Porträt Victor Klemperer
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Victor Klemperer

(1881-1960)

24. August 2007, 16:31 Uhr

Victor Klemperer wurde als neuntes Kind der Familie am 9. Oktober 1881 in Landsberg an der Warthe geboren. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Berlin und verließ zunächst mit 16 Jahren die Schule, um eine dreijährige kaufmännische Lehre zu absolvieren. Später kehrte er auf das Gymnasium zurück und machte das Abitur. 1906 heiratete Klemperer die ostpreußische Bürgertochter und Pianistin Eva Schlemmer.

Das Studium der Philosophie, Germanistik und Romanistik in Berlin, München, Genf und Paris schloss Victor Klemperer 1912 mit der Promotion ab. Ein Jahr später habilitierte er sich in München mit einer Schrift über Montesquieu.

Zwischen 1904 und 1912 lebte Klemperer zunächst als freier Publizist in Berlin. Er schrieb für mehrere Blätter verschiedener politischer oder kultureller Färbung. 1914 bis 1915 hielt er sich in Italien auf, nachdem man ihm eine Stelle als Lektor in Neapel angeboten hatte. Der Erste Weltkrieg beendete den Italienaufenthalt, Klemperer meldete sich freiwillig und nahm als Unteroffizier am Krieg teil. Er fühlte sich als Deutscher und verspürte eine geistige Zugehörigkeit zur deutschen Kultur. Aus dieser Motivation heraus konvertierte Klemperer 1912 zum Protestantismus. Seine Konversion hatte keine religiösen Motive, vielmehr sah er den Protestantismus als eine der ideellen Grundlagen der deutschen Kultur an. "Ich fühlte mich nicht als Jude, nicht einmal als jüdischer Deutscher, sondern als Deutscher schlechthin." Wie viele deutsche Juden bezog auch Klemperer den latenten Antisemitismus in Deutschland lange Zeit nicht auf sich.

Nach dem Krieg erhielt der Romanist 1919 eine Stelle an der Universität München, im nächsten Jahr wurde er Ordinarius an der Hochschule in Dresden. Zunächst sah Klemperer sein persönliches Ziel erreicht: Er war deutscher Professor. Allerdings hoffte er vergeblich auf den Ruf einer Universität mit altehrwürdiger romanistischer Fakultät. Erst sehr spät wurde ihm bewusst, dass sich seine jüdische Herkunft negativ auf die Karriere auswirkte.

1933 wurde es offensichtlich. Obwohl sich Klemperer und viele andere mit ihm selbst nicht als Juden betrachteten, wurden sie zu Juden gemacht: Erst durch die Ausgrenzungsmechanismen, durch das Absprechen einer "deutschen Identität", wurde Klemperer dazu gezwungen, sich als Jude zu betrachten. Durch das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" 1933 seines Amtes enthoben, von der Benutzung öffentlicher Bibliotheken und dem Kauf von Büchern oder Zeitungen ausgeschlossen, wurde ihm die Fortsetzung seiner Arbeit unmöglich gemacht.

Schlimmer noch als der Umzug ins "Judenhaus" und als das Berufsverbot traf Klemperer am 20. September 1941 die Verordnung, als Jude den Judenstern zu tragen. Er fühlte sich dadurch als "Nicht-Deutscher" ausgewiesen. Diese Ausgrenzung bedeutete für ihn eine Negierung seines Selbstverständnisses. Seiner nicht-jüdischen Frau Eva hatte es Klemperer zu verdanken, dass er nicht vor Februar 1945 deportiert wurde. Der Bombenangriff am 13./14. Februar gab dem Ehepaar Klemperer die Möglichkeit, aus der Stadt zu flüchten und der Gefahr der Deportation zu entgehen, denn am 16. Februar sollten die deutsch-jüdischen Mischehen aufgelöst werden.

Nach dem Ende des Zweiten Krieges kehrte das Ehepaar Klemperer nach Dresden zurück, hier erlebten sie den Wiederaufbau der Stadt und die Geburt der Deutschen Demokratischen Republik. Durchaus skeptisch gegenüber der Kommunistischen Partei, traten Eva und Victor Klemperer dennoch im November 1945 der KPD bei. Für Victor Klemperer stand diese Partei am ehesten für eine konsequente Entnazifizierung und für eine Erneuerung der Schulen und Universitäten. Er engagierte sich vor allem kulturpolitisch für den neuen Staat. So wurde er auch Mitglied des Präsidialrates des "Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschland", der "Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft" und der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes". Als Vertreter des Kulturbundes war er von 1950 bis 1958 Mitglied der Volkskammer der DDR.

Unmittelbar nach Beendigung des Krieges hatte Klemperer seinen Lehrstuhl an der Dresdner Technischen Hochschule zurückerhalten. In den folgenden Jahren lehrte er in Greifswald, später auch an der Universität Halle. Gleichzeitig war er seit 1951 Lehrender an der Humboldt-Universität Berlin und Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin.

Klemperer führte seit seinem 17. Lebensjahr Tagebuch. Die Aufzeichnungen sind ein Dokument für die Zeit des Kaiserreiches, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und des Neuaufbaus ab 1945. Klemperer schrieb aus der Perspektive eines Betroffenen. Dass er den Leser an seinen persönlichen Betrachtungen und seiner emotionalen Verarbeitung des Geschehenen teilhaben lässt, macht die Tagebücher des Romanisten ungemein wertvoll. Nach dem Krieg dienten ihm seine Aufzeichnungen als Grundlage für die 1946 erschienene Studie "LTI. Notizbuch eines Philologen", darin analysierte er die Sprache des Dritten Reiches. Die Tagebücher selbst wurden erst nach seinem Tode publiziert. Lange Zeit lagen sie in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden. Erst 1989 erschienen die ersten Bände.

Nach dem Tod seiner Frau Eva hatte Klemperer 1952 Hadwig Kirchner geheiratet, die die späteren Herausgeber der Tagebücher maßgeblich unterstützte. Am 11. Februar 1960 erlag Klemperer in Dresden einem Herzinfarkt.

1995 wurde Victor Klemperer und seinen Schriften posthum der Geschwister-Scholl-Preis verliehen. In der Laudatio auf Klemperer anlässlich der Preisverleihung bemerkte Martin Walser: "Sinnvoll wäre, dafür zu sorgen, dass Klemperer überall gegenwärtig wäre, dass er zu einer wichtigen Auskunftsquelle über diese Epoche deutscher Geschichte werden würde. Ich kenne keine Mitteilungsart, die uns die Wirklichkeit der NS-Diktatur fassbarer machen kann, als es die Prosa Klemperers tut."