Auf einem Widerrufsformular und einer Widerrufsbelehrung liegt ein Kugelschreiber.
Das 14-tägige Rückgaberecht kennt vermutlich jeder. Aber kann man wirklich alles und jeden Vertrag widerrufen? Rechtsexperte Gilbert Häfner klärt auf. Bildrechte: imago images/Steinach

Widerrufsrecht Wann und wie Sie von Verträgen zurücktreten können

29. Juni 2023, 09:00 Uhr

Das Widerrufsrecht ist für uns Verbraucher eine tolle Sache: Wer eine Ware online bestellt, kann diese ohne Begründung innerhalb von zwei Wochen ab Erhalt der Ware widerrufen. Aber geht das auch beim Kauf im Geschäft? Für welche Verträge gilt das Widerrufsrecht nicht? Und warum ist das so? Antworten dazu liefert Rechtsexperte Gilbert Häfner, Jurist und ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts Dresden.

MDR um 4 Rechtsexperte Gilbert Häfner, Experte zum Thema "Alles rechtens?".
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Können alle Arten von Verträgen widerrufen werden?

Eine rechtsgeschäftliche Erklärung ist für denjenigen, der sie abgibt, grundsätzlich bindend. Ohne diese Grundregel könnte der Rechtsverkehr nicht funktionieren, es gäbe keinerlei Rechtssicherheit. Daher ist das gesetzliche Widerrufsrecht den Vertragserklärungen von Verbrauchern gegenüber einem Unternehmer vorbehalten. Es ist zudem auf solche Vertragserklärungen beschränkt, in denen der Verbraucher als besonders schutzbedürftig gilt, sei es aufgrund der äußeren Umstände der Abgabe der Erklärung oder wegen deren weitreichender Folgen.

Dazu gehören Erklärungen, die auf Abschluss eines nicht notariell beurkundeten Bauvertrages, eines Darlehensvertrages, eines Vertrages mit entgeltlichen Finanzierungshilfen (insbesondere Finanzierungsleasing), eines Ratenlieferungsvertrages oder eines Teilzeit-Wohnrechtevertrages gerichtet sind. Ferner unterfallen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und auch Fernabsatzverträge (z. B. Onlinekauf) grundsätzlich dem Widerrufsrecht.

Was sind Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden?

Hierunter versteht man zunächst Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von Verbraucher und Unternehmer (oder Personen, die in dessen Namen oder Auftrag handeln) an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Dem steht es gleich, wenn unter den genannten Umständen der Verbraucher ein verbindliches Vertragsangebot abgegeben hat, aber mangels Annahmeerklärung des Unternehmers noch kein Vertrag zustande gekommen ist.

Keine Geschäftsräume des Unternehmers sind beispielsweise die Wohnung und der Arbeitsplatz des Verbrauchers, aber auch ein bloßer Werbestand des Unternehmers, der auf der Straße aufgebaut ist, sowie eine Gaststätte, in der im Rahmen eines vom Unternehmer organisierten Ausflugs ("Kaffeefahrt") eine Verkaufsveranstaltung stattfindet.

Um den Schutz des Verbrauchers abzurunden, gibt es ein Widerrufsrecht ferner bei Verträgen, die zwar in den Geschäftsräumen des Unternehmers, aber eben im Rahmen einer Kaffeefahrt geschlossen werden. Gleiches gilt, wenn der Verbraucher unmittelbar vor einem Vertragsabschluss, der per Kommunikationsmittel oder in den Geschäftsräumen des Unternehmers stattfindet, außerhalb derselben persönlich und individuell angesprochen wurde. Zu denken ist dabei etwa an den Fall, dass ein Mitarbeiter eines Ladeninhabers den Verbraucher im Rahmen einer Werbeaktion auf der Straße vor dem Geschäftslokal unmittelbar anspricht, worauf das Gespräch in dem Geschäftslokal fortgesetzt und dort ein Vertrag geschlossen wird.

Ernsthafte Frau liest einen Brief auf einer Couch.
Verbraucher können von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Was versteht man unter einem Fernabsatzvertrag?

Ein Fernabsatzvertrag, der dem Widerrufsrecht unterliegt, ist ein Vertrag, bei dem die Vertragsparteien zur Anbahnung und zum Abschluss eines Vertrages nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind, sondern ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Hierzu gehören beispielsweise Briefe, Kataloge, Telefongespräche, E-Mail, SMS und Apps.

Ausgenommen sind jedoch Verträge, die nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen werden. Bietet also ein Unternehmer seine Waren oder Dienstleistungen an sich nur in seinen Geschäftsräumen an, so wird ein mit ihm abgeschlossener Vertrag nicht dadurch zum Fernabsatzvertrag, dass er ausnahmsweise eine per E-Mail abgegebene Bestellung angenommen hat.

Welche Ausnahmen vom Widerrufsrecht gibt es?

Eine ganze Reihe von Vertragstypen sind vom Widerrufsrecht ausgenommen. So besteht etwa bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten ein Widerrufsrecht ausschließlich dann, wenn es sich dabei um einen Abonnement-Vertrag handelt.

Ferner sind beispielsweise Verträge über die Beförderung von Personen, im Fernabsatzwege geschlossene Reiseverträge, medizinische Behandlungsverträge, unter Verwendung von Warenautomaten geschlossene Verträge oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, bei denen die Leistung sofort erbracht und bezahlt wird und das vom Verbraucher zu entrichtende Entgelt 40 Euro nicht überschreitet, vom Widerrufsrecht ausgenommen.

