Die Abbruchkante des Nansen Eisschilds in der Antarktis. Im Hintergrund ist der schneebedeckte Berg Mount Melbourne zu sehen.
Abbruchkante des Nansen-Schelfeis in der Antarktis. Bildrechte: Joe Haxel

Unterwassersensoren Neue Daten zeigen Gefahr für antarktischen Eisschild

23. Juli 2019, 10:04 Uhr

Der antarktische Eisschild enthält enorme Wassermengen. Schmilzt er, sind Küstengebiete und Hafenmetropolen in Gefahr. Forscher wollen mit Unterwassermikrofonen Daten über das Zerbrechen der Eisflächen sammeln.

Vor rund zwei Jahren löste sich A-68 vom Larsen-C-Schelfeis in der Antarktis. Der Eisberg war bis dahin der viertgrößte jemals beobachtete seiner Art. Er hatte eine Fläche 5.800 Quadratkilometer groß, das sieben Mal so groß wie die Fläche Berlins. Inzwischen treibt A-68 im Meer und verliert dort Stück für Stück mehr von seiner Masse, die langsam schmilzt.

Forscher beobachten diese Schmelzprozesse rund um den Eiskontinent am Südpol mit großer Sorge. Die Befürchtung: Wenn immer größere Stücke des antarktischen Eisschilds schmelzen, könnten die Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten weltweit um drei Meter steigen. Damit wären die am dichtesten besiedelten Gebiete der Menschheit in Gefahr, darunter Weltmetropolen wie Shanghai, New York, Jakarta, Rio de Janeiro oder Amsterdam.

Unterwassermikros zeichneten Eisbeben auf

Ein amerikanisch-koreanisches Team von Ozeanografen hat nun untersucht, unter welchen Bedingungen sich bereits abgebrochene Eisberge endgültig vom Festlandeis lösen und auf das Meer treiben. Bekannt war bereits, dass warme Meeresströmungen und Veränderungen im Salzgehalt eine große Rolle spielen. Das Team um Robert Dziak von der nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA (NOAA) kommt nach eigenen Messungen zum Schluss, dass Sturmwinde in Verbindung mit Tiefdruckgebieten dem Eisschild quasi den letzten Rest geben.

In der Zeitschrift Frontiers in Earth Science berichten die Wissenschaftler von einer Messreihe, die sie mit Hilfe von Hydrophonen, also Unterwasser-Schallsensoren, ab Dezember 2015 durchgeführt haben. Die Forscher hatten die Sonden mit den Mikrofonen vor dem Nansen-Schelfeis im Rossmeer ausgesetzt. Mit ihrer Hilfe konnten sie das Bersten und Reißen in den Eismassen messen. Bis März 2016 registrierten sie so eine Reihe von Eisbeben. Im April schließlich lösten sich zwei gigantische Eisberge vom Nansen-Schelf.

Drohende Kettenreaktion am Thwaites-Gletscher

Anschließend stellten die Forscher fest, dass beide Eisberge in die offene See abtrieben, als ein starkes Tiefdruckgebiet mit Sturmböen auf die Region traf. "Es sieht so aus, als hätten sich die abgebrochenen Eisberge so lange in der Nähe des Eisschilds bewegt, bis starke Winde zusammen mit niedrigem Luftdruck dafür sorgten, dass sie losbrachen", fasst Robert Dziak die Beobachtungen zusammen. Nach Ansicht seines Teams sei die Rolle von Stürmen bei diesem Ablösungsprozess bislang unterschätzt worden.

Position des Thwaites Gletscher in der Antarktis
Ein Zusammenbruch des Thwaites Gletschers könnte eine Kettenreaktion auslösen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Forscher vermuten, dass der Wind die Eismassen von der Abbruchlkante weggeschoben hat. Der niedrige Luftdruck wiederum könnte das Gewicht der Luftmassen auf das Eis reduziert und sie dadurch beweglicher gemacht haben.

Im Januar 2020 will das Team die Messreihe am Thwaites-Gletscher wiederholen. Er gilt als einer der wichtigsten und zugleich gefährlichsten Gletscher der Erde. Durch Schmelzprozesse haben sich in ihm gewaltige Hohlräume gebildet. Dabei verlor er geschätzte 14 Milliarden Tonnen Eis, die in den vergangenen drei Jahren geschmolzen sind. Die Wissenschaftler nehmen an, das Thwaites verschiedene andere Gletscher wie eine Sperre zurückhält. Bricht er zusammen, könnte er damit eine Kettenreaktion auslösen, die zu einem raschen weltweitem Anstieg der Meeresspiegel führt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 04. Juni 2019 | 19:50 Uhr