Integration auf dem Arbeitsmarkt Statistik: Ein Drittel der Flüchtlinge hat Arbeit

25. Oktober 2019, 19:20 Uhr

Etwa ein Drittel der Geflüchteten in Sachsen-Anhalt haben auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst. Sachsen-Anhalts Wirtschaft meint, das sei nicht ausreichend – und kritisiert unnötige bürokratische Hürden und fehlende Sprach- und Alphabetisierungskurse.

MDR-Redakteur Roland Jäger
Bildrechte: Philipp Bauer

"Die Situation ist nicht befriedigend, sie ist für uns ernüchternd." So beschreibt die Industrie- und Handelskammer Magdeburg, wie Geflüchtete derzeit in Betrieben in Sachsen-Anhalt integriert sind. IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang März kritisiert hohe bürokratische Hürden, die verhinderten, dass Flüchtlinge Jobs und Unternehmen neue Mitarbeiter finden. Außerdem mangele es an Sprachkursen, in denen die Geflüchteten Deutsch lernen können. 

Unternehmen und Flüchtlinge zusammenzubringen, um Arbeitsplätze zu vermitteln – das ist das Ziel einer Firmenkontaktmesse, die die IHK zusammen mit der Handwerkskammer und dem Jobcenter Magdeburg veranstaltet: Ungefähr 400 Menschen drängen sich in den großen Saal der IHK, an kleinen Ständen präsentieren sich 20 Unternehmen, an Stehtischen bilden sich Trauben von Menschen. Die Flüchtlinge, die gekommen sind, wurden vom Jobcenter eingeladen. Das Ziel für sie: Arbeit finden.

Statistik: Nur ein Drittel der Geflüchteten hat Arbeit

Solche Kontaktmessen sind nötig in Sachsen-Anhalt, weil viele der seit 2015 eingewanderten Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt bisher kaum Chancen haben. Laut Bundesarbeitsagentur könnten 16.837 Menschen in Sachsen-Anhalt arbeiten, die als Asylsuchende hergekommen sind. Tatsächlich haben aber nur 4.949 das auch geschafft – nur 29,4 Prozent der Migranten sind derzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie machen vor allem einfache Helfer-Tätigkeiten.

Deutsche Sprache als Schlüssel zum Arbeitsmarkt

Der Hauptgrund dafür, dass vergleichsweise wenig Geflüchtete bisher Arbeit gefunden haben, sind ihre mangelnden Sprachkenntnisse. Viele Geflüchtete können nicht ausreichend gut Deutsch sprechen, lesen und schreiben. Das hängt damit zusammen, dass Lehr-Angebote fehlen.

Alle Flüchtlinge müssen eine Chance haben, 100-prozentig Deutsch zu lernen. Da muss die öffentliche Hand wesentlich mehr tun. Da gibt es viel Nachholbedarf.

Wolfgang März, IHK Magdeburg

Zum Teil fehlt es laut IHK an Alphabetisierungskursen – gerade für Jugendliche, die auf der Flucht keine Schule besucht haben und auch in ihren Muttersprachen nicht lesen oder schreiben können. Die Kammer kritisiert, dass Flüchtlinge oft ein Jahr lang warten müssen, ehe sie einen Platz in einem solchen Kurs bekommen können. 

Die Sprache zu lernen, Qualifikationen zu erwerben, dauere sehr lang, räumt Susi Möbbeck (SPD) ein. Möbbeck ist die Integrationsbeauftragte der Landesregierung. Es mangele an Sprach-Kursen, "insbesondere, weil wir 2015/2016 nicht darauf eingerichtet waren, dass so viele Menschen die Sprachangebote benötigen." Es habe gedauert, bis die Angebote geschaffen werden konnten. Dass es in Sachsen-Anhalt ohnehin an Pädagogen mangele, trage zu dem Problem bei.

Die Industrie- und Handelskammer Magdeburg ermutigt Unternehmen auch Flüchtlinge einzustellen, wenn sie weniger gute Sprachkenntnisse und nur geringe Qualifikationen haben – auf Helfer-Niveau. IHK-Hauptgeschäftsführer März sagte, es gebe viele gute Beispiele: "Die entwickeln sich dann und werden irgendwann auch ordentliche Fachkräfte." Es liege im Interesse der Unternehmen zunächst Arbeitskräfte zu finden, sie weiterzubilden und Fachkräfte aus ihnen zu machen.

Bürokratische Hürden: Arbeitserlaubnis nicht erteilt

Einige Geflüchtete würden gern arbeiten, dürfen das aber nicht. Wie die Behörden über die Erteilung von Arbeitserlaubnissen entscheiden, unterscheide sich von Landkreis zu Landkreis – und das, obwohl die Fälle sich sehr ähneln und die Entscheidungen auf der gleichen Rechtsgrundlage getroffen werden, kritisiert Wolfgang März:

"Die Verwaltungen müssen unkompliziert den Leuten erlauben zu arbeiten und denen eine Sicherheit geben – sodass sie wissen, wenn sie eine Lehre anfangen, dass sie die auch in Deutschland abschließen können, dass sie hier arbeiten können. Ansonsten sind die Leute demotiviert und werden nicht den Arbeitswillen aufbringen, den wir eigentlich brauchen."

