Patient beim Arzt.
Lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin, Einholung einer Zweitmeinung, Zahlung von Schmerzensgeld – welche Rechte Patienten haben, weiß Rechtsexperte Gilbert Häfner. Bildrechte: imago images / Westend61

Ihr Recht beim Arzt Facharzttermin, Patientenakte, Schmerzensgeld: Welche Rechte und Pflichten Sie beim Arzt haben

27. April 2023, 09:44 Uhr

Wer heute als Kassenpatient einen Termin beim Spezialisten bekommen will, der muss oft Monate warten. Ist das rechtens und unter welchen Voraussetzungen kann man die Wartezeit verkürzen? Wie können sich Betroffene bei einer Fehlbehandlung wehren? Wo bekommen sie Rechtsbeistand und in welchen Fällen haben Sie Anspruch auf Schmerzensgeld? Diese und weitere Fragen beantwortet Gilbert Häfner, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichtes in Dresden.

MDR um 4 Rechtsexperte Gilbert Häfner, Experte zum Thema "Alles rechtens?".
Bildrechte: MDR/ Martin Jehnichen

Was kann ein Patient tun, der trotz Überweisung einfach keinen Termin bei einem dringend benötigten Facharzt bekommt?

Seit 2020 haben die kassenärztlichen Vereinigungen Terminservicestellen eingerichtet. Unter der Telefonnummer 116117 wird dort ein Termin bei einem entsprechenden Facharzt innerhalb von vier Wochen vermittelt. Auch online oder über die App 116117 ist eine Terminvergabe möglich. Ein Anspruch auf einen Termin bei einem bestimmten "Wunscharzt" besteht allerdings nicht. In der Regel benötigt man für die Vermittlung eines Facharzttermins eine Überweisung. Lediglich bei Gynäkologen und Augenärzten ist dies nicht erforderlich. Unter der Nummer 116117 erreicht man übrigens auch den ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Beim Augenarzt
Einen Augenarzttermin kann man im städtischen Raum bereits innerhalb mehrerer Tage vermittelt bekommen. Auf dem Land sieht das oft anders aus. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Westend61

Hat der Patient einen Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung, wenn er sich nicht ganz sicher ist, ob er dem Rat seines Arztes folgen soll?

Auch gesetzlich Versicherte haben das Recht auf freie Arztwahl und können daher auch einen zweiten Arzt aufsuchen, um eine weitere Meinung einzuholen. Sinnvoll ist es in diesem Fall, alle Unterlagen, wie Röntgenaufnahmen, Laboruntersuchungen etc., mitzunehmen, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden.

Für bestimmte häufig durchgeführte Operationen (z.B. Knie-OP, Gebärmutterentfernung etc.) gibt es ein spezielles Verfahren für die Einholung einer Zweitmeinung. Unter www.116117.de ist eine Liste von Ärztinnen und Ärzten ersichtlich, bei denen eine zweite Meinung zu der betreffenden OP eingeholt werden kann. Dieser Service ist für Patienten kostenfrei. Weitere Hinweise hierzu finden Sie im Patientenmerkblatt zu Zweitmeinungsverfahren bei geplanten Eingriffen.

Darf der Arzt ein Ausfallhonorar berechnen, wenn der Patient unentschuldigt zu einem vereinbarten Termin nicht erscheint?

Diese Frage ist in der Rechtsprechung noch nicht einheitlich geklärt. Falls es sich bei der geplanten Untersuchung um eine solche mit besonders großem Zeitaufwand handelt und der Arzt in dieser Zeit keinen Ersatzpatienten behandeln kann, kommt die Berechnung einer Ausfallpauschale in Betracht. In jedem Falle ist es ein Gebot des fairen Umgangs miteinander, dass vereinbarte Termine so früh wie möglich abgesagt werden, wenn sie nicht wahrgenommen werden können. Weitere Hinweise zu Gebühren für verpasste Arzttermine finden Sie bei der Verbraucherzentrale.

Kann der Arzt vom gesetzlich versicherten Patienten die Bezahlung einer Reiseschutzimpfung verlangen?

Einige Reiseschutzimpfungen gehören zu den so genannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Sie gehen über den Bedarf einer medizinisch notwendigen Versorgung hinaus, weshalb die gesetzliche Krankenversicherung hierfür nicht eintritt. Voraussetzung für einen entsprechenden vertraglichen Vergütungsanspruch des Arztes ist insoweit aber, dass er den Patienten vor der Behandlung schriftlich auf die voraussichtlichen Kosten hinweist und der Patient dieser Behandlung schriftlich zustimmt. Ein pauschaler Hinweis auf ein Kostenrisiko reicht nicht.

Informationen zu medizinischen Leistungen, die in der Arztpraxis selbst bezahlt werden müssen, sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), sind im IGeL-Monitor zu finden. Dieser bewertet Nutzen und Schaden der IGeL, damit eine fundierte Entscheidung möglich ist. Hinter dem IGeL-Monitor steht der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS). Der MDS wird vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert.    

