40 Tage nach Anschlag Kiez-Döner in Halle wiedereröffnet: "Jetzt schauen wir nach vorn"

16. November 2019, 18:48 Uhr

Der Dönerladen, in dem beim Anschlag in Halle ein Mann starb, hat wieder geöffnet. Und auch wenn noch längst nicht alle Tränen getrocknet sind, geht der Blick nun in die Zukunft.

Ismet Tekin hat sich schick gemacht an diesem Samstag. Über dem Hemd trägt er eine dunkelblaue Weste. Neben seinem Namen steht darauf in silbernen Buchstaben "Kiez-Döner". Das vornehme Outfit passt zum Anlass. Denn seit Samstag hat der Dönerladen in Halle, in dem beim Anschlag am 9. Oktober ein junger Mann erschossen wurde, wieder geöffnet.

Ab Montag wieder regulärer Betrieb

40 Tage Trauer hatte sich der bisherige Inhaber des Ladens, Izzet Cagac, nach dem Anschlag erbeten. So wie es im Islam Brauch ist. Und in diesen 40 Tagen ist viel passiert. Wie angekündigt, hat Cagac den Laden den Brüdern Ismet und Rifat Tekin, die bei dem Anschlag auch im Dienst waren, geschenkt und überschrieben. Zudem wurde der Imbiss komplett neu gestaltet. Zentrales Element ist eine riesige Gedenkwand in Stadionoptik. Daran sind verschiedene Schals, Trikots und Erinnerungsstücke für die Terroropfer angebracht.

Bis Sonntagabend wird nun im Rahmen eines Opferfestes kostenlos Essen ausgegeben. Auch das ist eine islamische Tradition. Das Angebot kommt gut an. Zur Mittagszeit stehen die Leute am Samstag dicht gedrängt im Laden. Der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby schaut kurz vorbei, ebenso HFC-Stürmer Terrence Boyd mitsamt seiner Familie. Am Vormittag war schon Ministerpräsident Reiner Haseloff zu Gast. Bis zu 3.000 Dönerportionen könnten an diesem Wochenende über die Ladentheke gehen, glaubt Cagac. Ab Montag beginnt dann wieder der reguläre Betrieb.

Izzet Cagac (l), der bisherige Betreiber des Imbisses «Kiez-Döner», hält bei der Wiedereröffnung die Geschenk- und Abtretungsvereinbarung an den neuen Betreiber Ismet Tekin (r).
Izzet Cagac (l), der bisherige Betreiber des Imbisses "Kiez-Döner", hält bei der Wiedereröffnung die Geschenk- und Abtretungsvereinbarung an den neuen Betreiber Ismet Tekin (r). Bildrechte: picture alliance/dpa | Alexander Prautzsch

"Angst haben macht keinen Sinn"

Klar ist aber auch, an wirkliche Normalität ist noch immer nicht zu denken. Einige Imbissbesucher können ihre Tränen beim Betreten nicht zurückhalten. Andere starren minutenlang auf die Gedenkwand. Der Schmerz, den der Anschlag ausgelöst hat, er ist immer noch spürbar.

Doch die Menschen, die in den vergangenen Wochen enge Bindungen zueinander aufgebaut haben, geben sich gegenseitig Halt. Und sie versuchen allmählich, ihre Lebensfreude wieder zu gewinnen. "Wir schauen jetzt nach vorn", sagt eine Frau, als sie das Mitarbeiterteam begrüßt. Später ergänzt sie: Es macht ja keinen Sinn, dass wir nun ständig Angst haben oder uns zurückziehen. Dann hätte der Attentäter gewonnen. Das Leben muss weitergehen – auch wenn Jana und Kevin jetzt leider nicht mehr bei uns sind."

