Mit Getreidebündeln und vielen andere Sachen zum Dekorieren hat die rührige Kirchgemeinde die Dorfkirche (1690) hübsch für den Erntedank-Gottesdienst am Sonntag geschmückt. Highlight beim Gottedienst war der Auftritt des Männergesangsvereins Schauen, die das „Schauen-Lied“ zum Besten gaben.
Mit Getreidebündeln und vielen andere Sachen zum Dekorieren hat die rührige Kirchgemeinde die Dorfkirche (1690) hübsch für den Erntedank-Gottesdienst am Sonntag geschmückt. Highlight beim Gottesdienst war der Auftritt des Männergesangsvereins Schauen, die das „Schauen-Lied“ zum Besten gaben. Bildrechte: Bildrechte: MD /Tino Wiemeier

Nach dem Aufruf Ostdeutscher Bischöfe Wie umgehen mit AfD-Mitgliedern in den Kirchengemeinden?

16. Februar 2024, 04:00 Uhr

Zu Beginn des Superwahljahres hatten sechs katholische Bischöfe in einem offenen Brief dazu aufgerufen, nicht für die AfD zu stimmen, u.a. die Bischöfe von Magdeburg, Erfurt, Dresden-Meißen und Görlitz - in jenen Regionen also, in denen die AfD besonders stark ist. Der Appell der Bischöfe wirkte wie eine starke Positionierung der Institution Kirche. Doch wie soll man mit AfD-Anhängern, Mitgliedern und Funktionären umgehen, die selbst Teil christlicher Gemeinschaften sind?

"Rechtsextremismus und Glaube ist definitiv ein Widerspruch, weil alle Menschen vor Gott gleich sind", meint der 68-Jährige Katholik Klemens Nieft aus der St. Joseph-Gemeinde in Chemnitz. Er ist der Ansicht: "Im Rechtsextremismus werden Menschen pauschal diskriminiert, ausgegrenzt oder ihnen sogar das Recht abgesprochen, irgendwo zu leben. Und das ist nicht mit dem christlichen Weltbild vereinbar", so der Chemnitzer.

Der Katholik erzählt, in seiner Gemeinde falle niemand mit rassistischen, demokratie-, islam- oder frauenfeindlichen Wortmeldungen auf.

Das sei statistisch gesehen ein Einzelfall, sagt der evangelische Theologieprofessor Michael Haspel, der an den Universitäten in Erfurt und Jena lehrt.

Mit Getreidebündeln und vielen andere Sachen zum Dekorieren hat die rührige Kirchgemeinde die Dorfkirche (1690) hübsch für den Erntedank-Gottesdienst am Sonntag geschmückt. Highlight beim Gottedienst war der Auftritt des Männergesangsvereins Schauen, die das „Schauen-Lied“ zum Besten gaben. 4 min
Mit Getreidebündeln und vielen andere Sachen zum Dekorieren hat die rührige Kirchgemeinde die Dorfkirche (1690) hübsch für den Erntedank-Gottesdienst am Sonntag geschmückt. Highlight beim Gottesdienst war der Auftritt des Männergesangsvereins Schauen, die das „Schauen-Lied“ zum Besten gaben. Bildrechte: Bildrechte: MD /Tino Wiemeier

Rechtspopulismus ist ein Problem in der Mitte der Gesellschaft

Haspel weiß, dass es Rechtspopulismus in den Gemeinden gibt, egal ob in evangelischen, katholischen oder freikirchlichen. Man müsse damit rechnen, dass "es in den Kirchgemeinden ungefähr genauso viele Menschen mit fremdenfeindlichen, sexistischen Einstellungen gibt wie in der Gesamtbevölkerung."

Was also tun, wenn in der Gemeinde-Chatgruppe Fremden- und Demokratiefeindliches verbreitet werden, oder wenn am Rande des Gottesdienstes der Klimawandel geleugnet und antisemitische Verschwörungsmythen erzählt werden?

Im Moment scheint es mir der Fall zu sein, dass wir da viel zu schnell drüber hinwegschauen. Eigentlich wissen das viele, aber es wird nicht laut gesagt. Das ist so, wie man so schön sagt, der Elefant im Raum.

Michael Haspel, Theologe

Positionen, jedoch nicht die Menschen ablehnen

Auch Daniela Pscheida-Überreiter steht dafür, Probleme offen anzusprechen. Für die Leiterin des katholischen Büros in Dresden, der Verbindungstelle mehrerer Bistümer zum Freistaat Sachsen, steckt auch im christlichen Glauben Politik.

"Kirche ist bunt" steht bei einer Demonstration auf einem Pappschild
Kirche soll Gesellschaft mitgestalten, so die Katholikin Daniela Pscheida-Überreiter Bildrechte: IMAGO/Müller-Stauffenberg

"Wir wollen Gesellschaft mitgestalten, und das ist ein politischer Ansatz. Und wenn - um jetzt ganz konkret auf die Situation in Sachsen zu kommen - Grenzen überschritten werden, Dinge in Frage gestellt werden wie Menschenwürde, wie Solidarität, dann sind dort Grenzen erreicht, wo man klar Position beziehen sollte“, so die Katholikin.

Für sie ist es auch problematisch, dass AfD-Politiker, die einer Partei angehören, die in Sachsen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, kirchliche Ämter anstreben.

Für Situationen, in denen es im Gemeindealltag zu fragwürdigen Aussagen von Gemeindegliedern kommt, schlägt die Katholikin jedoch eine andere Strategie vor:

Es ist eine besondere Aufgabe der Kirchen, auch der Gesellschaft insgesamt: Wir müssen darauf achten, dass wir immer die Positionen ablehnen und nicht die Menschen.

Daniela Pscheida-Überreiter

Das sieht der Chemnitzer Katholik Klemens Nieft genauso. "Man sollte versuchen, mit ihnen zu reden, dass das menschenverachtend, diskriminierend, ausgrenzend ist. Und sie mit dem christlichen Menschenbild, dem biblischen Gottesbild versuchen zu überzeugen. Und ihnen vielleicht auch einen gesichtswahrenden Rückzug bieten. Ich rede allerdings nicht von Hardlinern. Die kriegt man nicht", so Nieft.

Den Elefanten beim Namen nennen, sich klar positionieren, in der Sache streiten und kirchliche Ämter vor AfD-Einfluss schützen. Darin sind sich der Chemnitzer Katholik, der evangelische Theologe aus Erfurt und die Dresdner Kirchenvertreterin einig. Denn antidemokratische oder rassistische Einstellungen widersprechen dem Selbstverständnis der Kirchen, die für alle Menschen da sein möchten.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 18. Februar 2024 | 09:05 Uhr

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