Ein mobiler Grosskran, Autokran, hebt ein Rotorblatt zum Maschinenhaus auf den Turm.
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Bundesverfassungsgericht Verbot von Windrädern in Thüringer Wäldern ist verfassungswidrig

10. November 2022, 19:00 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot von Windkraftanlagen in Thüringer Wäldern für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Damit gab das Gericht einer Klage von Waldbesitzern statt, die Windräder errichten wollen. Ein Teil des Thüringer Waldgesetzes ist damit außer Kraft gesetzt.

Das Thüringer Waldgesetz ist in Teilen verfassungswidrig. Bundesländer könnten Windräder im Wald nicht generell verbieten, hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag in Karlsruhe veröffentlichten Urteil entschieden. Die Gesetzgebungskompetenz liege hier nicht beim Land, sondern beim Bund, erklärte das Gericht am Donnerstag in Karlsruhe. Der Eingriff in das Eigentumsrecht der Waldeigentümer sei darum nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung der Karlsruher Richter setzt einen Passus im Thüringer Waldgesetz, der den Bau von Windkraftanlagen im Forst im Freistaat verbietet, außer Kraft.

Mitspracherecht der Länder nur bei Abstand

Der Bau von Windkraftanlagen ist im Bundesbaugesetz geregelt. Den Ländern wurde dort lediglich eingeräumt, einen Mindestabstand von einem Kilometer zu Wohngebieten festzulegen. Für ein generelles Verbot bestehe daher kein Spielraum, so das Verfassungsgericht. Mit der Entscheidung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts der Verfassungsbeschwerde von neun Waldeigentümern Recht gegeben, die das Verbot als ungerechtfertigten Eingriff in ihr Privateigentum angesehen hatten.

Die Bäume auf den Grundstücken der Kläger waren teilweise von Schädlingen befallen gewesen und gefällt worden. Auf den frei gewordenen Flächen sollten Windkraftanlagen errichtet werden, was das aktuelle Thüringer Waldgesetz aber nicht zuließ. Einer Neuregelung von 2020 zufolge war die Änderung der Nutzungsart von Waldflächen zur Errichtung von Windkraftanlagen nicht erlaubt. Der Landtag in Erfurt hatte damals einem entsprechenden Vorschlag von CDU und FDP zugestimmt.

Bund macht Druck mit Bundesgesetz zu Windkraft

Neben Thüringen haben auch andere Bundesländer die Nutzung des Waldes für Windkraftanlagen untersagt. Sie müssen jetzt ihr Gesetz überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Außerdem hat der Bund in diesem Jahr das "Wind-an-Land-Gesetz" verabschiedet. Danach müssen die Bundesländer bis Ende 2032 zwei Prozent ihrer Fläche für die Windenergie reservieren. Derzeit sind es weniger als ein Prozent. Das Gesetz, das Wälder nicht ausspart, tritt im Februar 2023 in Kraft.

So reagieren Thüringer Politiker auf das Urteil

Noch am Dienstag hatten sich die CDU und die AfD in Thüringen erneut ablehnend zu Windräder im Wald geäußert. Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) begrüßte am Donnerstag hingegen das Urteil. Damit werde endlich eine Blockade gelöst, die das Land bei der Energiewende unnötig aufgehalten habe. Nun müsse schnellstmöglich das Waldgesetz geändert werden. Die CDU habe sich mit ihrem Pauschalverbot für Windenergie im Wald in der destruktiven Ecke verschanzt, so die Ministerin.

Ramelow sieht Chancen für Waldbesitzer

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat erleichtert auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert. Dass das Gericht das Verbot von Windkraft auf Thüringer Waldflächen gekippt habe, bedeute jetzt aber keinen zügellosen Ausbau von Windkraftanlagen in Wäldern, sagte Ramelow MDR THÜRINGEN. Aber die neue rechtliche Lage biete Waldbesitzern Möglichkeiten, auf Kahlschlag- oder Kahlfraß-Flächen mit Windkraftanlagen Geld zu verdienen, um anderswo wieder Wald aufzuforsten.

Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Laura Wahl, sprach von einem, so wörtlich, großen Tag für erneuerbare Energie in Thüringen. Bürger könnten sich aber darauf verlassen, dass bei der Planung von Windkraftanlagen dem Naturschutz besondere Beachtung geschenkt werde.

