Schaufenster eines Buchladens
Um diese Aufkleber auf den Schaufenstern geht es: Die Buchhändlerin Claudia Stapp soll sie laut Werbesatzung entfernen und durch einfarbige graue Folien ersetzen. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Marketing Ärger um Schaufenster-Werbung: Erfurter Händlerin fühlt sich von Stadt gegängelt

15. Juli 2023, 09:22 Uhr

Zwei Schilder oder nur eins? Wie groß dürfen Aufkleber auf Schaufenstern in der Erfurter Innenstadt sein? Und welche Farbe ist für die Beleuchtung erlaubt? Händler müssen sich in Sachen Werbung an viele Vorgaben halten. Das hat schon häufig zu Konflikten geführt. Denn die Vorgaben der Stadt sind für die Händler nicht immer nachvollziehbar. Wir haben eine Buchhändlerin besucht.

Die Marktstraße ist eine der prominentesten Straße in Erfurt. Auf dem Weg vom Rathaus zum Domplatz kommen täglich viele Touristen vorbei. Seit zwölf Jahren hat Claudia Stapp hier ihren Buchladen "Buch Stapp". Vor dem Geschäft stehen Aufsteller mit Postkarten, aber auch eine Bücherauslage zum Stöbern.

Der Laden befindet sich in einem Eckgebäude, hat viele Fenster. Zwei Schaufenster sind mit einer blickdichten Folie beklebt. Diese sind ein Sichtschutz für den dahinter liegenden Kassenbereich, aber auch ein Sonnenschutz für die Mitarbeiter hinter der Kasse. Die Folien wechselt Claudia Stapp zweimal im Jahr - auf dem aktuellen Aufkleber wird der Roman "Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin beworben. Seit Stapp ihre Buchhandlung 2011 eröffnet hat, hat sich niemand an den Folien gestört - bis jetzt.

Eine Frau steht vor einem Bücherregal
Claudia Stapp betreibt seit zwölf Jahren eine Buchhandlung in der Erfurter Marktstraße. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Warum nach zwölf Jahren? Hohes Bußgeld für Schaufenster-Aufkleber

Im Mai dieses Jahres flatterte bei Claudia Stapp ein Brief vom Erfurter Bauamt ins Haus. Der Inhalt: Die Aufkleber an den beiden Schaufenstern müssen entfernt werden. Der Grund: Laut Werbesatzung dürfen nur 20 Prozent beziehungsweise maximal ein Quadratmeter pro Schaufenster beklebt sein. Stapp wandte sich ans Bauamt und erklärte, dass die Folien nicht nur eine Werbe-, sondern auch eine Sichtschutzfunktion haben.

Soll Erfurt wirklich so grau werden?

Claudia Stapp Buchhändlerin

Außerdem reichte sie alternative Entwürfe für neue Folien ein: auf einer ein historisches Bücherregal, zwei andere Vorschläge einfarbig mit der Aufschrift "Buch Stapp". Doch es führte kein Weg hinein: Das Bauamt will nur das Bekleben genehmigen, wenn die Folie einfarbig grau ist - ohne jeglichen Aufdruck. Ansonsten stünde Claudia Stapp ein Bußgeld im mittleren vierstelligen Bereich bevor. Eine Frage geht der Händlerin nicht aus dem Kopf: Warum jetzt diese Forderung? Nach zwölf Jahren?

Illustration auf einem Computermonitor
Das ist der erste Entwurf für eine Folie als Alternativvorschlag, den Claudia Stapp an das Erfurter Bauamt schickte. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Stadt Erfurt will Händler nicht vergraulen

"Es geraten immer wieder bestimmte Bereiche und Straßen in der Stadt in den Fokus - aus unterschiedlichen Gründen", erklärt Tobias Knoblich, Dezernent für Kultur und Stadtentwicklung in Erfurt - und damit auch für Werbung in der Innenstadt zuständig. "Und dann kommt es dazu, dass scheinbar plötzlich mehrere Händler Post vom Bauamt bekommen", sagt er. Diesmal habe es das Gebiet um die Marktstraße getroffen. Aber keineswegs wolle man Händler vergraulen: "Wir wollen damit nicht verärgern. Manchmal kommt es zum falschen Zeitpunkt, aber wir gehen auch auf die Händler zu, soweit das möglich ist", sagt Knoblich.

