Naina Jelzina - die häusliche First Lady

19. April 2018, 17:42 Uhr

30 Jahre lang arbeitete Naina Jelzina als Bauingenieurin, erzog die Kinder und kümmerte sich um den Haushalt. 1991 wurde ihr Mann zum russischen Präsidenten gewählt. Naina Jelzina war nun die First Lady des Landes und stand plötzlich im Rampenlicht. Aber sie trat nur selten in der Öffentlichkeit auf. Sie kümmerte sich auch weiterhin um den Haushalt und kochte ihrem Mann Pelmeni und Frikadellen.

Es gibt ein Foto von Naina Jelzin und ihrem Mann, dem russischen Präsidenten. Boris Jelzin steht kerzengerade, in gestreiftem Hemd und Strickjacke, vor seiner Frau. Naina richtet ihm den Hemdkragen und zupft seine Jacke zurecht, weil er gleich einen offiziellen Termin mit dem kasachischen Präsidenten im Kreml hat. Und da sollte der russische Präsident schon tadellos gekleidet sein. Boris Jelzin blickt starr über seine um einen Kopf kleinere Frau hinweg, sie lächelt zärtlich zu ihm herauf...

Russlands First Lady

Naina Jelzina wurde 1991, als ihr Mann zum russischen Präsidenten gewählt wurde, die erste First Lady des riesigen Reiches. Besonders beeindruckt schien sie davon nicht zu sein. Auf die Frage eines "SPIEGEL"-Reporters, ob sie sich als "Mutter der Nation" fühle, antwortete sie: "Boris tut einfach seine Pflicht. Und ich mache mir solche Gedanken nicht." (Spiegel 16/1997) Es habe sich halt alles so ergeben und zum Glück gibt es eine Handvoll Leute, auf deren Ratschläge sie sich stütze. Mehr könne man dazu beim besten Willen nicht sagen.

Beruf, Kinder und Haushalt

Naina Jelzina wurde als Anastasija Girina 1932 in Orenburg im Ural geboren. Nach der Oberschule studierte sie Bauwesen am "Polytechnischen Institut des Ural" in Swerdlowsk. Dort lernte sie Mitte der 1950er-Jahre auch Boris Jelzin kennen, der ebenfalls Bauwesen studierte. 1956 heirateten die beiden, zwei Töchter wurden geboren. Nach Abschluss des Studiums arbeitete Naina Jelzina als Bauingenieurin, während ihr Mann Karriere in der KPdSU von Swerdlowsk machte. Naina Jelzina kümmerte sich neben ihrer Berufstätigkeit um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Insgesamt knapp 30 Jahre lang, bis 1985, als Boris Jelzin zum Parteichef von Moskau berufen wurde und die Familie in die sowjetische Hauptstadt umzog. Die Gattin des Parteichefs war jetzt nur noch Hausfrau. Daran änderte sich auch nichts, als Boris Jelzin russischer Präsident wurde.

An der Seite des Präsidenten

Naina Jelzina, die erste Dame des Landes, trat nur gelegentlich in der Öffentlichkeit auf. Bei einigen Empfängen in Moskau sah man sie und nur bei einem knappen halben Dutzend Auslandsreisen begleitete sie ihren Mann: nach Schweden, Finnland, China und die USA. Mit Hillary Clinton soll sie sich dem Vernehmen nach prächtig verstanden haben. Und überhaupt mit den gewöhnlichen Leuten, die sie beim sogenannten "Damenprogramm" bei den Staatsbesuchen traf. Ins politische Tagesgeschäft mischte sie sich öffentlich nie ein. Privat hingegen schon, wenn auch ohne nennenswerte Ergebnisse: Boris habe zwar stets brav zugehört, dann aber gemacht, "was er selbst für richtig hielt" (Spiegel 16/1997).

Ansonsten kümmerte sich die First Lady um den Haushalt der Präsidentenwohnung im Kreml, sie legte ihrem Mann jeden Tag die Kleidung hin und kochte ihm seine Leibspeisen: Pelmeni und Frikadellen.

Von einer erneuten Kandidatur abgeraten

Nur einmal mischte sich Naina Jelzina entschieden ein: Bei der Frage, ob ihr Mann eine zweite Amtszeit anstreben sollte. Sie war strikt dagegen. "Schon die erste Amtszeit war sehr hart", berichtete sie dem "Spiegel" (16/1997). "Ich wollte ihn davor bewahren, dass er sich diese Last noch einmal auf die Schultern lädt. Er hat sich aber dafür entschieden zu kandidieren, und danach habe ich meine Bedenken niemals wiederholt." Ganz im Gegenteil: Im Wahlkampf trat sie einige Male an der Seite ihres Mannes auf und gab auch - ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit - zahlreiche Interviews.

Rückzug ins Privatleben

1999 trat Boris Jelzin überraschend vom Amt des Präsidenten zurück. Russland befand sich in einer schweren Wirtschaftskrise und Jelzin wurde später vorgeworfen, diese durch seine Politik einer brutalen Privatisierung, die auch das Entstehen einer Oligarchie befördert hatte, verursacht zu haben. Naina und Boris Jelzin zogen sich in ihre Datscha am Rand der russischen Hauptstadt zurück. Als Boris Jelzin 2007 starb, wurde er mit großem Pomp beigesetzt. Bei den Trauerfeierlichkeiten trat Naina Jelzina vorerst zum letzten Mal vor einer größeren Öffentlichkeit auf.

Jelzin-Museum und Autobiografie

2015 eröffnete Jelzins Witwe gemeinsam mit Wladimir Putin in Jekaterinenburg ein Jelzin-Museum. Putin nannte den großzügigen Museumsneubau bei seiner Einweihung "einen Tribut an Russlands ersten Präsidenten". Naina Jelzina sagte: Die Ausstellung zeige Größe und Verwerfungen einer Geschichtsepoche. Zwei Jahre später, im Frühjahr 2017, veröffentlichte sie überraschend ihre Autobiografie "Aus meinem Leben". Darin schildert sie ihr gar nicht glamouröses Leben als First Lady, verteigt ihren Mann gegen den Vorwurf, er habe übermäßig getrunken und rechtfertigt seine Politik vehement - einen anderen Weg als den von Boris Jelzin eingeschlagenen hätte es für Russland nicht gegeben.

Über dieses Thema berichtete der MDR im Radio auch 26.07.2014 | 22.04 Uhr