar 1945 Die Bombennacht: Zwei Dresdnerinnen erinnern sich

10. Februar 2024, 12:51 Uhr

Jedes Jahr erinnert Dresden am 13. Februar an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg 1945. Zeitzeugen, die über den Schicksalstag berichten können, gibt es nicht mehr viele. Das macht jedes erzählte Schicksal aus dieser Zeit umso wertvoller, wie das von zwei Dresdnerinnen. Eine erlebte die Bombardierung als Kleinkind, die andere überlebte die schreckliche Nacht im Leib ihrer hochschwangeren Mutter.

Irene Bäger und Irmgard Kunze sind zwei Überlebende der Luftangriffe von 1945. Ihre Mütter wollen im Februar 1945 in der Frauenklinik im Johannstädter Krankenhaus ihre Kinder zur Welt bringen: Irmgard Kunze selbst und Irene Bägers kleine Schwester Helga. Die Frauenklinik wird an jenem Tag von einer Bombe zerstört. Für Irene Bäger endet mit der Bombardierung und dem Tod der Mutter ihre Kindheit. Irmgard Kunze und ihre Mutter haben Glück: Sie überleben beide.

Irene Bäger - Mutter verbrennt in Frauenklinik

13. Februar 1945: Um 21:45 Uhr ertönt der Fliegeralarm in Dresden. Es ist Faschingsdienstag und Irene Bäger, geborene Krüger, ist gerade einmal fünf Jahre alt. Tagsüber verbringt sie, als Rotkäppchen verkleidet, den Tag mit ihren Großeltern. Ihre Mutter liegt in der Frauenklinik des Johannstädter Krankenhauses. Es ist ein besonderer Tag für die Familie: Die kleine Schwester Helga ist zur Welt gekommen. Als der Alarm losgeht, liegt Irene längst im Bett. Ihre Großmutter weckt sie, zieht ihr hastig eine lange Hose über den Schlafanzug und bringt sie in den schützenden Keller. Dort harren sie mit den übrigen Hausbewohnern aus und warten darauf, dass der Luftangriff vorüber geht. In der ersten Angriffswelle wird das Wohnhaus der Großeltern verschont, doch später in der Nacht, gegen 1:30 Uhr fallen weitere Bomben.

Irene Bäger mit Schwester.
Irene Bäger (links) und ihre Schwester. Bildrechte: Privat

Dann kam der zweite Angriff und der war viel schlimmer in der Johannstadt, also bei uns hier. (…) Und dann kam diese gelbe Flüssigkeit durch unsere Kellerfenster rein. Da wusste ich aber nicht, um was es sich handelt. Nur an die Grelle erinnere ich mich noch, und dass alle aufgeschrien haben und alle raus.

Irene Bäger, erlebte die Bombenangriffe als Fünfjährige mit

Die Kinder aus der Frauenklinik

Ein rotes Kreuz auf dem Dach soll die Königliche Frauenklinik, damals sprach man vom Johannstädter Krankenhaus, vor Luftangriffen schützen. In der Nacht vom 13. Februar 1945 wird die Klinik dennoch von Bomben getroffen: 200 Menschen kommen ums Leben, darunter auch 45 Mütter, die kurz zuvor entbunden haben. Über 50 Neugeborene überleben die Nacht. Sie waren nicht im zerbombten Mütterkeller, sondern in der Kinderklinik untergebracht. Noch während die Stadt brennt, werden die Kinder auf einem dreckigen Kohleauto aus der Stadt gebracht. Viele Kinder sterben später an den Strapazen der Nacht. Im Chaos nach der Bombardierung wissen viele Angehörige nicht, was mit den Neugeborenen passiert ist.

Frauenklinik in Flammen

Im Keller ist es nicht mehr sicher. Die Großmutter packt Irene Bäger und flüchtet mit ihr nach draußen. Gemeinsam mit dem Großvater eilen sie zur Elbe und kommen am Johannstädter Krankenhaus vorbei - da steht die Frauenklinik bereits in Flammen. Eine Bombe hat den Keller, in dem die Mütter Schutz suchten, zerstört. Die Familie rechnet mit dem Schlimmsten. Tatsächlich wird Irenes Mutter tot aus den Trümmern geborgen - eine Woche nach dem Angriff. Die Bilder der brennenden Klinik und die Angst, die sie als Kind während der Luftangriffe spürte, kann Irene Bäger bis heute nicht vergessen.

Irmgard Kunze - Im Mutterleib durch die Bombennacht

Während der Bombennacht harrt die Mutter von Irmgard Kunze mit ihren Söhnen in einem Luftschutzkeller aus. Vor Schreck haben ihre Wehen ausgesetzt. Als sie am nächsten Morgen mit ihren Kindern aus dem Keller hinaufsteigt, steht Dresden in Flammen. Die Familie will die Stadt entlang der Elbe verlassen.

Meine Mutter hat einen Kinderwagen genommen und hat da ein paar Sachen rein, Babywäsche rein, und meine Brüder rechts und links am Kinderwagen festgehalten. (…) Und dann sind die Richtung Elbe gelaufen, weil in der Stadt war alles so heiß und so verbrannt und so eine schlimme Situation, dass jeder gedacht hat: 'Nur ans Wasser, Luft!'

Irmgard Kunze, geboren am 15. Februar 1945

An der Elbe angekommen, ist die schwangere Mutter zu erschöpft zum Weitergehen. Ein junger Mann zieht sie mit seinem Leiterwagen aus der Stadt heraus. Die Mutter erreicht das Haus ihrer Schwiegereltern. Dort bringt sie am Morgen des 15. Februars Irmgard Kunze zur Welt. Mutter und Tochter sind wohlauf - sie haben Glück gehabt. Doch auch in Irmgard Kunzes Familie wird getrauert: Der Großvater hatte sich kurz vor dem Fliegeralarm auf den Weg zu Irmgards Kunzes Mutter gemacht. Im Großen Garten verliert sich die Spur des Großvaters. Seine Leiche wird nie gefunden.

Also wäre sie gleich [ins Krankenhaus, Anmerkung der Redaktion] gegangen, wie man 's vielleicht gemacht hätte, dann wären wir beide tot. Von daher ist es halt auch Schicksal gewesen, dass sie gedacht hat: 'Ach, wartest du mal noch ein bisschen'.

Irmgard Kunze, geboren am 15. Februar 1945

Die Überlebenden aus der Frauenklinik

Für Irene Bägers Familie gibt es hingegen erfreuliche Nachrichten: Die Neugeborenen aus der Frauenklinik sollen überlebt haben. Die Suche nach Irenes kleiner Schwester Helga beginnt. Im März 1945 werden sie fündig: Helga soll in einer Klinik in Kreischa sein. Die Familie fährt los, um das Kind zu holen. Irene lernt nun endlich ihre kleine Schwester kennen.

Irmgard Kunze betrachtet Fotos aus ihrer Kindheit
Irmgard Kunze betrachtet Fotos aus ihrer Kindheit. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Noch heute treffen sich Irene Bäger und andere Überlebende, deren Mütter in der Frauenklinik ums Leben gekommen sind. Sie haben sich als Gruppe unter dem Namen "Überlebende Kinder Dresden" zusammengeschlossen und eine Gedenktafel an der heutigen Uniklinik angebracht. Auf ihrer Internetseite berichten sie von ihren Erfahrungen, denn wie in jedem Krieg sind Kinder die größten Leidtragenden.

(zuerst veröffentlicht am 15.09.2015)

Dieses Thema im Programm: 1945 - Unsere Städte | 08. Februar 2022 | 22:15 Uhr

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