Klimawandel Von wegen "ewig": Eis-Schmelze am Südpol

12. Dezember 2019, 14:18 Uhr

Die Antarktis hat in den vergangenen Jahren drei Mal so viel Eis verloren, wie noch zu Beginn der 1990er. Die Klimapolitik der kommenden zehn Jahre entscheidet darüber, wie lange es das ewige Eis noch gibt, das belegen neueste Forschungsergebnisse.

Vor rund einem Jahr löste sich in der Antarktis einer der größten Eisberge, die je beobachtet wurden, vom sogenannten Schelfeis. A68 besaß eine Fläche von rund 5.800 Quadratkilometern, die siebenfache Größe von Berlin. Inzwischen treibt der Gigant auf dem Meer und wird dort wohl nach und nach schmelzen. Kein Einzelfall, denn die Eisschmelze rund um den Südpol hat sich in den vergangenen sechs Jahren zusehends beschleunigt, wie Forscher in zwei Fachaufsätzen im renommierten Journal "nature" nun vorrechnen.

Eisschmelze hat sich verdreifacht

Seit 2012 hat der eisige Kontinent laut den Wissenschaftlern um Andrew Shepherd von der University of Leeds in Großbritannien pro Jahr rund 219 Milliarden Tonnen Eis verloren. Damit hat sich der Eisverlust gegenüber dem Vergleichszeitraum 1992 bis 2012 verdreifacht. Damals waren es pro Jahr nur 76 Milliarden Tonnen. Die Schmelze hat weltweit den Meeresspiegel bereits ansteigen lassen, von 1992 bis 2017 waren es laut den Berechnungen 7,6 Millimeter. Das klingt zwar wenig, aber weil sich das Wasser weltweit sehr ungleichmäßig verteilt, sind einige Regionen wie die Philippinen heute deutlich stärker von Hochwasser bedroht, als früher.

Würde der antarktische Kontinent komplett abtauen, stiege der globale Meeresspiegel um ganze 58 Meter, warnen die Forscher. "Es muss den Regierungen, denen wir vertrauen, ein Anliegen sein, unsere Küstenstädte und -gemeinden zu schützen", sagte Andrew Shepherd. Insgesamt waren an den Berechnungen 84 Forscher von 44 internationalen Organisationen beteiligt.

Westantarktis am stärksten betroffen

Grundlage der Studie waren 24 Eismasseschätzungen, die sich auf Satellitendaten stützen. Die Daten wurden mit drei Berechnungsmethoden ausgewertet: Der Höhenmessung, der Messung der Schwerkraft und mit der sogenannten Input-Output-Methode, die den Zuwachs durch Schnee ebenso berücksichtig, wie abbrechende Eisberge.

Am stärksten stieg der Eismasseverlust in der Westantarktis, von durchschnittlich 53 Milliarden Tonnen pro Jahr von 1992 bis 2012 auf 159 Milliarden Tonnen zwischen 2012 und 2017. In der Ostantarktis war die Eismasse durch stärkere Schneefälle dagegen zunächst sogar gewachsen. Seit 2012 beobachten die Forscher aber auch dort einen Rückgang von rund 28 Milliarden Tonnen pro Jahr.

Statistische Unsicherheit

Allerdings sind einige der Erkenntnisse noch mit Unsicherheit behaftet. In der Ostantarktis etwa seien die gemessenen Höhenänderungen gering, kleine Messfehler könnten da große Auswirkungen haben, sagt der deutsche Forscher Veit Helm vom Alfred-Wegener-Institut, der sich an der Studie beteiligt hat. Auch die jährlichen Schneemengen schwankten deutlich, die Beobachtungen müssten deshalb exakt weitergeführt werden.

In der zweiten Studie haben Martin Siegert vom Imperial College in London sowie Stephen Rintoul vom Centre for Southern Hemisphere Oceans Research in Hobart, Australien, die verschiedenen Szenarien berechnet, in die sich der Eiskontinent entwickeln könnte. "Einige der Veränderungen, mit denen die Antarktis konfrontiert ist, sind bereits irreversibel, wie der Verlust einiger Schelfeisgebiete, aber es gibt vieles, was wir verhindern oder rückgängig machen können", sagt Siegert.

Die kommenden zehn Jahre entscheiden

Kann die Lufterwärmung über dem Südpol bis 2070 auf 0,9 Grad begrenzt werden, dann würde die Eisschmelze die Meeresspiegel nur um 6 Zentimeter anheben. Scheitere die Politik aber daran, verbindliche Klimaabkommen zu schließen, dann steige die Temperatur um 3 Grad und der Meeresspiegel um 27 Zentimeter. Dementsprechend könne das bisherige Ökosystem im südlichen Polarmeer entweder erhalten bleiben oder es werde stark verändert. "Entscheidungen, die im nächsten Jahrzehnt getroffen werden, bestimmen, welche Entwicklung realisiert wird", so Siegert und Rintoul.

(ens/dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | LexiTV | 20. Dezember 2016 | 15:00 Uhr