Indischer Ozean
Sturm über dem indischen Ozean: Die Klimaerwärmung des tropischen Meeres hält auch den Golfstrom im Gang. Bildrechte: imago/Bluegreen Pictures

Atlantische Zirkulation Indischer Ozean hält Europa noch warm

18. September 2019, 10:31 Uhr

Klimaforscher befürchten, dass der Klimawandel den atlantischen Golfstrom schwächt. Die Folgen für Europas Wetter wären dramatisch. Offenbar aber stützt der indische Ozean die Umwälzung im Atlantik – noch.

Klimaforscher befürchten seit langem, dass die von Menschen verursachte Klimaerwärmung den Golfstrom bremst. Diese gewaltige Meeresströmung im Atlantik hat enormen Einfluss auf das weltweite Wetter. Vor allem sorgt der Golfstrom für mildes Klima in Europa, das sonst eher so wie in Alaska wäre.

Die globale Erwärmung aber könnte entscheidende Mechanismen stören und tut das offenbar tatsächlich. Forscher haben 2018 festgestellt, dass sich der Golfstrom seit Mitte des 20. Jahrhunderts um etwa 15 Prozent verlangsamt hat. Nun zeigt ein amerikanisches Team von Wissenschaftlern aber, dass die Klimaveränderung über dem Indischen Ozean die Atlantikströmungen derzeit noch unterstüzt. Kurz gesagt: Der Indische Ozean stabilisiert die atlantische Strömung und damit unser Wetter.

Was den Golfstrom antreibt

Für die atlantische Strömung ist ein starkes Temperaturgefälle zwischen Äquator und Nordpol entscheidend. Im nördlichen Teil des Ozeans wird dessen Wasser stark abgekühlt und sinkt zu Boden. Dadurch strömt wärmeres Wasser vom Äquator nach. Erwärmt sich der Nordpol allerdings so stark, wie sich derzeit beobachten lässt, dann sinkt der Temperaturunterschied zwischen Pol und Äquator und damit der Antrieb für die "atlantische Umwälzpumpe".

Die Forscher Shineng Hu von der kalifornischen Universität San Diego und Alexey Fedorov von der Yale Universität beschreiben im Fachblatt "Nature Climate Change" nun aber eine Art Ketteneffekt vom indischen Ozean, der den Atlantik praktisch im Gang hält.

Wie der Indische Ozean den Atlantik stabilisiert

Der Indische Ozean erwärmt sich durch den Klimawandel immer stärker, wodurch dort auch immer mehr Regen fällt. Die zusätzlichen Regenfälle saugen Luftmassen über den Indischen Ozean, auch vom Atlantik weg. Dadurch aber wird das Wetter über dem äquatorialen Atlantik trockener.

Fällt weniger Regen, wird das Meerwasser salziger. Wasser mit einem höheren Salzgehalt wiederum ist schwerer. Deshalb sinkt es im Nordatlantik auch dann schnell auf den Grund, wenn es dort nicht mehr so kühl ist wie früher.

"Wir wissen allerdings nicht, wie lang die verstärkte Erwärmung des Indischen Ozeans noch anhält", sagt Yale-Forscher Fedorov. "Wenn andere tropische Meere hier aufschließen, besonders der Pazifik, könnte der Effekt für die Atlantische Pumpe zu Ende sein."

Abschwächung des Golfstroms setzt sich dennoch fort

Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung war nicht an der Studie beteiligt, beschäftigt sich aber ebenfalls schon lange mit Meeresströmungen. Er hält die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse für plausibel, wenn auch nicht grundsätzlich neu. "Diese Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ozeanbecken durch den Wasserdampftransport in der Atmosphäre gibt es beispielsweise auch zwischen Pazifik und Atlantik."

An der erwarteten Abschwächung des Golfstroms änderten die neuen Daten wenig. "Die Aussage der Studie ist: Im hypothetischen Fall, dass es diesen stabilisierenden Effekt nicht gäbe, dann wäre das Golfstromsystem noch viel störungsempfindlicher", so Rahmstorf auf Anfrage von MDR WISSEN.

Auch an unseren Erkenntnissen zur bisherigen Abschwächung des Golfstromsystems ändert sich nichts, denn die beruhen ja auf Beobachtungsdaten, die automatisch diesen Effekt bereits beinhalten. Mit anderen Worten: Der stabilisierende Effekt nützt uns bereits jetzt - ohne ihn hätte sich das Golfstromsystem noch mehr abgeschwächt, als wir derzeit beobachten.

Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. April 2018 | 06:20 Uhr