Borstenwurm, auch Vielborster (Polychaeta) genannt, aus der Familie der Phyllodocidae, mit  extrem große Augen
Die Augen von Vielborstern sind nicht nur ungewöhnlich groß, sie können auch mehr wahrnehmen, als das menschliche Auge. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Bok

Wissen-News Miniwurm mit Riesenaugen - Geheimsprache als Grund?

15. April 2024, 15:22 Uhr

Ein Mensch mit solchen Proportionen müsste seine Augen mit der Schubkarre transportieren: Bei Meereswürmern haben Forscher riesige Augen ausgemacht. Ob die Wesen damit nach Beute oder Liebeleien Ausschau halten, ist unklar.

Bestimmte Borstenwürmer im Mittelmeer haben extrem große Augen - womöglich für eine Art Geheimsprache mit Artgenossen. Hätte der Mensch im Verhältnis derart große Augen, müsste er zusätzliche hundert Kilo an mühlsteingroßen Augen mit sich schleppen, erläutert ein schwedisch-dänisches Forschungsteam zu der im Fachjournal Current Biology vorgestellten Studie. Mit seinen roten Riesenaugen könne das primitive Wesen so scharf sehen wie viele Säugetiere. Die Augen der Borstenwürmer wiegen den Analysen zufolge etwa 20 Mal so viel wie der Rest des Kopfes. Doch warum leistet sich der durchsichtige Meeresbewohner so fehlplatziert wirkende Glubscher?

Die untersuchten Ringelwürmer der Arten Torrea candida, Vanadis cf. formosa und Naiades cantrainii leben unter anderem entlang der italienischen Insel Ponza westlich von Neapel und sind ausschließlich nachtaktiv. "Niemand hat den Wurm je tagsüber gesehen, wir wissen also nicht, wo er sich versteckt", erklärte Anders Garm von der Univerität Kopenhagen. Es sei nicht auszuschließen, dass er seine Augen auch tagsüber nutzt. "Was wir wissen ist, dass seine wichtigsten Aktivitäten wie Nahrungssuche und Paarung nachts stattfinden. Es ist also wahrscheinlich, dass die Augen zu dieser Zeit wichtig sind."

Den Forschern zufolge sehen Exemplare aller drei Arten im ultravioletten Bereich (UV), der für das menschliche Auge unsichtbar ist. Womöglich erkennen die Tiere so von Organismen selbst erzeugte, so genannte biolumineszente Signale im nächtlichen Meer. "Wir haben die Theorie, dass die Würmer selbst biolumineszent sind und über Licht miteinander kommunizieren", erläuterte Garm. Womöglich handle es sich um eine Art Geheimsprache, die mit der Paarung zusammenhänge. Durch die Verwendung von UV-Licht blieben die Tiere dabei für potenzielle Räuber unsichtbar. "Es ist wirklich spannend, denn UV-Biolumineszenz wurde bisher bei noch keinem anderen Tier beobachtet." Die Hoffnung sei groß, mit den Borstenwürmern ein erstes Beispiel präsentieren zu können. Auch sei interessant, wie das vergleichsweise einfach entwickelte Gehirn die große Datenmenge, die die Augen aufnehmen, verarbeiten und wie ein solch komplexes Sehvermögen in evolutionsgeschichtlich kurzer Zeit entstehen konnte.

dpa/jar

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Kurznachrichten | 15. April 2024 | 11:15 Uhr

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