Eine Frau injiziert sich Insulin in den Bauch.
Das Spritzen könnte für Diabetiker irgendwann der Vergangenheit angehören. Bildrechte: imago images / Panthermedia

Medizin Insulin-Sprengkapsel für Diabetiker entwickelt

08. Oktober 2019, 15:03 Uhr

Spritzen ade? Mit einem neuen schluckbaren Sprengsatz könnten etwa Diabetiker künftig ihr Insulin einnehmen - das lästige Injizieren entfällt. Noch müssten sie dabei allerdings schwer schlucken. Denn die Kapseln haben einen Durchmesser von rund einem Zentimeter.

Eine Kapsel, die geschluckt wird, das saure Milieu des Magens übersteht und im Dünndarm aufbricht. Dann verschießt sie ein Millimeter lange, mit Insulin gefüllte Mikronadeln in die Darmwand. Klingt futuristisch? Ist aber schon die Wirklichkeit!

Zumindest bei Schweinen waren die Experimente des Teams um Robert Langer und Giovanni Traverso vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) schon erfolgreich. Bei den Tieren überlebten die meisten Kapselbestandteile nicht länger als einen Tag, die nicht abbaubaren Teile wurden ohne Probleme ausgeschieden.

Methode überwindet saures Magenmilieu

Die Forscher tauften ihre Erfindung "luminal unfolding microneedle injector" oder kurz LUMI und veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Arbeit nun im Fachmagazin "Nature Medicine".

Funktionsweise der Mikronadeln
Die Funktionsweise der Mikronadeln. Bildrechte: Robert Langer/MIT

"Mit der Fähigkeit, eine Vielzahl an Wirkstoffen per Mikronadel zu transportieren, kann das Verfahren als Plattform dienen, um makromolekulare Medikamente oral zu verabreichen", schreiben sie dort. Es könnten also auch andere Wirkstoffe wie etwa Antikörper künftig per Mikronadel eingenommen werden.

Viele Arzneistoffe sollen nämlich zwar über die Zellen des Dünndarms aufgenommen werden, müssen dafür aber erst einmal den Magen passieren. Durch ihre Beschichtung aus Methacrylsäure/Ethylacrylat-Copolymerisat übersteht LUMI - die Sprengkapsel und die Mikronadeln bestehen aus biologisch abbaubaren Polymeren - den sauren pH-Wert des Magens und löst sich dann im pH-neutralen Dünndarm auf. Die Sprengung ist dann schmerzlos, da im Dünndarm keine Schmerzrezeptoren sitzen.

Insulin-Schub mit LUMI

Bei den Experimenten mit Schweinen klappte die Methode schon recht gut, ihr Blutzuckerspiegel war nach einer Stunde um rund 44 Prozent gesunken. Bei der Kontrollgruppe, die das Insulin ins Unterfett bekommen hatte, war die Konzentration an Glukose sogar um 64 Prozent gesunken - allerdings auf allmähliche Art. Mit LUMI gab es dagegen bereits nach zehn Minuten einen wahren Insulin-Schub. Was nun besser ist, hängt wohl vom jeweiligen Patienten und dem jeweiligen Medikament ab.

Robert Langer
Robert Langer. Bildrechte: Robert Langer/MIT

Ein Knackpunkt liegt noch in der Größe der Kapsel, die einen Durchmesser von knapp einem Zentimeter hat. Die drei Arme, die dann im Dünndarm ausgefahren werden, sind sogar jeweils 1,5 Zentimeter lang. Auch wenn das Ganze am Ende vollständig abgebaut bzw. ausgeschieden werden kann, dürfte es für viele Menschen Überwindung kosten, solch eine Kapsel zu schlucken. Aber sich selber zu spritzen, kostet wohl mindestens genauso viel Überwindung.

cdi

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 28. September 2019 | 05:55 Uhr

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