Manager Figuren in Anzuegen stehen vor einem Paragrafen Zeichen und geben sich die Hand.
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Einigung statt Klage Wie Sie sich als Kunde wehren können

24. November 2022, 10:23 Uhr

Die Möglichkeiten von Verbrauchern sich gegen Unternehmen wehren zu können, sind durch eine Schlichtungsstelle gestärkt worden. Damit sparen Sie sich den Gang zum Gericht und sparen Geld. Wie Sie eine Schlichtung erreichen, erklärt Gilbert Häfner, ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts in Dresden.

MDR um 4 Rechtsexperte Gilbert Häfner, Experte zum Thema "Alles rechtens?".
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Was ist unter Verbraucherschlichtung zu verstehen?

Die Verbraucherschlichtung stellt ein Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung dar. Es eröffnet Verbrauchern, die beim Kauf von Waren und Dienstleistungen in Konflikte mit Unternehmen gekommen sind, die Möglichkeit einer einfachen Streitbeilegung. Das soll durch eine Schlichtungsstelle geschehen, ohne dass teure Anwälte eingeschaltet werden müssen oder die Sache vor Gericht gebracht werden muss.

Sind Unternehmen verpflichtet, an einem Verfahren der Verbraucherschlichtung teilzunehmen?

Grundsätzlich ist die Teilnahme an einem Verbraucherschlichtungsverfahren freiwillig. Lediglich Energieversorger und Paketdienstleister sind gesetzlich verpflichtet, sich an dem Verfahren zu beteiligen.

Sind die Beteiligten eines Verbraucherschlichtungsverfahrens an den Schlichterspruch gebunden?

Kommt es zu einem Schlichterspruch, entscheiden die Beteiligten, ob sie den Vorschlag annehmen wollen oder nicht. Er ist also nicht verbindlich, und zwar auch nicht für diejenigen Unternehmen, die zur Teilnahme am Verfahren verpflichtet sind. Die Kosten des Verfahrens sind sehr moderat und werden von den Unternehmen getragen.

Warum sollte ein Unternehmen an einem solchen Verfahren freiwillig teilnehmen?

Das Verbraucherschlichtungsverfahren hat für das Unternehmen den Vorteil, dass es schnell und ohne nennenswerte Kosten an eine unabhängige, rechtlich fundierte Bewertung des Falles durch einen Experten (den Schlichter) gelangt, ohne selbst einen Anwalt einschalten zu müssen. Zudem haben die Unternehmen ja in der Regel ein Interesse daran, die Kundenbeziehung aufrechtzuerhalten und den Kunden nicht unzufrieden zurückzulassen. Diesem Anliegen ist ein ausgewogener Schlichtungsvorschlag, mit dem beide Seiten "leben können", in aller Regel dienlich.

Hat ein Verbraucherschlichtungsverfahren Einfluss auf die Verjährung?

Durch die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei einer Verbraucherschlichtungsstelle wird die Verjährung gehemmt. Das bedeutet, dass die Frist, in der ein Anspruch verjährt, während der Zeit des Schlichtungsverfahrens nicht weiterläuft, sondern gewissermaßen "angehalten" wird.

Die Verjährungsfrist beträgt in der Regel drei Jahre. Die Hemmung beginnt mit dem Eingang des Antrags bei der Schlichtungsstelle, wenn dieser anschließend zügig an den Gegner bekanntgegeben wird. Verzögert sich die Bekanntgabe, so beginnt die Hemmung der Verjährung erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsgegner von dem Antrag Kenntnis erlangt.

Welche Schlichtungsstellen gibt es und wie findet man sie?

Schlichtungsstellen können sich als Verbraucherschlichtungsstellen staatlich anerkennen lassen. Hierzu müssen sie bestimmte Anforderungen an Fachwissen, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Transparenz sowie an den Ablauf des Streitbeilegungsverfahrens erfüllen. Einzelheiten sind im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz geregelt. Informationen zu anerkannten Schlichtungsstellen hat das Bundesamt der Justiz. Zudem sind sie hier aufgelistet vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ).

Welche Möglichkeiten der Verbraucherschlichtung gibt es, wenn der Vertrag online mit einem ausländischen Unternehmen geschlossen wurde?

Auch bei Verträgen, die über das Internet mit einem Unternehmen aus einem EU-Mitgliedsstaat geschlossen wurden, besteht die Möglichkeit der Verbraucherstreitschlichtung. Die EU-Kommission hat hierzu eine Onlineplattform geschaffen: Die Online Dispute Resolution. Diese Seite können Verbraucher aus der EU, Norwegen, Island und Liechtenstein nutzen, um mit Verbraucherschlichtungsstellen in ganz Europa Kontakt aufnehmen zu können oder auch mit dem Unternehmen direkt den Versuch einer außergerichtlichen Einigung zu unternehmen. Darüber hinaus kann man sich an das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ) wenden, welches die richtige Verbraucherschlichtungsstelle im Ausland vermittelt.

Wann ist eine Verbraucherschlichtung nicht möglich?

Ein Verbraucherschlichtungsverfahren kann nicht durchgeführt werden, wenn folgende Hinderungsgründe vorliegen:

  • Das Unternehmen wurde nicht mit dem streitigen Anspruch konfrontiert und nicht zum Abstellen desselben aufgefordert.
  • Verbraucher und Unternehmen haben sich in der Angelegenheit schon einmal außerge­richt­lich geeinigt.
  • Der Konflikt wird gerade vor Gericht verhandelt.
  • Eine gericht­liche Entscheidung liegt bereits vor.
  • Die Staats­anwalt­schaft ermittelt in dem Fall.
  • Der Anspruch ist verjährt.

Weitere Informationen zum Thema und eine Übersicht zu den branchenspezifischen Verbraucherschlichtungsstellen finden sich in der Broschüre "Verbraucherschlichtung – ein Leitfaden", herausgegeben vom "Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Verbraucherschlichtung".

Welche Qualifikation müssen die bei Schlichtungs-/Schiedsstellen tätigen Streitmittler (Schlichter, Ombudsleute) haben?

Die Schlichter (das Gesetz spricht von "Streitmittlern") müssen entweder zum Richteramt befähigt, also Juristen sein, oder zertifizierte Mediatoren (§ 6 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz - VSBG). Sie müssen über die Rechtskenntnisse, insbesondere im Verbraucherrecht, und das Fachwissen und die Fähigkeiten verfügen, die für die Beilegung von Streitigkeiten in der Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstelle erforderlich sind. Oft sind die Schlichter (manchmal auch Ombudsmann/-frau genannt) hochqualifizierte Juristen, wie etwa ehemalige hochrangige Richter. Sie werden auf bestimmte Zeit bestellt. Die Schlichter/Ombudsleute sind unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Sie dürfen nicht etwa deshalb vorzeitig entlassen werden, weil sie für ein Unternehmen ungünstig entschieden haben. Die Verbraucher können also von jeder Schlichtungsstelle neutrale und fachkundige Hilfe und eine unparteiische Entscheidung erwarten.

Weitere hilfreiche Links zum Thema Verbraucherstreitbeilegung:

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 24. November 2022 | 17:00 Uhr

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