CDU und FDP weiter gegen neue Windräder im Wald

CDU-Fraktionschef Mario Voigt kündigte an, dass sich seine Partei besonders dafür einsetzen werde, Windkraftanlagen nur dort zu bauen, wo sie auch akzeptabel seien. Thomas Gottweiss, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, ergänzte auf Twitter: "Die formelle Zuordnung von Windkraftregelungen zum Bodenrecht ändert nichts an unserer Verpflichtung die Natur im Wald zu schützen - auch vor Windkraft."

FDP-Chef Thomas Kemmerich sagte dem MDR, die Liberalen würden sich jetzt für eine Neuauflage des Windkraftverbots im Wald einsetzen.

Naturschützer wollen keine Windräder in schützenswerten Wäldern

Windräder sollen nach Ansicht Thüringer Naturschützer nicht in allen Wäldern errichtet werden dürfen. So fordert etwa der NABU-Landesverband, naturnahe Wälder, alte Laub- oder geschützte Wälder nicht für solche Anlagen freizugeben. Der NABU-Landesvorsitzende Martin Schmidt sagte MDR THÜRINGEN , ein generelles Verbot von Windkraftanlagen in Wäldern sei aber nicht zielführend. Der Ausbau von Windenergie müsse naturverträglich gestaltet werden. Das gehe nur mit langfristigen, rechtsicheren Plänen.

Baumkronenpfad im Herbstwald im Nationalpark Hainich
Der Baumkronenpfad im Nationalpark Hainich. Bildrechte: imago/imagebroker

Der Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen, Sebastian König, sagte MDR TÜRINGEN, seiner Meinung nach funktioniere Windkraft nicht vollständig ohne Waldgebiete. Vorsicht und Bedacht seien aber wichtig. Windräder im Wald sollten sehr sorgfältig geprüfte Einzelfälle bleiben. Außerdem sollten Windräder in keinem Fall in "wertvollen Bereichen" wie Naturschutzgebieten gebaut werden. Stattdessen eignen sich laut Sebastian König Gebiete für Windkraft, die bereits stark vom Borkenkäfer betroffenen sind.

Auch Kirchenwald offen für Windräder

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Wie Diethard Brandt, Referatsleiter Grundstücke im Landeskirchenamt der EKM, MDR THÜRINGEN sagte, stehe die evangelische Kirche seit mehreren Jahren Windrädern im Wald positiv gegenüber und sehe sich mit dem Gerichtsurteil darin bestätigt.

Kirchengemeinden und Pfarrwaldverwaltungen werde nun empfohlen, Anfragen zu einzelnen Planungen anzunehmen, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprächen. Konkrete Planungen gibt es laut EKM derzeit nicht, bisher mussten Anfragen von Unternehmen wegen des Verbots abgelehnt werden.

Im Bereich der EKM, die hauptsächlich das Gebiet der Bundesländer Thüringen und Sachsen-Anhalt umfasst, gibt es nach eigenen Angaben etwa 13.000 Hektar Kirchenwald. In Thüringen sind es etwa 6.200 Hektar, in Sachsen-Anhalt etwa 4.800 Hektar. Die restlichen Waldflächen liegen in den Ländern Brandenburg und Sachsen.

MDR (dst),afp,rtr

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 10. November 2022 | 10:00 Uhr

283 Kommentare

Berggeist am 22.11.2022

Sie beschreiben hier das grundsätzliche Problem der aktuellen Wind- und Sonnenergieerzeuger. Die werden nicht grundlos abgeschaltet, das sind Märchen der Windparkbetreiber.

martin am 14.11.2022

Um Ihrer lockenden Assoziation zu widersprechen. Nach meinem Verständnis Ihres Beitrags versuchen Sie (getarnt als Sachinformation) zu unterstellen, dass die Aktivisten dies aus monetären Erwägungen machen.

Sie verkennen m.E. dabei (bewusst oder unbewusst), dass man sich durchaus wegen einer Sache engagieren kann und trotzdem Geld für den Lebensunterhalt benötigt. Und wenn es dann Menschen gibt, die dieses Dilemma mit ihrem Geld lösen - was ist daran auszusetzen?

Wenn Sie sich den von Ihnen herangezogenen Beitrag komplett anschauen, würden Sie erkennen, dass genau dies in dem Beitrag thematisiert wird.

Aus meiner Sicht ist Ihr Beitrag mithin nichts Anderes als ein aus dem Zusammenhang gerissener Aspekt, der die von Ihnen propagierte Weltanschauung stützen soll, indem er versucht die Aktivisten zu diskreditieren.

Goldloeckchen am 14.11.2022

„Sie sind aus rein ideologischen Gründen gegen Windräder egal wo. “

Was verstehen sie an der Aussage von mir nicht das es genügend andere Flächen gibt🤔

👍☝️😉

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