Ein junger Landwirt füttert braune Kühe mit Stroh
Der Demeter-Landwirt Clemens Risse bewirtschaftet 70 Hektar Land für Ackerbau und Getreideproduktion und hält bis zu 50 Rinder. (Archivbild) Bildrechte: MDR/L. Müller

Bauer aus Meißen Landwirt: "Es zeigt sich, dass die Politik in Berlin nicht an der Branche dran ist"

09. Januar 2024, 06:00 Uhr

Weil nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts im Etat ein 60 Milliarden-Loch klafft, will die Bundesregierung Subventionen für Bauern streichen. Agrardiesel-Vergünstigungen sollten weg und Kfz-Steuerbefreiungen für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge. Nach Protesten wurden die Pläne teils revidiert. Doch die Bauern demonstrieren weiter. Demeter-Bauer Clemens Risse aus Gröbern bei Meißen erklärt, warum. Er vertritt die Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft.

Herr Risse, Sie waren am Montag nicht bei den Bauerndemos an Autobahnauffahrten oder in Dresden dabei. Warum nicht?

Clemens Risse: Das hat mehrere Gründe. Der Erste ist, dass ich im Familienbetrieb keinen habe, der den Betrieb führt, wenn ich einen Tag lang zum Protestieren fahre. Ich bin auch im Zwiespalt. Der Protest an sich ist total berechtigt. Aber ich weiß nicht, ob es richtig ist, so einen Versuch der Revolte zu starten und die Situation so gegen die Regierung aufzubringen.

Wir leben in einer Demokratie. Da geht es um klaren Austausch. Wir sollten nicht vergessen, dass alle Bauern ihre Vorzüge vom Staat haben. Ich meine die Agrarsubventionen, die jeder Betrieb erhält. Dazu muss man leider sagen, dass die im Dezember fälligen Fördermittel in Sachsen immer noch nicht ausgezahlt wurden. Das hat viel Frust erzeugt. Am Mittwoch zur Demo des sächsischen Bauernverbands gehe ich.

Was erhoffen Sie sich von der Demo?

Dass das eine reine Bauerndemo wird, bei der es um die Anliegen der Landwirte geht und sich nicht rechtsradikale Strukturen und Strömungen einmischen. Die Berufsstände sollten da ihrer Verantwortung gerecht werden und sich nicht vereinnahmen lassen. Das schadet sonst allen Bauern. In Dresden erhoffe ich mir eine faire Debatte über die Punkte, die die Branche wirklich gefährden. Ministerpräsident Kretschmer soll dort reden. Vielleicht ändert der Bauernverband als Veranstalter ja seine Meinung noch und lädt auch den Landwirtschaftsminister ein.

Eine faire Debatte sagen Sie - mit welchen Konsequenzen?

Von der Landwirtschaft wird seit Jahren verlangt, sich der Zeit anzupassen. Als Beispiele seien Tierwohl, Grundwasserschutz, Biodiversität oder Nachhaltigkeit genannt. Wir Landwirte lehnen das alles nicht per se ab, aber wir brauchen politische Verlässlichkeit und Regularien, mit denen und nach denen wir langfristig arbeiten können. Ein Beispiel: Wenn ich ein Großvorhaben für einen Stall umsetze, dann gebe ich dafür sehr viel Geld aus und nehme Kredite auf. Die Regularien für Stallhaltung dürfen sich aber nicht alle drei Jahre ändern.

Ein anderes Beispiel ist das Thema Nachhaltigkeit. Die Vorgaben und Standards dafür sind in Deutschland hoch. Wir Bauern konkurrieren aber gegen Billigproduzenten aus anderen europäischen Ländern und aus Übersee, die nicht solche Vorgaben einhalten müssen. Es wird in Massen Rindfleisch aus Argentinien oder Australien per Schiff mit Schweröl zu uns gebracht. Da fragt auch keiner nach dem CO₂-Ausstoß. Oder Erdbeeren aus Spanien? Die kommen mit Lastern oder Flugzeugen zu uns. Das treibt viele um. Und das sind auch Gründe, weshalb Landwirte aufgeben.

Die billigen Nahrungsmittel kaufen aber die Konsumenten hierzulande. Wenn die nicht zu regionalen und nachhaltigen Produkte greifen, sondern zu billigen Importen, nützt es Ihnen als Bauern ja auch nichts.

Das ist ein gesellschaftliches Problem in Deutschland. Die meisten Leute wollen billig einkaufen, ja. Und sie bekommen die Produkte auch billig von sonst woher. Es muss politische Rahmenbedingungen geben, die Billigimporte erschweren oder verhindern, damit die Landwirte im eigenen Land keine Nachteile haben.

Wenn Sie auf die vergangenen Wochen zurückblicken, wie die Bundesregierung die Subventionskürzungen kommuniziert hat, was fällt Ihnen auf?

Es wäre alles nicht so hochgekocht, wenn derartige Entscheidungen mit den Berufsvertretungen besprochen worden wären. Dann vor Weihnachten die Streichliste bekanntzugeben - es zeigt sich, dass die Politik in Berlin nicht an der Branche dran ist. Ja, die Lage ist schwierig und man muss sich die Frage beantworten: Will man eine regionale Landwirtschaft im Land und zahlt den Preis dafür oder will man sich von ausländischen Exporteuren abhängig machen? Bei Ersterem muss man tiefer in die Tasche greifen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR ACHSENSPIEGEL | 08. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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