Protest Polen: Tausende gehen für Sexualaufklärung auf die Straße

17. Oktober 2019, 16:32 Uhr

Tausende Polen haben gegen ein Gesetzesvorhaben protestiert, das Sexualaufklärung an Schulen mit bis zu drei Jahre Haft bestrafen soll. Auf einer Demonstration in Warschau machten die Menschen am Mittwochabend ihrem Unmut Luft. Auch in Krakau, Posen, Danzig und Stettin wurde demonstriert, sogar in London gingen Auslandspolen auf die Straße.

Mit dem neuen Gesetz soll bestraft werden, wer dafür wirbt, dass "Minderjährige Geschlechtsverkehr oder andere sexuelle Aktivitäten aufnehmen". Es zielt etwa auf Nichtregierungsorganisationen (NGO), die zusätzlichen Sexualkunde-Unterricht an Schulen anbieten, weil die reguläre Aufklärung an Schulen ihrer Meinung nach unzureichend ist. Die Abgeordnete der oppositionellen Bürgerkoalition, Joanna Scheuring-Wielgus, bezeichnete das Gesetzesvorhaben als "absurd".

Sexualaufklärung ist keine Demoralisierung. Demoralisierend ist vielmehr, wenn man jungen Menschen Informationen über ihren Körper, Sexualität, Liebe und Emotionen vorenthält.

Joanna Scheuring-Wielgus, Abgeordnete der Bürgerkoalition

Prominenten Zuspruch bekamen die Demonstrierenden außerdem von dem Model Anna Rubik. Sie protestierte ebenfalls vor dem Sejm.

Abtreibungsgegner brachten Entwurf auf den Weg

Sexualkunde heißt an polnischen Schulen "Erziehung zum Leben in der Familie". Die Themen im Unterricht sind breit gefächert, von Verhütung bis hin zum familiären Zusammenleben. Damit NGOs hier nicht mehr mit allzu liberalen Vorstellungen mitmischen, sieht der Gesetzentwurf strenge Strafen vor – von bis zu drei Jahren Haft.

Initiiert wurde die geplante Rechtsänderung durch ein Bündnis von Abtreibungsgegnern, das sich den "Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Verdorbenheit" auf die Fahnen geschrieben hat. Unterstützt werden die Reformpläne von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Nach den Parlamentswahlen in Polen befasst sich derzeit noch der alte Sejm mit dem Gesetz.

Wie geht es weiter?

Weitere Protestaktionen sollen in den kommenden Tagen folgen. Die landesweiten Proteste gegen das Gesetz werden von derselben Initiative organisiert, die früher hinter den "Schwarzen Märschen" stand. Dabei gingen Frauen landesweit gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts auf die Straße.

Ob der Gesetzesentwurf wirklich umgesetzt werden kann, bleibt fraglich. Dem alten Sejm bleiben nur noch wenige Tage – und normalerweise werden Gesetzentwürfe, die ein Parlament nicht zu einem Ende bringen kann, verworfen. Für Gesetzesvorhaben von Bürgerinitiativen gibt es jedoch Ausnahmen. Sie können von dem neuen Parlament weiterbearbeitet werden. Dieses muss spätestens bis zum 12. November zusammentreten. Ein genauer Termin ist noch nicht festgelegt.

(MDR, dpa, sb)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. Oktober 2019 | 07:15 Uhr

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