Mann steht mit Füßen auf Kante von Sitzbank, schief aber sehr aufrecht, kurz vor dem Kippunkt nach vorn. Im Hintergrund Meeresbucht.
Schön aufrecht bleiben! Bildrechte: imago/Westend61 (M)

Evolution Aufrechter Gang: Menschlicher Fuß macht's wie eine Rückstoß-Feder möglich

30. Mai 2023, 12:28 Uhr

Auch wenn ein aufrechter Gang nicht jedem Menschen gleichermaßen liegt, hat uns die Evolution hier einen cleveren Vorteil geschaffen. Unsere Fußwölbung ist dafür verantwortlich, dass wir nicht nur stehen, sondern auch effektiv gehen können. Allerdings offenbar anders als bisher gedacht.

Der Mensch ist zweifelsfrei als solcher zu identifizieren, wenn er nach der Vernunft handeln kann (Kant!), Sätze spricht, die aus mehr als zwei Wörtern bestehen und einen sehr aufrechten Gang vorzuweisen hat. Wobei "aufrechter Gang" durch zunehmende Sitztätigkeiten relativ ist. Also: Hinterköpfchen anheben, gefühltes Doppelkinn, Brust raus, imaginäre Medaille präsentieren – so lehrt es uns die Physiotherapie und bringt uns zu dem zurück, was uns evolutionär irgendwann einmal von jenen unterschied, aus denen später Schimpansen wurden. Aber wieso eigentlich?

Es muss was mit dem Fußgewölbe zu tun haben. Die Forschung ging davon aus, dass das hochgezogene Gewölbe wie ein Hebel wirkt, der den Körper beim Gehen nach vorne treibt. Forschende schauen im Fachblatt Frontiers in Bioengineering and Biotechnology jetzt genauer hin – also sehr genau, mit einer Hochgeschwindigkeits-Röntgenkamera nämlich. "Ursprünglich dachten wir, dass das federartige Gewölbe dazu beiträgt, den Körper in den nächsten Schritt zu heben", so Lauren Welte, Erstautorin der Studie. "Es hat sich herausgestellt, dass das federartige Gewölbe stattdessen zurückfedert, um dem Knöchel zu helfen, den Körper anzuheben."

Starres Fußgewölbe ist wenig effizient

Für ihre Untersuchung wurde die Höhe des Fußgewölbes jedes Teilnehmers gemessen und der rechte Fuß im CT aufgenommen. Das Forschungsteam erstellte starre Modelle und verglich sie mit den gemessenen Bewegungen der Fußknochen, um die Auswirkungen der Gewölbebeweglichkeit auf die angrenzenden Gelenke zu untersuchen. Obwohl die Forschenden erwartet hatten, dass der Rückstoß des Fußgewölbes dazu beiträgt, den Körper anzuheben, entdeckten sie, dass ein starres Fußgewölbe ohne Rückstoß entweder dazu führt, dass der Fuß den Boden zu früh verlässt, was wahrscheinlich die Effizienz der Wadenmuskeln beeinträchtigt, oder dass die Knöchelknochen zu weit nach vorne geneigt sind. Diesen Gang kennt man von Schimpansen, die zwar fast Menschen sind, aber eben nur fast.

Unsere Spezies darf sich schließlich auf ihr flexibles Fußgewölbe berufen. Das hat dazu beigetragen, den Knöchel wieder aufzurichten, so dass sich das Bein besser vom Boden abheben kann. Dieser Effekt ist beim Laufen sogar noch größer, was darauf hindeutet, dass effizientes Laufen ein evolutionärer Vorteil zugunsten des flexiblen Fußgewölbes gewesen sein könnte. "Die Beweglichkeit unserer Füße scheint es uns zu ermöglichen, aufrecht zu gehen und zu laufen, anstatt entweder zu kriechen oder zu früh den nächsten Schritt zu machen", so Michael Rainbow, ebenfalls Erstautor der Studie.

Therapiemöglichkeiten zur Erhöhung der Mobilität

Nun ist es freilich nicht nur spannend, die Ursachen für die außerordentlichen Fähigkeiten des menschlichen Daseins zu ergründen – sondern sich das ganze auch zunutze zu machen. Das Forschungsteam sieht hier zumindest schon mal therapeutisches Potenzial. Zum Beispiel für Menschen, deren Fußgewölbe aufgrund von Verletzungen oder Krankheiten steif ist: Die Unterstützung der Flexibilität des Fußgewölbes könnte die allgemeine Mobilität verbessern.

"Unsere Arbeit deutet darauf hin, dass die Bewegung effizienter wird, wenn man dem Fußgewölbe während des Vortriebs Bewegungsfreiheit lässt", sagt Erstautorin Welte. "Wenn wir die Bewegung des Fußgewölbes einschränken, ist es wahrscheinlich, dass sich die Funktionsweise der anderen Gelenke entsprechend verändert." Diese Hypothese muss jetzt getestet werden – und zwar, ob der Zusammenhang nicht nur in der Stichprobe besteht, sondern auch bevölkerungsweit skalierbar ist. In der Zwischenzeit können wir ja einfach weiter trainieren, unseren einst so aufrechten Gang zurückzuerlangen. Also, Hinterköpfchen hoch, Brust leicht raus … na, Sie wissen schon.

flo

Links/Studien

Die Studie Mobility of the human foot's medial arch enables upright bipedal locomotion erschien am 30. Mai in Frontiers in Bioengineering and Biotechnology.

DOI: 10.3389/fbioe.2023.1155439

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