Eine Ärztin impft Patientin gegen Corona
Vor der Impfung muss die Arztpraxis den Patienten über die Kosten der Impfung informieren. Bildrechte: IMAGO / Wilhelm Mierendorf

Was ist zu tun, wenn man aufgrund von fortdauernden oder neuen gesundheitlichen Beschwerden vermutet, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist?

Der Patient sollte zunächst dem Arzt, den er eines Behandlungsfehlers verdächtigt, seine Beschwerden beschreiben und offen danach fragen, ob diese auf einem etwaigen Behandlungsfehler beruhen können. Diese Frage muss der Arzt, weil er den Patienten vor, während und nach der Behandlung über alle wesentlichen Umstände zu unterrichten hat, wahrheitsgemäß beantworten.

Des Weiteren sollte der Patient den Arzt darum bitten, ihm Einsicht in die Patientenakte zu gewähren. Auch hierzu ist der Arzt verpflichtet. Dieser muss dem Patienten sogar elektronische Abschriften der Patientenakte überlassen, kann dies aber von der Erstattung der dabei anfallenden Kosten abhängig machen. Ist der Behandlungsfehler in einem Krankenhaus passiert, sollte der Patient zusätzlich Namen von möglichen Zeugen, etwa von Krankenschwestern oder assistierenden Ärzten, in Erfahrung bringen. Das Bundesgesundheitsministeriums bietet eine sehr gute Zusammenstellung zum Thema Behandlungsfehler (Definition, Ansprechpartner, Statistiken).

Begründet jeder Behandlungsfehler eine Haftung des Arztes?

Eine medizinische Behandlung hat grundsätzlich nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen. Hiervon darf der Arzt nur abweichen, wenn er dies mit dem Patienten vereinbart hat. Die nicht vereinbarte Abweichung von den genannten Standards stellt eine Pflichtverletzung des Arztes, mithin einen Behandlungsfehler dar. Vorrangig – nicht ausschließlich – sind dabei Mängel in der Diagnose oder Therapie zu nennen.

Allerdings haftet der Arzt gegenüber dem Patienten nicht schon dann, wenn ein Behandlungsfehler feststeht und nach der Behandlung die Leiden des Patienten fortbestehen, sich verschlimmern oder neue Leiden auftreten. Für einen ausbleibenden Behandlungserfolg, Komplikationen oder unerwünschte Nebenwirkungen muss der Arzt vielmehr nur dann einstehen, wenn diese Symptome auf einem Behandlungsfehler beruhen. Diesen Ursachenzusammenhang (so genannte Kausalität) muss im Streitfall grundsätzlich der Patient beweisen; jedoch gibt es zwei wichtige Ausnahmen zu dieser Regel: Eine gesetzliche Vermutung für einen Ursachenzusammenhang zwischen Behandlung und aufgetretenen Komplikationen besteht zum einen, wenn ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt war, und zum anderen, wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt und dieser grundsätzlich geeignet ist, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen.

Die Hand eines Arztes hält ein Instrument im Operationssaal. Instrumente für eine Operation in einer sterilen Box.
Erst nach 30 Jahren erlischt der Arzthaftungsanspruch nach der Begehung des Behandlungsfehlers. Bildrechte: Colourbox.de

Wann verjähren Ersatzansprüche wegen eines Behandlungsfehlers und was gilt, wenn die gesundheitlichen Folgen dieses Fehlers erst lange Zeit nach dem Ende der Behandlung erkennbar werden?

Arzthaftungsansprüche aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung unterliegen einheitlich einer dreijährigen Verjährungsfrist. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den Umständen, die den Anspruch begründen (also dem Behandlungsfehler), und der Person des Schuldners (Arzt oder Krankenhaus) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Die Verjährungsfrist beginnt also nicht bereits mit dem Ende der Behandlung, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem sich es sich dem Patienten geradezu aufdrängen muss, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. 30 Jahre nach der Begehung des Behandlungsfehlers der Anspruch in jedem Fall verjährt.

Informationen zu gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen erteilt die Patientenberatungsstelle: Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) ist eine gemeinnützige Einrichtung und arbeitet im gesetzlichen Auftrag (§ 65b SGB V). Sie berät Patientinnen und Patienten unabhängig und kostenfrei. Finanziert wird die Arbeit der UPD durch den GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen).

Kostenlose Telefonnummer der UPD: 0800 / 011 77 22

Online:
Unabhängige Patientenberatung Deutschland


Weitere Informationen für Patienten und Links zu einzelnen Themen finden sich auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums, z.B.:


Dort kann auch die Broschüre "Ratgeber für Patientenrechte" kostenlos heruntergeladen werden: Ratgeber für Patientenrechte (bmj.de)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 27. April 2023 | 17:00 Uhr

Ein Angebot von

Mehr zum Thema Recht

Weitere Ratgeber-Themen