Palast der Gespenster Demonstration in Plauen: "Dieser Befehl ist absurd!"

14. November 2019, 11:12 Uhr

Plauen. Für viele ist die Stadt Synonym für die größte Demonstration der Wendezeit. Am 7. Oktober 1989 kommt es zu heftigen Ausschreitungen. Die Feuerwehr soll mit Wasserwerfern anrücken. Diese ist zwar dagegen – doch Befehl ist Befehl. Später verurteilt der Wehrleiter den Einsatz aufs Schärfste.

Der 7. Oktober 1989: In Berlin heben Honecker und Konsorten die Sektgläser und stoßen auf den 40. Geburtstag der Republik an. Und auch in Plauen ist dieser 7. Oktober ein denkwürdiger Tag. Die Feuerwehr Plauen schreibt das wohl dunkelste Kapitel ihrer Geschichte: Als Abteilung der Polizei muss sie den Befehlen der Einsatzleitung folgen.

Wasser Marsch! Danach Totenstille

Der Befehl ist absurd – das ahnen die Feuerwehrmänner bereits, bevor sie ausrücken. Ihre Löschfahrzeuge, klassische W 50 mit Wasserrohr, sollen als Wasserwerfer die demonstrierenden Menschen auseinander bringen: zwei Tanklöschzüge gegen 15.000 Menschen.

Demonstranten bewaffnen sich mit Flaschen und Pflastersteinen, zerschlagen Betonpapierkörbe und bewerfen damit die Feuerwehrautos. Die Scheiben zerbersten. Einer der Demonstranten, der bis dahin noch nie zu Aggressionen fähig war, beschreibt die Situation so:

Zuerst war Totenstille. So waren die Leute entsetzt. Und erschrocken. Und keiner hat was gesagt. Und dann ging ein Geschrei los. Ich in meiner Wut nahm so ein Betonbruchstück und hab es aus allernächster Nähe in die Frontscheibe dieses Feuerwehrautos geschmissen. Die zersplitterte in tausend kleine Scherbchen. Wenn die nicht innen zugesperrt hätten ich glaube, die hätten sie rausgerissen und gelyncht.

Nur dem Umstand, dass die Fahrerkabine zusätzlich noch mit Gittern geschützt war, ist zu verdanken, dass die Feuerwehrmänner mit heiler Haut wieder die Feuerwache erreichen. Die Männer wissen: Die Demonstranten haben recht.

Feuerwehr Plauen: Verurteilt Einsatz aufs Schärfste

Gerold Kny ist damals Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr. Die Menschen in Plauen unterscheiden in ihrer Wut nicht zwischen Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr. Er verfasst sofort eine offizielle Erklärung an den Rat der Stadt Plauen: Die Freiwillige Feuerwehr distanziere sich von ihrem eigenen Verhalten und verurteile den Einsatz "aufs Schärfste". Gerold Kny und seine Feuerwehrmänner verfassen den Brief aus tiefer eigener Überzeugung. Es ist ihnen egal, ob es negative Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Am 8. Oktober 1989 ist in der DDR noch nichts entschieden. Drei Tage später versichert die Freiwillige Feuerwehr zusätzlich öffentlich den Plauener Bürgern mit einen Spruchband: Feuerwehr für das Volk: Ja! Wasserwerfer gegen das Volk: Nein! Nie wieder! Damit ist ihr Ruf bei den Plauenern endgültig wiederhergestellt.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im Programm: MDR Fernsehen | Palast der Gespenster - Der letzte Jahrestag der DDR | 06.10.2019 | 20.15 Uhr