Szene aus einer Videoinstallation, die sich mit dem Anschlag auf die Synagohe in Halle beschäftigt: eine Frau guckt traurig nach unten
"Klagegedicht" ist eine Videoinstallation der US-amerikanischen Künstlerin Talya Feldman. Darin setzt sie sich mit dem Anschlag auf den Kiezdöner und die Synagoge in Halle auseinander, den sie selbst überlebte. Bildrechte: Talya Feldman

Ort des Gedenkens und Erinnerns Videoinstallation in Erfurt thematisiert Anschlag in Halle

22. September 2023, 08:09 Uhr

Zum vierten Jahrestag des Anschlags in Halle am 09. Oktober zeigt die Galerie Waidspeicher in Erfurt aktuell eine besondere Ausstellung: "Klagegedicht" ist eine Videoinstallation der US-amerikanischen Künstlerin Talya Feldman. Darin setzt sie sich mit dem Anschlag auf den Kiezdöner und die Synagoge in Halle auseinander, den sie selbst überlebt hat. Die Arbeit verbindet eine Tanz-Performance mit Texten der Überlebenden. So soll ein Ort des Erinnerns entstehen.

Seit sie den Anschlag in Halle überlebt hat, widmet sich die US-amerikanische Künstlerin Talya Feldman in ihren Werken den Opfern rechter Gewalt. Die Galerie Waidspeicher in Erfurt zeigt ihre erste Videoarbeit "Klagegedicht" in besonderer Weise.

Dadurch soll auch ein Gedenkort entstehen. "Ich weiß nicht, warum ich am Leben bin", hallen die Stimmen durch den dunklen, 30 Meter langen Raum mit niedriger Holzdecke. An dessen Ende wird über die gesamte Wand ein Video mit Untertiteln in Dauerschleife projiziert: Die Choreografin Tirza Ben-Zvi tanzt ausdrucksstark die Worte der Überlebenden des Anschlags von Halle.

Ort des Gedenkens und Erinnerns in Erfurt

Komplett und monothematisch widmet sich die Erfurter Galerie Waidspeicher dieses Mal einem Kunstwerk – "Klagegedicht", im Original "Elegy" (2020), der US-amerikanischen Künstlerin Talya Feldman. Kurator Philipp Schreiner wusste sofort, dass man für diese besondere Arbeit einen Raum schaffen muss. "Das ist generell als Ort des Gedenkens und als Ort des Erinnerns gedacht", sagte er MDR KULTUR. Deswegen sei auch das gesamte Obergeschoss für die Arbeit so konzipiert worden, "um dem Thema und der Arbeit und den Gefühlen, die damit verbunden sind und vielleicht auch durch diese Arbeit evoziert werden, so viel wie möglich Raum zu bieten."

Szene aus einer Videoinstallation, man sieht einen Ausschnitt einer sitzenden Frau
In ihrer Videoinstallation "Klagegedicht" geht es Talya Feldman nicht nur um den Anschlag in Halle. Bildrechte: Talya Feldman

Raum aus Tanz, Musik und Lyrik

Einen Raum wollte auch Talya Feldman mit ihrem Kunstwerk schaffen. Nicht einmal ein Jahr nach dem Anschlag, als der Prozess im Juli 2020 gegen den Rechtsextremisten beginnt, beginnt auch sie die Arbeit an "Elegy". Ihre Kunst greife vor allem in den Momenten, "wenn Sprache unsere Gefühle nicht mehr abbilden kann”, erklärt die 33-Jährige. "Wie schaffen wir einen Raum, in dem all das gehört, gesehen und übersetzt werden kann?”.

Sie hat diesen Raum in einem Dreiklang gefunden zwischen expressivem Tanz in der Tradition US-amerikanischer Choreografen wie Merce Cunningham und Martha Graham, melancholischer, monotoner Musik und dem Gedicht aus Zitaten.

Kunst über Anfeindungen

Dabei ging es ihr nicht nur um den Anschlag in Halle. "Elegy" entsteht zu Beginn der Corona-Pandemie, in einer Zeit, in der George Floyd getötet wird und sich weltweit Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt erheben.

Eine Frage, die ich mir bei meiner Arbeit stelle, ist: Wie können wir individuelle Erfahrungen mit kollektiven oder globalen Erfahrungen verknüpfen? Wie können wir Grenzen und Sprachen überwinden?

Talya Feldman, Medienkünstlerin

In ihrer Videoarbeit hat sie deshalb Verse von drei verschiedenen Menschen aus anderen Teilen der Welt einlesen lassen: ein Mann aus dem Nahen Osten, ein Schwarzer US-Amerikaner und eine Brasilianerin. "Sie alle haben ihre Art der Diskriminierung und Gewalt erfahren", erklärt die Künstlerin. "Und indem sie den Text lesen, bringen sie ihre eigenen Erfahrungen mit ein in die Worte der Überlebenden aus Halle."

Szene aus der Videoinstallation "Klagegedicht", man sieht den Arm einer Frau, die tanzt
Talya Feldmans Kunst greift vor allem in den Momenten der Sprachlosigkeit. Bildrechte: Talya Feldman

Ohnmacht, Wut und Stärke

"Es hat trotz allem eine gewisse Schönheit", betont Kurator Philipp Schreiner und fügt an: "Aber es ist eben eine bittersüße Schönheit, die Melancholie in sich trägt und trotzdem aber ganz viel Kraft."

Man blickt auf eine Videoinstallation in der Galerie Waidspeicher, auf dem Bildschirm ist eine Frau zu sehen, die die Hände vor das Gesicht schlägt.
In Erfurt wurde zusätzlich eine Sitzecke mit Büchern u.a. zu Rechtsextremismus in Thüringen eingerichtet. Bildrechte: Linda Schildbach

Begleitend zur Videoarbeit gibt es im Foyer der Galerie eine Sitzecke mit Büchern und Literatur zum Gerichtsprozess, aber auch rechtem Terror sowie Rechtsextremismus in Thüringen. In Zusammenarbeit mit der Kulturdirektion Erfurt wurde zudem erwirkt, dass die Ausstellung kostenlos ist. "Das ermöglicht eben auch das Wiederkommen und vielleicht nochmalige Ansehen und sich mit der Literatur vor Ort zu beschäftigen", so Schreiner.

Für Talya Feldman, die auch in der Bundeskunsthalle in Bonn ausstellt, ist es die erste Videoarbeit gewesen. "Klagelied" ist ein Werk, das unter die Haut geht und in Erfurt bis 10. November auf besondere Weise zu erleben ist.

Informationen zur Ausstellung:

 "Talya Feldman – Klagegedicht: 4 Jahre danach"
22. September bis 10. November 2023

Adresse:
Galerie Waidspeicher Erfurt im Kulturhof "Zum Güldenen Krönbacken"
Michaelisstraße 10
99084 Erfurt

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr

Der Eintritt für diese Ausstellung ist frei.

Redaktionelle Bearbeitung: JB

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. September 2023 | 13:10 Uhr

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