Sachsen-Anhalts Wirtschaft wird laut IHK durch negative Entscheidungen über Arbeitserlaubnisse behindert. Die Integrationsbeauftragte Möbbeck sagte MDR SACHSEN-ANHALT dazu, es sei bundesweit ein Grundproblem, dass das Aufenthaltsrecht Ermessensspielräume beinhaltet. In Sachsen-Anhalt sei das Innenministerium um eine stärkere Vereinheitlichung bemüht.

Insgesamt arbeiten 33.000 Ausländer in Sachsen-Anhalt

In diesem Artikel geht es nur um die Frage, wie viele Flüchtlinge im Land bisher Arbeit gefunden haben. Das heißt, bei den 16.837 erwerbsfähigen Menschen im Land handelt es sich um Geflüchtete aus den sog. Nichteuropäischen Asylherkunftsländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Somalia, Syrien). Aber in Sachsen-Anhalt arbeiten auch Menschen aus anderen Staaten, die keine Flüchtlinge sind – etwa Menschen aus anderen EU-Staaten.

Laut Arbeitsagentur sind es insgesamt ca. 33.000 Ausländer, die in Sachsen-Anhalt einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen (Stand: 31. März 2019). Sie machen damit 4,1 Prozent der Beschäftigten aus. Deutschlandweit liegt dieser Wert bei 12,1 Prozent. Dass immer mehr ausländische Beschäftigte auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen, während die Zahl der deutschen Beschäftigten leicht zurückgeht, erklärte die Arbeitsagentur damit, dass die Arbeitgeber häufig keine passenden deutschen Arbeitskräfte mehr finden.

Die IHK Magdeburg zieht nach ihrer Kontaktbörse ein positives Fazit. Es habe viele Gespräche zwischen Migranten und Unternehmen gegeben, viele hatten direkt Bewerbungsunterlagen übergeben. Die Kammer ist zuversichtlich, dass damit einige Geflüchtete mehr Arbeit finden oder im nächsten Jahr eine Ausbildung beginnen. IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang März blickt optimistisch auf die Integration am Arbeitsmarkt. Er denke, langfristig werde die Wirtschaft das Problem lösen.

MDR-Redakteur Roland Jäger
Bildrechte: Philipp Bauer

Über den Autor Roland Jäger arbeitet seit 2015 für den Mitteldeutschen Rundfunk – zunächst als Volontär und seit 2017 als Freier Mitarbeiter im Landesfunkhaus Magdeburg. Meist bearbeitet er politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen – häufig für die TV-Redaktionen MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE und Exakt - Die Story, auch für den Hörfunk und die Online-Redaktion. Auf Twitter ist er unter @roland__jaeger zu finden.

Vor seiner Zeit bei MDR SACHSEN-ANHALT hat Roland Jäger bei den Radiosendern Rockland und radioSAW erste journalistische Erfahrungen gesammelt und Europäische Geschichte und Germanistik mit Schwerpunkt Medienlinguistik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg studiert. In seiner Freizeit ist Roland Jäger gern mit dem Fahrrad zwischen Huy und Harz unterwegs.

Quelle: MDR/dpa/rj

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 26. Oktober 2019 | 19:00 Uhr

8 Kommentare

SusiB. am 27.10.2019

Das ist doch logisch das sie nur Helfertätigkeiten machen. Sind nun mal keine Fachkräfte im deutschen Sinne. Auch können sie kein deutsch. Auch sieht es in manchen Branchen ziemlich mau aus mit Arbeit. Was haben denn unsere Politiker gedacht was da für Fachkräfte kommen. Und für unsere Arbeitgeber willkommene Geringverdiener. Und es gibt bestimmt auch ein gewisses Klientel die bestimmt gar nicht arbeiten wollen.

ElBuffo am 26.10.2019

Ach man war nicht darauf vorbereitet. Aber wir schaffen das doch. Gut, manch einer wird sich über diesen Anspruch gewundert haben, wo man doch schon für die eigene Bevölkerung mit 6 Jahren Planungsvorlauf nicht genug Lehrkräfte hat(te). Andererseits waren das ja alles höchstqualifizierte Fachkräfte, die sicher nebenbei auch noch Deutsch gelernt hätten. Nie und nimmer war daran zu glauben, dass da auch Analphabeten drunter sind oder solche ohne verwertbare Abschlüsse. Oder solche, die ohnehin nicht wegen der Arbeit herkamen, sondern weil großzügige Versprechungen gemacht wurden, angefangen bei der Aussage, dass man nicht so genau hinschauen werde und nur jeder kommen möge.

Frido_Freimann am 26.10.2019

Konkurrenz im untersten Sektor des Arbeitsmarktes belebt eben auch die Gewinne der ausgebufften "Arbeitgeber" ! Ein willkommener Effekt von Merkels chaotischer "Flüchtlingspolitik" !

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