Podcast Ästhetikforschung: Kann man Schlager lieben lernen?

05. Juni 2019, 11:16 Uhr

Jeder hat Musik, die er nicht mag. Wenn MDR Wissen-Podcasterin Daniela Schlager hören muss, bekommt sie richtig schlechte Laune. Sie will wissen, warum das so ist und ob man seine musikalischen Abneigungen auch überwinden kann. Dazu befragt sie zwei Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik und nähert sich Helene Fischer & Co. im Selbstversuch an. Dabei helfen ihr ein Schlagerfan und Moderatoren der MDR Schlagerwelt. Wird sie am Ende sagen: Ich find Schlager toll?

Ein Leben ohne Musik - für Daniela undenkbar. Ein Leben ohne Schlager schon! Wie kommt es eigentlich, dass man die eine oder andere Musikrichtung besonders mag oder ablehnt? Danielas Challenge für diese Folge: Antworten darauf zu finden und vor allem die eigene Schlagerallergie zu überwinden. Dazu trifft sie Taren Ackermann und Melanie Wald-Führmann vom Max-Planck-Institut für Ästhetik. Von ihnen erfährt sie, woher ihre Ablehnung kommt und welche Rolle der Musikgeschmack auch für unser Sozialverhalten spielt.

Sind wir mit 30 musikalisch gesehen festgelegt?

Unser Musikgeschmack wird in unserer Kindheit und vor allem im Jugendalter geformt. Als Teenager haben wir die meiste Zeit im Leben zum Musikhören - und Musik hilft uns bei einer wichtigen Entwicklungsaufgabe.

Wir benutzen Musik als Mittel der Suche nach uns selbst.

Melanie Wald-Fuhrmann, Direktorin des MPI für empirische Ästhetik

Melanie Wald-Fuhrmann ist Direktorin des Max-Planck-Institut(MPI) für empirische Ästhetik. Unsere musikalischen Vorlieben sind dann auch Ausdruck dafür, zu wem wir gehören wollen. Was hören meine Freunde bzw. diejenigen, von denen ich mir wünsche, mit ihnen befreundet zu sein bzw. von ihnen anerkannt zu werden? Ist die Phase dieser musikalischen Selbstfindung abgeschlossen, ändert sich eigentlich nicht mehr viel. Es stehen dann andere Aufgaben an wie vielleicht Berufseinstieg oder die Gründung einer Familie und wir haben nicht mehr so viel Zeit zum Musikhören. Deshalb bleiben die meisten zufrieden bei den Genres, die sie bis dahin für sich entdeckt haben.

Schlager kann man lieben lernen - in jedem Alter!

Das gilt übrigens auch für alle anderen Genres, sagt Taren Ackermann vom MPI. Beim Schlager sei es sogar besonders leicht. Denn hier seien es seltener musikalische Gründe wie "zu laut", "zu schräg", "zu wild", die Befragte angeben. Es seien eher soziale Aspekte wie "Meine Freunde hören das auch nicht" - oder eben auch Vorurteile wie "Schlagerfans sind wenig anspruchsvoll, da möchte ich nicht dazugehören".

Ablehnung ist eine Einstellung, eine bewusste Entscheidung. Und daran kann man arbeiten - jederzeit.

Taren Ackermann, MPI für empirische Ästhetik

Deshalb gibt Taren Ackermann Daniela eine Hausaufgabe: Sie soll sich nur oft genug Schlager anhören, sich darauf einlassen und herausfinden, dass es auch innerhalb dieses Genres große Unterschiede gibt.

Dabei sollen ihr zum einen umfangreiche Playlists helfen. Zum anderen soll sie aber auch das Gespräch mit einem Schlagerfan suchen.

Will man die Einstellung ändern, muss man sich dem Thema öffnen und sich auch anhören, was andere Positives z.B. am Schlager empfinden.

Taren Ackermann

Kollege und Schlagerfan Felix Träder steht Daniela dafür zur Seite und erzählt ihr, warum er Schlager liebt: wegen der deutschen Texte, die man gut mitsingen kann, weil man gut dazu tanzen kann und das Live-Feeling für ihn auf großen Konzerten wie der Kaisermania oder bei Helene Fischer unübertroffen ist. Damit spricht er auch schon ein weiteres Schlagerphänomen an:

Keiner hört Schlager, aber alle singen mit

Durch die Einfachheit der Melodien und durch die Texte in unserer Muttersprache lassen sich Schlager einfach mitsingen. Gut zu beobachten ist das übrigens auf großen Volksfesten oder Partys zu fortgeschrittener Stunde. Aber offen geben nur die wenigsten zu, dass sie Schlager mögen. Da ist er wieder, der soziale Aspekt. Und um den Konflikt zwischen "Ich mag dieses Lied" und "Ich möchte aber kein Schlagerfan sein" zu überbrücken, sagen wir dann z.B. lieber "Popmusik".

Ohne Lieblingsmusik geht es nicht

Eine Woche hat Daniela Zeit für ihr "Schlagertraining". Doch schnell merkt sie: Wenn sie nur Schlager hört, bekommt sie schlechte Laune. Sie vermisst ihre Lieblingsmusik, die sie sonst hört. Kein Wunder, denn Studien haben bewiesen, dass wir Belastungen als leichter empfinden, wenn wir dabei hören, was uns gefällt. Dass Musik uns glücklichmachen kann. Immerhin wird Dopamin ausgeschüttet, wenn wir unseren Lieblingsklängen lauschen, weil wir uns schon auf die nächste schöne Stelle freuen - unterbewusst natürlich.

Warten auf die Erweckung

Auf ihrem Weg durch die "Schlagerhölle" könnte Daniela noch ein weiteres Phänomen helfen: Ein musikalisches Schlüsselerlebnis. Daran forscht Melanie Wald-Fuhrmann vom MPI derzeit gemeinsam mit ihren Kollegen. Die Wissenschaftler gehen damit Momenten auf den Grund, in denen Menschen eine Art von Musik hören, die für sie sonst keine Rolle spielt. Wird diese zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, mit den richtigen Menschen erlebt, können auch Erwachsene ihre musikalischen Vorlieben noch ändern. Ob es solch eine Erweckung auch für Daniela gibt, hört ihr im Podcast.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Wunderbares Schlagerland | 31. Mai 2019 | 20:15 Uhr