Big Data in der Medizin KI sagt mit Röntgenbildern Lebenserwartung voraus

26. Juli 2019, 17:32 Uhr

Ein internationales Forscherteam hat tausende Röntgenaufnahmen von einem KI-Algorithmus analysieren lassen. Danach konnte das neuronale Netzwerk auf bis zu zwölf Jahre die Lebenserwartung der Patienten einschätzen.

Es ist der Klassiker in den Vorabend-Arzt-Serien: Mit ernster Miene teilt der Doktor seinem Patienten die schreckliche Diagnose mit. Der fragt: Wie lange habe ich noch? Der Arzt rechnet vielleicht mit einem Jahr. Wissenschaftler der Harvard University gehen noch einen Schritt weiter: Sie wollen unsere Lebensdauer auf bis zu zwölf Jahre berechnen und zwar mit Hilfe von Röntgenaufnahmen unseres Brustkorbs.

Normalerweise werden Röntgenbilder für spezifische Zwecke angefertigt, etwa, wenn Ärzte schauen wollen, ob eine Lungenentzündung vorliegt. Danach archivieren sie die Aufnahmen. Jetzt wollten die Forscher wissen, ob die Aufnahmen für Mediziner noch nützlicher sein können. "Uns hat interessiert, ob es möglich ist, noch mehr Informationen aus einem Röntgenbild herauszuziehen", sagt Thomas Mayrhofer. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Stralsund und hat als Gesundheitsökonom an der Harvard- Studie mitgearbeitet.

85.000 Röntgenbilder analysiert

Dafür nutzen die Forscher 85.000 Röntgenbilder aus verschiedenen Krebsstudien. Diese gaben sie einem neuronalen Netzwerk, also einem Computerprogramm, das Muster in großen Datenmengen aufspüren kann. Diese Künstliche Intelligenz erhielt außerdem zu den Bildern die Information, wer innerhalb von 12 Jahren gestorben ist. Dadurch lernte es, die Sterblichkeit und die Todesart vorherzusagen, erklärt Mayrhofer.

Das neuronale Netzwerk selbst hat die Sterbewahrscheinlichkeit berechnet. Wir haben diese Wahrscheinlichkeiten in fünf Risikoklassen eingeteilt. In der geringsten Risikoklasse lag das Sterberisiko bei vier Prozent, in der höchsten aber schon bei 53 Prozent.

Thomas Mayrhofer. Universität Stralsund

Wissen kann Sterberisiko verringern

Die Wahrscheinlichkeit in den nächsten 12 Jahren zu sterben, kann also bei unter fünf oder bei über 50 Prozent liegen. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel. Doch dürften Zahl und Genauigkeit steigen, sobald die Wissenschaftler Alter, Geschlecht und andere demografische Daten dem CNN hinzufügen. So beeindruckend das ist, stellt sich natürlich die Frage: Warum sollte jemand wissen wollen, dass er nur noch 12 Jahre zu leben hat, oder sechs, oder vier? Mayrhofer sieht das optimistisch:

Der Mehrwert besteht darin, dass man die Informationen für Präventionsmaßnahmen nutzen kann. Es ist ja nie zu spät, solange man nicht verstorben ist. Also kann ein Arzt hier frühzeitiger klären, ob beispielsweise ein Lungenkrebsscreening sinnvoll ist oder ob man die Lebensweise ändern sollte.

Thomas Mayrhofer. Universität Stralsund

Lebenswandel ändern

Es ist also nie zu spät seine restliche Lebensdauer zu erfahren, um sein Leben noch zu ändern. Und ginge es nach Thomas Mayrhof und den Harvard-Wissenschaftler, wird in der Zukunft das künstlichen neuronale Netzwerk in jedem Röntgengerät integriert sein. Vor dieser Entwicklung sind allerdings noch technische, rechtliche und einige ethische Fragen zu klären.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 26. Juli 2019 | 16:50 Uhr