Ausgetrockeneter Fluss
In mehreren Dürresommern seit 2018 trockneten auch in Sachsen immer wieder Flüsse und Bäche aus. Seen schrumpften. Bildrechte: IMAGO / Andre März

Umweltpolitik Sachsens Gewässern geht es schlecht

25. Juli 2023, 20:25 Uhr

Nicht einmal sieben Prozent der Flüsse und Bäche in Sachsen sind in einem guten ökologischen Zustand. Trockenkeit, Verrohrung und Begradigung setzen den Gewässern zu. Dabei sollten die Gewässer schon 2015 laut EU in einem guten Zustand sein. Ab 2027 könnten Strafzahlungen drohen.

Staubig peitscht der Sand in die Höhe, als sich der Bagger tief in das karge Feld gräbt – mitten auf einem Acker nördlich von Treptitz nahe Oschatz. Kaum vorstellbar, dass unter dem sandigen Boden eigentlich ein Bach fließt, der jetzt mit schwerem Gerät wieder freigelegt werden soll. Im Laufe des letzten Jahrhunderts sei die Tauschke begradigt und mit Rohren unter die Erde gelegt worden, um Ackerfläche zu gewinnen, erklärt Andreas Kuhne, Flussmeister bei der Landestalsperrenverwaltung Sachsen. Ziel war es, das Wasser schnell abzuleiten. Nicht nur in trockenen Sommern wie diesem ist das ein Problem.

Ein Bagger gräbt eine Grube.
Statt Rinnsal wird die Tauschke bald zu einem Bach mit bis zu sieben Metern Breite anwachsen. Sträucher, Bäume und Wiesen am Ufer sollen die Artenvielfalt stärken. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Es gibt keinen Einfluss von Sonnenlicht, von Wind. Es gibt keinen zusätzlichen Sauerstoffeintrag. Biologische Prozesse können nicht so ablaufen. Die Gewässer sind unzugänglich für Fische, Lurche, und alle möglichen Uferlebewesen.

Andreas Kuhne Flussmeister Landestalsperrenverwaltung Sachsen

Nur 6,6 Prozent der Fließgewässer in gutem ökologischen Zustand

Eingemauerte und verrohrte Flüsse sind häufig ein Grund für mangelnde Gewässerqualität. Seit Jahren ist das in Sachsen ein Problem. Nur 6,6 Prozent der Fließgewässer waren zuletzt in gutem oder sehr gutem ökologischen Zustand.

Am besten sieht es noch im Erzgebirge und im Vogtland aus. Bei den Seen sind immerhin 43,3 Prozent in mindestens gutem Zustand. Das geht aus einer Analyse des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hervor. "Wir sind alles andere als zufrieden damit, dass wir nicht einmal sieben Prozent unserer Fließgewässer in einem guten ökologischen Zustand haben," gibt Sachsens Umweltminister Wolfram Günther von den Grünen zu.

Mögliche EU-Strafzahlungen ab 2027

Dabei macht die EU mit der Wasserrahmenrichtlinie strenge Vorgaben, wie ein Gewässer sein sollte. Nicht nur der Flussverlauf, sondern beispielsweise auch Sauerstoff- und Nitratgehalt spielen eine Rolle. Seit 2002 gilt die Richtlinie. Schon das Ziel, bis 2015 alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen, hat Sachsen verfehlt. Die nächste Frist läuft 2027 aus. Dann drohen Strafzahlungen.

"Wir müssen auch aus rechtlichen Gründen hier ganz schnell ins Handeln kommen," mahnt Umweltminister Günther. In Zeiten des Klimawandels sei der Wasserrückhalt in der Fläche zudem essenziell und lebendige Flüsse wesentlich für die Artenvielfalt.

Um bei der Gewässerrenaturierung schneller voranzukommen, hat der Freistaat seit Mai drei Regionalkonferenzen durchgeführt, denn häufig liegen Fließgewässer nicht nur im Verantwortungsbereich des Landes, sondern auch der Kommunen.

Ein Ergebnis der Regionalkonferenzen ist es, dass das Bewusstsein, das wir handeln müssen, mittlerweile sehr, sehr hoch ist und das war vor einigen Jahren einfach noch nicht der Fall.

Wolfram Günther (B'90/Die Grünen) Umwelt- und Landwirtschaftsminister Sachsen

Viele kleine Bäche und Flüsse sollen nun vor allem aus ihren Rohren befreit werden, wie auch die Tauschke. Auf einer Länge von 1,2 Kilometern erhält sie seit März ihren natürlichen Lauf zurück und wächst von einem Rinnsal auf sieben Meter Breite an. Fast zehn Jahre dauerten die Planungen bis zum Bau – nicht zuletzt auch weil Eigentümer und Pächter erst überzeugt werden mussten, ihr Land abzugeben.

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Auf einer Länge von rund 1,2 Kilometern wird der Bach Tauschke freigelegt und die Begradigung wieder rückgängig gemacht. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

BUND fordert "fundamental andere Agrarpolitik"

Doch neben der Renaturierung von Gewässern fordert Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, eine "fundamental andere Agrarpolitik mit sehr viel weniger Düngung mit wenig oder gar keinen Pestiziden." Nur so ließe sich flächendeckend ein guter Gewässerzustand in Sachsen realisieren. Auch ein rascher Ausstieg aus der Braunkohle sei für eine Verbesserung der Wasserqualität wichtig.

Felix Ekardt bei MDR KULTUR trifft mit Moderator Vladimir Balzer
Felix Ekardt ist Vorsitzender des BUND Sachsen und Nachhaltigkeitsforscher. Bildrechte: MDR/Olaf Parusel

Mehr Zeit und Geld für Renaturierung nötig

Weniger Schadstoffeinträge sowie Gewässerrandstreifen mit Bäumen und Sträuchern sollen auch an der Tauschke helfen, ein ökologisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Das könne aber Jahrzehnte dauern, schätzt Flussmeister Andreas Kuhne.

Bis 2027 wird die Zeit wohl kaum reichen, um alle Gewässer in guten Zustand zu bringen. Um Strafzahlungen zu vermeiden, müssten fertige Planungen auf den Tisch, weitere Projekte umgesetzt werden, so Umweltminister Günther. Dazu brauche es aber auch zusätzliches Geld von EU, Bund und dem Freistaat selbst.

MDR (jus)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 25. Juli 2023 | 19:00 Uhr

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