Zwei Männer stehen in einem Arztzimmer.
Bürgermeister Gerald Slotosch (r.) schlägt wegen des fehlenden Arztes Alarm. Bildrechte: MDR/Adi Rückewold

Ärztemangel Ruhla sucht einen Hausarzt - schon wieder

03. August 2023, 15:32 Uhr

Ruhla braucht dringend einen neuen Hausarzt. Von vier Medizinern bleiben bald nur noch zwei. Dabei ist die Kleinstadt im Wartburgkreis überaltert, viele Einwohner stehen kurz vor der Rente.

Wo sonst Patienten auf einen Termin warten, stehen vor dem Tresen Umzugskartons. Die Arztpraxis im Ruhlaer Rathaus ist bis auf die Möbel leergeräumt. Seit Juni gibt es in Ruhla plus den Ortsteilen nur noch drei Ärzte.

Einer davon, so Bürgermeister Gerald Slotosch, wird bald 70 Jahre. Wenn der aufhört, sind es nur noch zwei Mediziner für 5.300 Einwohner. Der letzte Hausarzt aus dem medizinischen Versorgungszentrum im Rathaus hat sich ein paar Kilometer weiter, in Wutha-Farnroda, niedergelassen.

Zwei Männer stehen in einem Flur voller Umzugskatons.
Sollte sich ein Arzt in Ruhla niederlassen wollen, werde das Eisenacher Klinikum die Praxisräume übergeben, sagt Geschäftsführer Tomas Breidenbach (r.). Bildrechte: MDR/Adi Rückewold

Ärzte bleiben nicht in Ruhla

Damit ging das Problem für Ruhla wieder von vorne los. Seit zehn Jahren wechseln die Ärzte im medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) im Rathaus immer wieder. Nur knapp ein Jahr war der bislang letzte Arzt geblieben. Im April 2022 hatte er die Praxis, die vom Sankt Georg Klinikum Eisenach betrieben wird, übernommen. Davor stand sie anderthalb Jahre leer.

"Ein neuer Arzt kann sofort anfangen und hat keine Probleme, medizinisches Personal zu finden", sagt Klinik-Geschäftsführer Tomas Breidenbach. Sollte sich jemand in Ruhla niederlassen wollen, werde das Eisenacher Klinikum die Praxisräume sofort übergeben. Hauptsache, es gebe eine medizinische Versorgung, so Breidenbach.

Den ständigen Arztwechsel in Ruhla erklärt der Geschäftsführer mit mangelnder "Work-Life-Balance": "In der Regel ziehen angestellte Mediziner nicht in den Ort ihrer Arbeit. Bekommen sie zu Hause ein neues Angebot, wechseln sie wieder. Bei niedergelassenen Ärzten ist das anders, die bleiben."

Älteste Bevölkerung im Wartburgkreis

"Und die ist für die Kernstadt dringend nötig", sagt Ruhlas Bürgermeister Gerald Slotosch (parteilos) und schlägt Alarm: In fünf Jahren liege der Anteil der Rentner an der Bevölkerung in Ruhla bei 35 Prozent - und nicht nur sie werden medizinische Versorgung ohne lange Wege brauchen. Laut Sozialbericht ist Ruhla die Stadt mit der ältesten Bevölkerung im Wartburgkreis. Dabei biete die Region alles für Familien, gibt sich Slotosch überzeugt - nur zu wenig Ärzte.

In einem Raum stehen mehrere leere Stühel.
In der leer stehenden Praxis gibt es drei Ärztezimmer und zwei Wartezimmer. Bildrechte: MDR/Adi Rückewold

Praxis in bester Lage

Die leer stehende Praxis hat drei Ärztezimmer, zwei Wartezimmer und vor der Haustür 70 Parkplätze und zwei Bushaltestellen. Die freie Stelle des MVZ ist laut Geschäftsführer Breidenbach seit Februar ausgeschrieben. Doch niemand habe sich bisher beworben. Die Chance, jemanden zu finden, sei nicht groß. Doch Ruhla hofft weiter.

Eine leere Rezeption in einer Praxis.
Die leer stehende Praxis in Ruhla hat drei Ärztezimmer und zwei Wartezimmer Bildrechte: MDR/Adi Rückewold

Hinweis der Redaktion: Wir hatten zunächst berichtet, dass es nach dem Weggang aus dem MVZ künftig keinen Arzt mehr in Ruhla gibt. Dies ist nicht richtig, wir haben den Beitrag korrigiert.

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MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 03. August 2023 | 18:00 Uhr

11 Kommentare

Huxley vor 41 Wochen

@Erichs Rache
Was hat ihre pauschale Jammerei bitte mit der Hausarztsituation in dieser Stadt zu tun, noch dazu, wenn es sich nicht um ein ostdeutsches, sondern ein Phänomen in allen Industriestaaten handelt. Die deutsche Geburtenziffer liegt mit 1,58 (Kindern je Frau) sogar noch über der der EU mit 1,53. Eine 2 als Geburtenziffer suchen sie in der EU vergeblich.

Wenn in einer Stadt auf Dauer kein Allgemeinmediziner gefunden werden kann, dann muss man sich mal überlegen was da in der Region falsch läuft. Sonderlich attraktiv wird das Angebot für junge Familien ja kaum sein, wenn 1/3 der Bevölkerung aus Rentnern besteht. Sie und ihre Partei leugnen ja immer gerne die Folgen für die Alters- und Bevölkerungsstruktur in Ostdeutschland, die sich schlicht und ergreifend aus der Demografie ergeben. Irgendwann ist eine Region halt nicht mehr attraktiv, wenn überwiegend alte Menschen nur noch in Ruhe und ohne Veränderung vor sich hin leben wollen.

Simone vor 41 Wochen

Tja, sonderlich attraktiv scheint diese Stelle nicht zu sein, wenn es kein Arzt lange auf der Stelle aushält. Da bereits mehrer Ärzte das Handtuch geschmissen haben scheint es wohl an der Stelle oder dem Klientel vor Ort zu liegen.
Vielleicht sollte man sich da einfach mal selbst kritisch hinterfragen.

Ist vielleicht nicht sonderlich attraktiv in diesem "Rentnerparadies" in dem vermutlich wohl auch die Alten den Ton angeben.

Der Erfurter Bub vor 41 Wochen

2020 Bürgermeister Dr. Slotosch
"Sicher zählt bei der Absicherung der medizinischen Versorgung hier wie da ein ganzer Komplex an Faktoren. Dabei geht es nicht nur um die Finanzierung und die Trägerschaft. Auch beim ärztlichen Personal geht es um Fragen nach dem Lohn und den medizin-technischen Möglichkeiten sowie dem Arbeitsumfeld. Nicht zuletzt aber spielen bei der Entscheidung zum Ort der Arbeit auch für jeden Arzt oder jede Ärztin die Vorzüge der Kommune mit ihrer Lebensqualität und die Akzeptanz in der Bevölkerung eine Rolle. Da haben wir alle noch zu lernen, unsere Stadt im richtigen Licht zu sehen, Bewährtes zu bewahren, Überkommenes zu verändern und das Richtige zu tun, Falsches abzulegen, aufrichtig und sachlich in unseren Worten und in unseren Taten zu sein."
Ganz unschuldig an der Misere scheinen die Ruhlaer Bürger nicht zu sein.

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