Katholische Kirche Deutschlands Zehn Jahre Missbrauchsskandal - Eine Chronogie

25. März 2024, 10:54 Uhr

Am 19. Januar 2010 informierte Klaus Mertes, Schulleiter des Berliner Canisius-Kollegs, in einem Brief ehemalige Schüler über mögliche Missbrauchsfälle an der Schule. Damit löste der Jesuit eine Lawine weiterer Enthüllungen über sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen aus. Es begann ein mühsamer Prozess der Aufdeckung und Aufklärung. Hier finden sie eine Chronologie der Ereignisse.

19. Januar 2010:

Der Leiter des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, macht durch einen Brief an ehemalige Schüler den Missbrauchsskandal an seiner Schule bekannt. Er schreibt, Jesuiten hätten in den 1970er und 80er Jahren Schüler sexuell missbraucht - und zwar systematisch und über Jahre. Bald folgen neue Berichte über meist ältere Fälle an anderen Orten.


22. Februar 2010:

Die Bischöfe bitten sich auf ihrer Vollversammlung in Freiburg um Entschuldigung wegen der Missbrauchsfälle. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wird Sonderbeauftragter für das Thema. Eine Hotline für Opfer wird eingerichtet.


 24. März 2010:

Die Kirche beteiligt sich am Runden Tisch, der von der Bundesregierung eingerichtet wird.


 31. August 2010:

Die Bischöfe verschärfen ihre "Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch". Glaubhaft verdächtigte Geistliche müssen nun umgehend vom Dienst suspendiert werden.


 23. September 2010:

Die Bischöfe stellen ein Konzept zur Vorbeugung vor. Es sieht unter anderem vor, dass jedes Bistum eine Stelle einrichtet, die sich um Präventionsfragen kümmert. Gegründet wird auch ein "Präventionsfonds" für besonders innovative Projekte innerhalb der Kirche.


30. September 2010:

Die Bischofskonferenz legt am Runden Tisch in Berlin ein Konzept zur Entschädigung der Opfer sexuellen Missbrauchs vor. Dazu gehört die Zahlung eines Geldbetrags, der als "finanzielle Anerkennung“ des zugefügten Leids gelten soll.


13. Juli 2011:

Die deutschen Bischöfe kündigen zwei Forschungsprojekte zur wissenschaftlichen Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche an.


7. Dezember 2012:

Die Ergebnisse des ersten Forschungsprojekts werden vorgestellt. Der Forensiker Norbert Leygraf kommt darin zu dem Schluss, dass nur wenige katholische Priester, die Minderjährige missbraucht haben, im klinischen Sinne pädophil seien.


31. Dezember 2012:

Die Bischofskonferenz stellt die Hotline für Missbrauchsopfer ein, weil es kaum noch Anfragen gebe. Im Januar 2013 wird der Abschlussbericht vorgestellt.


9. Januar 2013:

Die Bischofskonferenz beendet die Zusammenarbeit mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer, nachdem er sich über mutmaßliche Zensur durch die Kirche und Intransparenz beschwert hatte. Das von seinem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen 2011 begonnene Forschungsprojekt sollte durch umfangreiche Aktenstudien belastbare Zahlen zum Missbrauch erbringen.


26. August 2013:

Die Bischofskonferenz veröffentlicht abermals verschärfte Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch. Danach sollen Kleriker, die Schutzbefohlene missbraucht haben, nicht mehr in den Seelsorgedienst zurückkehren dürfen, wenn "dieser Dienst eine Gefahr für Minderjährige oder erwachsene Schutzbefohlene darstellt oder ein Ärgernis hervorruft". Ein komplettes Beschäftigungsverbot für sexuell straffällig gewordene Priester nach dem Beispiel der amerikanischen Bischöfe lehnt die Bischofskonferenz ab.


24. März 2014:

Die Bischöfe beauftragen einen Forschungsverbund um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Ziele sind eine Erhebung quantitativer Daten zur Häufigkeit und zum Umgang mit sexuellen Missbrauchshandlungen an Minderjährigen durch Geistliche.


2016:

Eine erste Teilstudie wird vorgestellt. Diese hatte bereits vorliegende Missbrauchsuntersuchungen aus anderen Ländern in den Blick genommen. Danach waren die Täter in erster Linie Gemeindepfarrer und andere Priester (über 80 Prozent).


September 2018:

Am 25. September stellt die Bischofskonferenz die lange erwartete Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland vor. Demnach haben die Forscher insgesamt 3.677 sexuelle Übergriffe von mindestens 1.670 Priestern und Ordensleuten in den Jahren von 1946 bis 2014 dokumentiert. Die Opfer seien überwiegend männliche Minderjährige gewesen, mehr als die Hälfte von ihnen seien zum Tatzeitpunkt jünger als 14 gewesen. Die Studie erkennt verschiedene Muster bei Missbrauch, die sie unter anderem in klerikalen Machtstrukturen, der Sexualmoral des Vatikans und in Teilen auch im Zölibat begründet sehen.


2019

Im Mai streiken katholische Frauen der Initiative "Maria 2.0" um Reformen innerhalb der Kirche anzustoßen. Zu ihren Forderungen gehört auch eine umfassende Aufarbeitung von Missbrauch. Am 1. Dezember starten katholische Kirche und Laien den sogenannten Synodalen Weg. Diskutiert wird über Lehren aus dem Missbrauchsskandal, den Zölibat, die katholische Sexualmoral und die Rolle von Frauen in kirchlichen Ämtern.

Ebenfalls im Dezember schafft Papst Franziskus das sogenannte päpstliche Geheimnis für Missbrauch ab. Damit können kirchliche Unterlagen weltlichen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Opfer hatten dies als Maßnahme gegen Vertuschung gefordert.