Ein Akten-Sammelraum voll mit Aktenordnern.
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Programmschwerpunkt Was passiert mit den Treuhandakten?

21. August 2021, 05:00 Uhr

Die Treuhand-Debatte ist aufgeheizt wie lange nicht: Linken-Politiker Dietmar Bartsch spricht vom "Treuhand-Trauma" und fordert einen U-Ausschuss. Der Ost-Beauftragte Christian Hirte sieht die Ursache für die ostdeutschen Transformationsprobleme dagegen in der Zeit vor 1989. Die historische Aufarbeitung des Themas läuft gerade erst wieder an. Vor diesem Hintergrund hat sich der MDR intensiv mit dem Treuhand-Erbe auseinandergesetzt und ein umfangreiches Datenprojekt initiiert.

30 Jahre nach ihrer Gründung wird über die Treuhandanstalt wieder heiß diskutiert. Vor allem nach den jüngsten Wahlergebnissen wird nach Ursachen für die ökonomische und soziale Lage in Ostdeutschland gesucht – und die Treuhand als Schuldige (wieder-)entdeckt. Sie ist mit Skandalen verbunden, die teilweise bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind. Dieses Erinnerungsbild präge die politische Kultur Ostdeutschlands bis heute, wie Bochumer Wissenschaftler herausgefunden haben wollen.

Besetzung der Treuhand Niederlassung in Suhl, Thüringen, Demonstration in Suhl, aufgenommen am 01.07.1991.
Schon 1991 war die Treuhand umstritten - Demonstranten vor der Niederlassung in Suhl. Bildrechte: imago/fossiphoto

Fast sechzig Kilometer Akten in vier Jahren

Der schwierige Umgang mit der Treuhandanstalt ist auch geprägt von der komplizierten Quellenlage. Allein der Berg von Akten, den die Treuhand in den vier Jahren ihrer Existenz hinterließ, ist einer der größten und chaotischsten, den es in Deutschland je gab. Die Treuhandanstalt häufte einen unsortierten Berg von 45 Regalkilometern an, hinzukommen elf Kilometer der Bodenverwertungsgesellschaft BVVG und 2,5 Kilometer aus der Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben. Lagerung und Verwaltung überließ man im Laufe der Jahre verschiedenen Privatunternehmen. Abgesehen von der üblichen 30-jährigen Schutzfrist waren die Akten also auch technisch lange Zeit kaum benutzbar.

Was den Aktenberg angeht, ist der der Treuhand im Vergleich sogar größer als der des Deutschen Reichs oder der DDR. Im Bundesarchiv sind 43 Kilometer vom Deutschen Reich bis 1945 erhalten und 56 Kilometer aus DDR-Zeiten. Immerhin 193 Kilometer sind es bezüglich der Bundesrepublik Deutschland seit 1945, also aus einem Zeitraum von 75 Jahren. Der Großteil der 58,5 Regalkilometer Treuhand-Akten wurde in gerade einmal vier Jahren angelegt. Eine Besonderheit sind die Stasi-Akten, die wie auch die Treuhand-Akten, ans Bundesarchiv gehen werden. Sie kommen allein auf 111 Kilometer und sind fast vollständig zugänglich.

Akten werden im Bundesarchiv aufbereitet

Seit 2007 nimmt das Bundesarchiv die 45 Kilometer Treuhand-Akten entgegen und entscheidet, was von dem unsortierten Aktenberg archivwürdig ist und was nicht. Der Rest, zum Beispiel Kopien, wird kassiert bzw. vernichtet. Momentan geht man davon aus, dass 12 Kilometer, also etwa 170.000 Akten erhalten bleiben werden. Das sei weit mehr als in solchen Fällen für Bundesbehörden üblich.

Größtes Forschungsprojekt gestartet

Für die Aufbereitung, den Zugang und die historische Aufarbeitung haben sich in der Vergangenheit zahlreiche Historiker und Politiker stark gemacht. Das Bundesfinanzministerium finanziert seit 2018 das derzeit größte Forschungsvorhaben zur Geschichte der Treuhandanstalt, umgesetzt durch das Institut für Zeitgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv. Der Bochumer Treuhandforscher Constantin Goschler kritisierte diesen exklusiven Auftrag, da das Ministerium einer der politischen Hauptakteure bei der Privatisierung gewesen sei. Auch in der Wissenschaft gibt es also eine intensive Auseinandersetzung über die Deutungshoheit.

Berliner Treuhandanstalt im ehemaligen Haus der Ministerien in der Leipziger Straße, 1991
14. Mai 1991: Die Berliner Treuhandanstalt im ehemaligen Haus der Ministerien in der Leipziger Straße. Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus Franke

MDR-Datenprojekt: Die Treuhand - die Folgen

Der MDR wird sich in den kommenden Monaten intensiv mit dem schwierigen Erbe der Treuhandanstalt auseinandersetzen und ein Datenprojekt anstoßen. Dafür werden zahlreiche Akten digital ausgewertet: 230.000 Seiten Protokolle aus Vorstandssitzungen und 35.000 Seiten Protokolle aus Verwaltungsratssitzungen, 113.000 Seiten Papier aus dem Leitungsausschuss, sowie weiteren Protokollen. Das Ziel: Es soll ein detailliertes Bild über die folgenreichen Entscheidungen der Treuhand und deren Wirkungen bis heute entstehen. Sind die Prozesse der 1990er-Jahre tatsächlich der Schlüssel, um den Osten Deutschlands im heute zu verstehen? Und: Was machen die Akteure von einst?


Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Wem gehört der Osten? | 10.06.2019 | 22:00 Uhr

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