Ebenso können außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge über die Lieferung von Waren, welche schnell verderben können oder welche auf Bestellung des Verbrauchers maßgefertigt wurden, nicht widerrufen werden. In Abgrenzung dazu besteht ein Widerrufsrecht hingegen bei echten Werkverträgen, die auf die genannte Weise abgeschlossen worden, so etwa bei Verträgen über den Einbau eines Treppenlifts.

Nahaufnahme eines Smartphones mit der App eines Lebensmittellieferdienstes und verschiedener Eiscremebecher zur Auswahl. Wird von Hand gehalten, unscharfer Hintergrund.
Fernabsatzverträge (z.B. Onlinekauf) mit bestimmten Leistungen haben kein Widerrufsrecht, insbesondere Verträge über Spezialanfertigungen (z.B. Möbel oder Schmuck) und bei verderblichen Waren (z.B. Lebensmittel). Bildrechte: MDR/Florian Zinner

In welcher Form muss ein Widerruf erklärt werden?

Der Widerruf muss gegenüber dem Unternehmer erklärt werden. Dies kann auch mündlich oder per Telefon geschehen. Da der Verbraucher einen wirksamen Widerruf im Streitfall zu beweisen hat, ist jedoch zu empfehlen, den Widerruf in Textform, also in lesbarer Weise unter Nennung der Person des Erklärenden auf einem dauerhaften Datenträger (auf Papier, per Telefax oder per E-Mail) zu erklären. Insoweit kann sich der Verbraucher auch des gesetzlichen Muster-Widerrufsformulars bedienen, dessen Verwendung freilich nicht vorgeschrieben ist.

Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen kann der Unternehmer dieses Muster-Formular oder ein adäquates Widerrufsformular dem Verbraucher auch zum Ausfüllen und Übermitteln auf seiner Webseite bereitstellen. Nimmt der Verbraucher diese Erklärungsmöglichkeit in Anspruch, wozu er nicht verpflichtet ist, muss ihm der Unternehmer den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen. Die Widerrufserklärung muss keine Begründung enthalten, allerdings muss aus ihr der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Demgegenüber ist die bloße Rücksendung der Ware nicht ausreichend.

Wie lang ist die Widerrufsfrist und wann beginnt sie zu laufen?

Das Widerrufsrecht ist fristgebunden, es muss innerhalb von 14 Tagen ausgeübt werden. Dabei wahrt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs die Frist.

Der Beginn der Frist richtet sich nach dem Vertragsgegenstand. Insoweit ist bei einem Verbraucherbauvertrag, einem Dienstleistungsvertrag und bei einem nach tatsächlichem Verbrauch abzurechnenden Vertrag über die Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder Fernwärme der Vertragsschluss maßgeblich.

Bei anderen Kaufverträgen beginnt die Widerrufsfrist an dem Tag, an dem der Verbraucher die Ware erhalten hat. Wird diese in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert, kommt es auf den Erhalt der letzten Teilsendung an. Gleiches gilt, wenn der Verbraucher mehrere Waren in Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat, diese Waren aber getrennt geliefert werden. Ist hingegen der Vertrag auf die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum gerichtet, wie das beispielsweise bei einem Zeitschriften-Abonnement der Fall ist, kommt es auf den Erhalt der ersten Warenlieferung an.

Welche Folgen hat der Widerruf des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen?

Nach einem wirksamen Widerruf müssen der Verbraucher und der Unternehmer den Vertrag nicht mehr erfüllen. Stattdessen haben sie beide die erbrachten Leistungen unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 14 Tagen, bei Verträgen über Finanzdienstleistungen spätestens innerhalb von 30 Tagen, einander zurückzugewähren.

Für den Verbraucher bedeutet dies, dass er eine bereits erhaltene Ware an den Unternehmer zurücksenden muss. Der Unternehmer wiederum hat dem Verbraucher sämtliche Zahlungen zurückerstatten, die er von diesem bereits erhalten hat. Das schließt auch etwaige Versandkosten ein, die der Unternehmer dem Verbraucher in Rechnung gestellt hatte. Hiervon ausgenommen sind wiederum diejenigen Zusatzkosten, die dem Unternehmer dadurch entstanden sind, dass der Verbraucher sich bei der Bestellung für eine teurere als die vom Unternehmer angebotene günstigste Versandart entschieden hat.

Der Unternehmer ist berechtigt, die Rückerstattung der von ihm erhaltenen Zahlungen des Verbrauchers zu verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Das Risiko, dass die Waren bei der Rücksendung verloren gehen oder beschädigt werden, trägt freilich der Unternehmer. Er muss also auch in diesem Fall den Kaufpreis erstatten, es sei denn, den Verbraucher trifft ein Verschulden bezüglich des Verlusts oder der Beschädigung der Waren.

Wer muss die Kosten für die Rücksendung der Waren tragen?

Nach den gesetzlichen Bestimmungen trifft den Verbraucher diese Kostenlast. Hiervon befreit ist der Verbraucher aber dann, wenn der Unternehmer ihn über diese Folge eines Widerrufs nicht vor dem Vertragsschluss unterrichtet hat oder er sich bereit erklärt hat, die Kosten der Rücksendung selbst zu tragen.

Tipp für Sie: Auch die folgenden Broschüren bzw. Internetseiten erhalten sehr gute Informationen:

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 29. Juni 2023 | 17:00 Uhr

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