Ausprobieren erwünscht Historische Instrumente – online spielen

14. Mai 2019, 15:27 Uhr

Wie klingt ein Hammerflügel aus dem Jahr 1726 oder ein Clavichord? Wer das wissen will, musste bislang ins Museum gehen, meistens aber ohne die empfindlichen alten Instrumente spielen zu dürfen. Das ändert sich: Leipziger Spezialisten digitalisieren die Klänge alter Instrumente und stellen sie online zur Verfügung. Johannes Schiller stellt das Forschungsprojekt mit dem Namen "TASTEN" vor.

Ein vollautomatischer Flügel, gut 100 Jahre alt, gesteuert von einer Notenrolle auf Papier: Kleine Löcher legen genau fest, wann welcher Hammer angeschlagen werden muss. Für das Forschungsprojekt TASTEN werden solche historischen Notenrollen nun digitalisiert. Projektleiterin Heike Fricke hat den Überblick über alle rund 350 Kisten: "Das sind empfindliche Objekte, die geschützt werden müssen. Vor Licht, vor Papierfraß, vor Feuchtigkeit und vor Benutzung im Grunde auch." Denn das Papier ist über 100 Jahre alt. Und da ist jedes Einlegen eine Belastung, die das Papier auf Dauer zerstören könnte.

Klang alter Zeit - hörbach machen für alle

Aber Fricke und ihr Team wollen die Notenrollen nicht nur konservieren, sondern sie allen Interessierten zugängig machen. Die historischen Notenrollen, für die Komponist und Pianist Edward Grieg eigens nach Leipzig kam, um sie einzuspielen, sind einmalige Tondokumente:

Und wir hören nicht eine Aufnahme, die den Klang konserviert, sondern wir hören wirklich die Hand Griegs auf dem Klavier direkt. Wie er spielt, wie er das Klavier angreift, welche Temposchwankungen, welche Verzierungen. Das ist einmalig, dass es so etwas gibt!

Heike Fricke

Die Digitalisierung der Schätze aus den 350 Kisten kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Projekt mit 600.000 Euro, über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. In der Zeit soll nicht nur eine Datenbank mit Ton-Informationsträgern wie Notenrollen aus der Zeit von 1870 bis 1914 entstehen. Die Leipziger übertragen außer den Dokumenten auch komplette Instrumente in die digitale Welt. Museums-Chef Josef Focht über ein Clavichord, einen Urahn unseres heutigen Klaviers: "Es war nicht für die Öffentlichkeit, den Konzertsaal gedacht. Deswegen ist es auch nur für ihn (den Pianisten d.R.) hörbar."

Es ist eines der 36 Tasteninstrumente, die digitalisiert werden sollen, viel weitreichender als bisher: die Orgeln, Klaviere oder Cembali werden fotografiert, in einem Text beschrieben und im Detail vermessen. Dann werden Klänge der teils hunderte Jahre alten Instrumente in einem Tonstudio Ton für Ton eingespielt:

Wir bestellen keinen Pianisten, der dann eine Beethoven-Sonate einspielt. Sondern wir nehmen tatsächlich Ton für Ton, Taste für Taste, den Tonvorrat, den Klangvorrat auf. Das ist eine Studioaufnahme. Die Tasten drücken, das machen keine Pianisten, sondern das machen unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter.

Museums-Chef Josef Focht

Die Klänge fehlender Tasten oder Orgelpfeifen werden dann digital rekonstruiert, so dass selbst Instrumente, denen der Zahn der Zeit zugesetzt hat, wieder (scheinbar) komplett erklingen können.

Virtuell lassen sich die historischen Instrumente also wieder so nutzen, wie sie einst gebaut wurden. Über die Online-Plattform des Museums sind die Instrumente dann frei zugängig für alle.

Leipziger Museum spielt in der Champions-League

Das Leipziger Musikinstrumentenmuseum gehört zur Uni Leipzig und residiert im Grassimuseum. Im Bereich Tasteninstrumenten hat das Haus einen Ruf von Weltrang, wie Museumsdirektor Focht erklärt:  

Die Sammlung der Universität Leipzig gehört innerhalb der Musikinstrumentenmuseen und vor allem innerhalb der forschenden Musikinstrumentenmuseen in die Champions-League. Das würde auch jeder meiner Kollegen bestätigen. Egal, wie klein sie diese Champions-League definieren: Wir sind dabei!

Die digitale Sammlung aus Leipzig öffnet so neben spannenden Klangeindrücken aus vergangener Zeit auch ganz andere Möglichkeiten für die Musikforschung: Den, wenn Computer Muster in Kompositionen suchen und finden, dnn könnten noch Jahrhunderte später auffliegen, wer in der Musikgeschichte möglicherweise von wem abgeschrieben hat.