Der Hauptgrund, warum Touristen nach Erfurt kommen, ist die Altstadt und nicht die bunten Ballons vor den Läden.

Tobias Knoblich Dezernent für Kultur und Stadtentwicklung

Doch er verteidigt auch die Werbesatzung. "Das ist einfach ein rechtssicheres Mittel und ein Instrument, mit dem wir in den vergangenen Jahren auch eine gewisse Ästhetik hergestellt haben", so der Dezernent. Insbesondere für die historische Altstadt sei das Gesamt-Erscheinungsbild aus Häusern, Fassaden und eben auch Geschäften wichtig. "Der Hauptgrund, warum Touristen nach Erfurt kommen, ist die Altstadt und nicht die bunten Ballons vor den Läden", sagt Tobias Knoblich.

Illustration auf einem Computermonitor
Der zweite Entwurf für eine Folie als Alternativvorschlag, den Claudia Stapp an das Erfurter Bauamt schickte. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Kleiner Hoffnungsschimmer: Neue Werbesatzung in Arbeit

Ein kleiner Hoffnungsschimmer zeichnet sich für Claudia Stapp ab: Die Werbesatzung wird derzeit überarbeitet - und diesmal sollen neben Citymanagement und Industrie- und Handelskammer auch die Händler einbezogen werden. "Die alte Satzung hat das Bauamt alleine gemacht und die wissen nicht, was sie damit bewirken, wenn sie uns zum Beispiel die Farbe für die Beleuchtung vorgeben: Wir verlieren damit Firmen!", erklärt Stapp. Die Firmen würden ein gewisses Design und Konzept vorgeben, das einzelne Geschäfte dann nicht wegen städtischer Vorgaben unterlaufen könnten, so Stapp. "Die geben ihre Standorte in Erfurt dann einfach auf", befürchtet die Buchhändlerin.

Illustration auf einem Computermonitor
Und ein dritter Entwurf für eine Folie als nochmaliger Alternativvorschlag an das Erfurter Bauamt. Alle drei Entwürfe wurden abgelehnt. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Sie selbst sei zu Kompromissen bereit, wie die alternativen Entwürfe für die Schaufensterbeklebung zeigen würden. Doch Altstadt-Bild hin oder her: "Soll Erfurt wirklich so grau werden?", fragt sich Stapp mit Blick auf die grauen Schaufensterfolien, die die Stadt ihr vorgibt. Noch gibt sie nicht auf und wehrt sich gegen die Vorgaben für das Bekleben. Und vielleicht kann Stapp ihre alternativen Vorschläge noch durchboxen - mit der neuen Werbesatzung.

MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 15. Juli 2023 | 18:00 Uhr

17 Kommentare

Freies Moria vor 43 Wochen

@camper21: Und die Kommunen sind Teil der staatlichen Ordnung. Ganz offensichtlich sogar noch Teil der funktionierenden Ordnung.
In Berlin gibt es dagegen rosa Rechtecke für Drogendealer, nur so als Gegenbeispiel.

martin vor 43 Wochen

Welcher Tourist muss denn bitte schön die Ortssatzungen in D studieren? Derartige Regelungen sind ja wohl - bis auf wenige Ausnahmen - für die Bewohner.

Und was in Ahlbeck galt, galt in der Theorie auch in Zwickau. Stimmt. In der Praxis gab es dann doch - aber das ist ein anderes Thema. Aber nach Ihrer Argumentation müsste die DDR ja ein extrem innovativer Staat gewesen sein. Trügt mich meine Erinnerung oder ist Ihre These falsch?

martin vor 43 Wochen

Nun, ich finde es nicht schlecht, wenn die Menschen vor Ort die Dinge regeln, die sie vor Ort betreffen. Bei allen Auswüchsen, die unser Föderalismus sicher auch hat, finde ich ihn immer noch besser als einen zentralistischen Staat, wie z.B. Frankreich.

Und wie bereits geschrieben: Ich halte es für richtig, wenn sich die Verwaltungen an die geltenden Regeln halten. Und wenn Regeln überholt oder aus anderen Gründen verbesserungsbedürftig erscheinen, soll der Stadtrat eine bessere beschließen.

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