Bunte Kurvenverläufe auf einem Monitor - An den Hirnstromkurven lässt sich ablesen, wann die Neuronen feuern.
An den Hirnstromkurven ließ sich in der Studie ablesen, wann die Neuronen feuern. Bildrechte: Christian Burkert/Volkswagen-Stiftung/Universität Bonn

Wissen-News Warum Menschen Mengen bis Fünf gut erkennen – und bei größeren Mengen Fehler machen

04. Oktober 2023, 11:42 Uhr

Forschende aus Bonn und Tübingen haben neue Erkenntnisse zu einer alten Frage der Neurologie gewonnen: Wie verarbeitet das Gehirn die Wahrnehmung von großen und kleinen Mengen? Der Schlüssel liegt in den Neuronen.

Mengen bis zu fünf Objekten – fünf Äpfel, drei Punkte und so weiter – erkennen Menschen auf den ersten Blick meist richtig. Bei einer größeren Anzahl dagegen passieren dann plötzlich Fehler. Warum ist das so? Dazu haben Forschende jetzt neue Hinweise gefunden.

Für die Studie wurde eine Besonderheit der Bonner Klinik für Epileptologie genutzt. Dort versuchen die Ärzte, Epilepsiekranke durch eine Operation zu heilen, bei der sie das erkrankte Nervengewebe entnehmen. Um den Herd der Krampfanfälle zu lokalisieren, müssen sie in manchen Fällen zunächst Elektroden ins Gehirn der Betroffenen einbringen. In der Untersuchung wurden nun 17 Patientinnen und Patienten zur OP-Vorbereitung haarfeine Mikroelektroden in den Schläfenlappen eingesetzt. "Damit konnten wir die Reaktion einzelner Nervenzellen auf visuelle Reize messen", erklärt die Studienautorin Esther Kutter.

Dabei saßen die Versuchspersonen vor einem Computerbildschirm. Darauf erschien für eine halbe Sekunde eine unterschiedlich große Menge von Punkten. Danach mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angeben, ob die Anzahl gerade oder ungerade gewesen war. Das gelang ihnen bis zu Mengen von vier Punkten sehr rasch und nahezu fehlerfrei. Danach erhöhte sich die Fehlerquote mit steigender Anzahl stetig, ebenso wie die Bedenkzeit, die sie bis zu ihrer Angabe benötigten.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir tatsächlich kleine und große Mengen unterschiedlich verarbeiten. Bisher war diese Annahme in der Hirnforschung umstritten. Offenbar gibt es im Gehirn Nervenzellen, die für bestimmte Anzahlen zuständig sind. Manche Neurone feuern zum Beispiel vor allem bei Zweiermengen, andere bei Vierermengen und wieder andere bei Mengen von sieben Elementen. Langfristig könnten die Erkenntnisse der Studie zu einem besseren Verständnis der Dyskalkulie beitragen, einer Entwicklungsstörung, die durch mangelndes Zahlenverständnis gekennzeichnet ist. 

cdi/pm

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