Martin Hommel
Martin Hommel lebt und arbeitet in Leipzig. Bildrechte: Nikolas Fabian Kammerer

Reportage Diagnose gutartig: Mein Leben mit einem Hirntumor

27. November 2023, 09:55 Uhr

Martin Hommel ist 28 Jahre alt, als man einen Hirntumor feststellt. Der Medienschaffende beginnt, sich mit der Kamera zu begleiten, um seine Gefühle und Gedanken zu sortieren. Die Reportage und seine Webserie zeigen sein Wechselbad der Gefühle.

Eigentlich war es nur ein wiederkehrendes, unbestimmtes Kribbeln im Gesicht, das ihn beunruhigt hatte. Martin Hommel ist 30 Jahre alt, als man einen Hirntumor bei ihm diagnostiziert. Es ist ein gutartiger Tumor, der zudem nur langsam wächst, wie sich herausstellt. Zugleich eine sehr seltene Art, ein sogenanntes Epidermoid.

Epidermoid

Epidermoide sind Tumore, die sich im Hirn verbliebener Hautzellen entwickeln. Symptome treten dadurch auf, dass der Tumor auf Nerven drückt. Dazu gehören etwa Gesichtsschmerzen und Hörminderung oder epileptische Anfälle. Die Diagnose erfolgt per Kernspintomographie (MRT). Eine Therapie ist durch mikrochirurgische Operation möglich. Diese Art des Tumors wird in 0,1 bis 0,3 Prozent der Tumorerkrankungen diagnostiziert.

Dass er damit Glück im Unglück hat, erkennt Martin an: "Ein Sechser im Lotto", sagt er. Dennoch krempelt die Diagnose sein Leben vollständig um.

Ich hatte mir meine Zukunft völlig anders vorgestellt. Ich denke, es ist ganz normal, um die 30 herum sein Leben zu überdenken und vielleicht bewusster zu leben. Die Krankheit war für mich ein Kaltstart in diese Auseinandersetzung.

Martin Hommel Über seine Erkrankung

Wagnis Operation

Der Weg bis zur eigentlichen Diagnose führt durch verschiedenste Arztpraxen, vom Zahnarzt bis zum Neurologen. Weil die Krankheit so selten ist, ist es schwierig, Informationen im deutschsprachigen Netz zu finden. Im Spätsommer 2019 entscheidet er sich trotz der Risiken für eine Operation: "Zunächst wollte ich die OP um jeden Preis verhindern, aus Angst, dass etwas schief geht. Im Laufe einer Psychotherapie habe ich mich dann damit auseinandergesetzt, dass die OP auch eine Lösung sein kann für das Problem, das ich mit mir herumtrage."

Videotagebuch, um die Gedanken zu sortieren

Mit der Entscheidung für die Operation entschließt sich Martin Hommel, regelmäßig die Kamera einzuschalten. Für den Cutter, Filmemacher und Musiker ist das eine Möglichkeit, seine Situation zu verarbeiten. "Die Kreativität ist ein Ventil für Dinge, die ich mit mir herumtrage. Außerdem brauchte ich Zeit, um mich aktiv mit meinen Fragen und Gedanken zu beschäftigen."

Von Anfang an sind seine Partnerin Susann und die engsten Freunde Teil des Filmprojekts. Die meisten Szenen sind im Stil des Video-Blogs (Vlog) gehalten. "Die Filmproduktion hat sonst immer einen riesigen Vorlauf, eine Idee geht durch tausend Hände und muss abgenommen werden. So konnte ich einfach mit meiner Ausrüstung loslegen und musste mir im Vorhinein keinen großen Plan machen. Es ist ja auch ein extrem intimes Thema und ich wusste nicht, wie die Geschichte ausgeht. Statt Druck durch ein großes Team um mich herum zu haben, hatte ich die Sache zu jeder Zeit selbst in der Hand. Und in erster Linie diente es dazu, mit meiner Situation umzugehen", erklärt Martin Hommel zu seinem Vlog "Diagnose: Gutartig".

Mehr Sicherheit, weniger Arbeit

Martin Hommel arbeitet die Zeit bis zur Operation über weiter als freier Medienschaffender, geht aber aktiv Veränderungen an. So lässt er sich in Teilzeit fest anstellen, um finanzielle Sicherheit zu schaffen und kürzer zu treten. "Das ist für mich vor drei, vier Jahren noch unvorstellbar gewesen. Es hat aber witzigerweise mein ganzes Leben entspannt, weil ich nicht mehr jedem Job hinterher hetzen musste, den man bekommen kann", bemerkt er.

Die Operation fand im Februar 2020 statt, also kurz vor dem ersten Corona-Lockdown. Kurz nach der OP folgten die Video-Aufzeichnungen. "Wir sind als Freundeskreis sehr zusammen gewachsen. Es ist toll, dass wir das Projekt zusammen gemacht haben und jetzt auch weitergehen können", sagt Martin Hommel zuversichtlich.

Wiederholung der Reportage aus dem Jahr 2020

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 30. November 2023 | 22:40 Uhr