Ein Mann sitzt deprimiert auf einer Treppe.
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WISSENS-NEWS Leichtere Versorgung von Personen mit psychischen Erkrankungen durch Chatbots?

06. Februar 2024, 17:14 Uhr

Ein Startup aus Großbritannien hat versucht, mithilfe eines Chatbots die Überweisung von Menschen mit psychischen Problemen an Gesprächstherapien zu vereinfachen. Laut den Entwicklern lässt sich in ihrer Studie ein deutlicher Erfolg verzeichnen. Experten in Deutschland sehen allerdings noch sehr viel Forschungspotenzial, bis Chatbots ein sicheres Mittel sind, das das Gesundheitswesen unterstützen kann.

Mitglieder des britischen Startups "Limbic" haben untersucht, in wieweit die Einführung des von ihnen entwickelten Chatsbots in den Online-Diensten des "National Health Systems" (NHS) in Großbritannien die Überweisung von Menschen mit psychischen Problem zu einer Gesprächstherapie steigern kann. Die Ergebnisse ihrer Studie zeigen, dass die NHS-Dienste 15 Prozent mehr Selbstüberweisungen verzeichneten, wenn ein Chatbot eingesetzt wurde. Durch die Unterstützung der Chatbots konnten also mehr Menschen zu einem Erstgespräch mit einem klinischen Therapeuten vermittelt werden. Vor allem Menschen aus Minderheiten profitierten davon. So zeigte sich ein Anstieg von 179 Prozent bei Personen mit nicht-binärer Geschlechtsidentität. Bei Personen, die sich ethnischen Minderheiten zugehörig fühlten, war es ein Anstieg von 29 Prozent.

Vielversprechender Ansatz mit weiterem Forschungsbedarf

Für Experten aus Deutschland ist der Erfolg bei den Minderheiten nicht verwunderlich, denn diese Menschen sehen sich oft mit negativen Glaubenssätzen, Schamgefühl oder Stigmatisierung im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen ausgesetzt. Ihren Versorgungsbedarf zu verbessern ist wichtig, denn bisher wurden sie nicht ausreichend erreicht. "Chatbots wie Limbic und andere bieten eine niederschwellige und anonyme Nutzung als Erstanlaufstelle, damit mögliche Hemmschwellen, Stigmata und negative Glaubenssätze überwunden und Selbstüberweisungen initiiert werden können", sagt Eva-Lotta Brakemeier vom Zentrum für Psychologische Psychotherapie an der Universität Greifswald. Laut Harald Baumeister vom Institut für Psychologie und Pädagogik an der Universität Ulm wäre es ein großer Schritt in die richtige Vorsorgerichtung, wenn der Chatbot in der Lage wäre, eine Vorsorgegerechtigkeit herzustellen. Doch er sagt auch, dass es einer Replikation der Ergebnisse bedarf und dafür sei ein experimentelles Studiendesign notwendig. Außerdem sollte die Studie dann von unabhängigen Forschenden durchgeführt werden. Sowohl Brakemeier als auch Baumeister sehen hier einen sehr interessanten Ansatz, der dringend weiterverfolgt werden sollten. Allerdings bedürfe es dann weitreichenderer Forschung.

Implementierung in Deutschland mit großen Hürden verbunden

Ein Potenzial für die Implementierung von Chatbots im deutschen Versorgungssystem ist für Baumeister und Brakemeier durchaus denkbar und auch sinnvoll. Aber hier gilt es einige Hürden zu überwinden. Die Einhaltung strenger Datenschutzrichtlinien wäre zum Beispiel ein Faktor. Aber auch die Entwicklung von Abrechnungskonzepten mit den Krankenkassen und die Anpassung an kulturelle und sprachliche Gegebenheiten ist eine Herausforderung.

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