HFC-Präsident Rauschenbach: "Müssen unsere Werte nach außen vertreten"

Diese Aufbruchsstimmung ist der Unterschied zu den Tagen und Wochen unmittelbar nach dem Anschlag. Es sind noch längst nicht alle Tränen getrocknet. Aber die Menschen in Halle wollen sich nicht unterkriegen lassen und positiv in die Zukunft blicken. Das wurde auch auf der HFC-Mitgliederversammlung deutlich.

Diese fand am Samstagvormittag zeitgleich zur Eröffnung des Dönerladens statt und auch dort war der Anschlag nochmal ein Thema. "Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert, sagte HFC-Präsident Jens Rauschenbach. Wohlwissend, dass er, der HFC oder die Menschen in Halle nicht alles beeinflussen oder gar verhindern können. "Aber solche Dinge beginnen im Kopf. Deshalb sind wir gefragt, unsere Werte deutlich nach außen zu vertreten", so der HFC-Präsident.

Zeit zum Arbeiten

Für diese Werte und den positiven Blick nach vorne steht symbolisch auch die blaue Weste von Ismet Tekin, dem neuen Chef des "Kiez-Döners". Zwar besitzt er das Kleidungsstück schon länger. Doch getragen hat er es eine ganze Weile nicht. "Doch nun ist es wieder Zeit, die Weste zu tragen und zu arbeiten", sagt Tekin. Um der Welt zu zeigen, dass sich Halle nicht unterkriegen lässt.

MDR-Reporter Oliver Leiste
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Über den Autor Oliver Leiste arbeitet seit Anfang 2015 bei MDR SACHSEN-ANHALT - mit dem Schwerpunkt Sport. Dabei begleitet er den Halleschen FC, den 1. FC Magdeburg und den SC Magdeburg durch alle Höhen und Tiefen. Zudem ist er immer auf der Suche nach spannenden Geschichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts. Während seines Anglistikstudiums in Leipzig und auch danach war er für die Mitteldeutsche Zeitung in Halle und Radio Mephisto 97,6 am Ball. Als gebürtiger Bernburger hat er in Sachsen-Anhalt schon vieles gesehen und noch lange nicht genug davon.

Quelle: MDR/olei

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 16. November 2019 | 19:00 Uhr

5 Kommentare

MDR-Team am 18.11.2019

Aber klar. Also: Am 9. Oktober hat in Halle ein schwer bewaffneter Rechtsextremist versucht, in die städtische Synagoge einzudringen. Das ist ihm nicht gelungen. Daraufhin hat er in Halle wahllos eine 40-jährige Passantin und einen 20-jährigen Passanten erschossen. Er wollte in dem Döner-Imbiss, um den sich obiger Text dreht, was zum Mittagessen kaufen. Deshalb war der Döner in den vergangenen 40 Tagen geschlossen – wie im Islam üblich, wenn getrauert wird.

Alles zum Anschlag in Halle haben wir hier für Sie: https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/halle/halle/anschlag-schiesserei-synagoge-halle-100.html

aus Elbflorenz am 18.11.2019

Vielleicht könnte der MDR die Sache mal aufklären.

Wieviele Todesopfer gab es?
Der Bericht zufolge erwähnt 1 Todesopfer. Andere Medienberichte sprechen von 2 ermodeten Menschen.

Welchen Bezug hat dieser Döne-Laden zu dem Verbrechen?
Anderen Medienberichten zufolge versuchte der Täter erfolglos in eine Synagoge einzudringen und erschoss anschließend wahllos zwei Menschen.

Denkschnecke am 18.11.2019

Natürlich sind die Mitarbeiter des Dönerladens Opfer, schließlich ist direkt in ihrem Laden Schlimmstes passiert. Es war nur Glück, dass sie selbst nicht tot sind. Stellen Sie sich einfach nur vor, das Ganze wäre an Ihrem eigenen Arbeitsplatz passiert.
Im Übrigen war über die Todesopfer auch im MDR reichlich zu lesen.
Hier Einseitigkeit und sogar eine PR-Aktion zu unterstellen - das ist widerlich.

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