Im Inneren laufen umfangreiche Bauarbeiten
Vor Ort laufen umfangreiche Bauarbeiten. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Stendal Skurrile Immobilie: Restaurant eröffnet in ehemaliger Gefängniswäscherei

02. Mai 2024, 11:15 Uhr

Die Gastronomieszene in Stendal bekommt eine besondere Erweiterung: In einem ehemaligen Gefängnistrakt soll im Juni ein Restaurant eröffnet werden. Derzeit laufen dafür umfangreiche Bauarbeiten. Der 120 Jahre alte Backstein-Komplex beherbergt mittlerweile 24 Wohnungen. Ursprünglich sollte das denkmalgeschützte Ensemble nach dem Leerzug 2010 abgerissen werden.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
Bildrechte: MDR/Hannah Singer

Jörg Siersleben möchte künftig ein mediterranes Flair in den alten Gefängniskomplex bringen. Vor allem selbstgemachte Pasta und andere südeuropäische Spezialitäten will der 54-Jährige seinen Gästen servieren. Dabei legt er auch viel Wert darauf, dass sein Restaurant einen großzügigen Außenbereich bekommt. "Seit den Corona-Zeiten wissen wir, dass so etwas für die Gastronomie überlebenswichtig werden kann", sagt der gelernte Koch.

Seitentrakt mit Anbau, hier kommt das Restaurant rein. Auch der Anbau stammt noch aus Gefängniszeiten.
Der Seitentrakt mit dem Anbau, in den das Restaurant kommt. Auch der Anbau stammt noch aus Gefängniszeiten. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Digitale Speisekarte und "Front Cooking"

Derzeit wird das historische Gebäude zwischen Landgericht, Dom und ehemaligem Gefängnis in Stendal umfangreich umgebaut. Das künftige Restaurant mit Namen "Daily am Dom" wird in der ehemaligen Wäscherei und dem Versorgungstrakt des Gefängnisses eingerichtet. "Als ich mir die Räume hier angesehen habe, da ratterten die Ideen nur so durch meinen Kopf", sagt Siersleben, der in Stendal bereits im "Schwarzen Adler" und auch im "Mainly" gearbeitet hat. Mit gehobener Küche ist er damit durchaus vertraut. Auch im Schwarzwald war er bereits tätig.

Die Frontseite des ehemaligen Gefängnisses von der Hallstraße aus gesehen
Die Frontseite des ehemaligen Gefängnisses von der Hallstraße aus gesehen Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

"Ich möchte etwas schaffen, wo die Leute gerne hingehen und verweilen, aber auch zügig in der Mittagszeit etwas zu Essen bekommen", sagt Siersleben. Er möchte eine digitale Speisekarte anbieten, so dass die Gäste bereits Zuhause oder im Büro bestellen können und dann nicht lange auf das Essen vor Ort warten müssen. "Es wird ein Front Cocking geben", sagt der Küchenmeister. Die Gäste können dabei den Köchen quasi über die Schulter sehen. Die Räume werden gerade entsprechend umgebaut.

Komplex bis 2010 als Gefängnis genutzt

Einige Relikte aus Gefängniszeiten wird der Investor nicht anrühren. An den Seitenfenstern des Backsteingebäudes sind noch Gitterstäbe vorhanden, auch die Toilette hat schwere Holztüren mit den Aufschriften "Weiber" und "Männer". Auch alte Überwachungskameras aus neueren Zeiten sind noch zu entdecken. "Die funktionieren aber nicht mehr", sagt Siersleben.

Ein Teil der Küche stammt auch noch aus Gefängniszeiten
Ein Teil der Küche stammt auch noch aus Gefängniszeiten. Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Bis Anfang 2010 wurde der historische Komplex in der unmittelbaren Nachbarschaft zum Landgericht tatsächlich als Gefängnis genutzt. 80 Gefangene waren dort bis zuletzt untergebracht. Da 2009 in Burg eine neue Justizvollzugsanstalt gebaut und eröffnet wurde und der Stendaler Bau insbesondere durch Sturmschäden stark sanierungsbedürftig wurde, gab das Land die Gebäude für die eigene Nutzung auf.

Gefängnisareal für 35.000 Euro gekauft

"Es gab Vorschläge, alles wegzureißen und dort eine Wiese anzulegen und Parkbänke aufzustellen", sagt Thomas Richter-Mendau, der das gesamte Gefängnisareal gekauft hat. Die Befürchtung bei vielen – auch beim damaligen Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) – war eine zunehmend verwahrlosende Großimmobilie in der Innenstadt. Ein solches Szenario wäre der damals aufwändig gestalteten Innenstadtsanierung zuwidergelaufen.

Richter-Mendau schloss sich mit seiner Frau Bianca zusammen und kaufte das gesamte Areal zu einem fast schon symbolischen Preis von 35.000 Euro. Mehrere Jahre wurde das Gefängnis nach und nach saniert und umgebaut. An der Außenhülle wurde – auch aufgrund des Denkmalschutzes – kaum etwas geändert.

24 Wohnungen – Mieter seit 2016

Auch im Inneren blieben zwar einige Gefängniselemente wie Gitter im Hausflur und einige Gefängnistüren erhalten, die Räume wurden allerdings wohngerecht zugeschnitten. 2016 zogen die ersten Mieter ein. "Mittlerweile habe ich eine Warteliste", sagt Thomas Richter Mendau. Insgesamt 24 Wohnungen umfasst der Komplex, viele mit Balkon.

Gefängniskomplex vom Domplatz aus gesehen. Der Zugang zum Restaurant ist durch eine Lücke in der Mauer
Der Gefängniskomplex vom Domplatz aus gesehen Bildrechte: MDR/Bernd-Volker Brahms

Gebaut worden ist das vierstöckige Gefängnis 1904 nach einem Entwurf des Kreisbaumeisters Heinze und zwar direkt neben das Gerichtsgebäude von 1879 und dem mittelalterlichen Dom. Rund 3.800 Quadratmeter ist das gesamte Areal groß. Allein das Wirtschaftsgebäude hat eine Fläche von rund 800 Quadratmetern.

Co-Working-Space geplant

Die möchte Jörg Siersleben nicht komplett nutzen, allerdings hat er mit einigen der großen Räume etwas vor. Im Obergeschoss soll es künftig einen Co-Working-Space geben. "Das wird noch nicht sofort starten, gehört aber zum Gesamtkonzept." Und auch der ehemalige Andachtsraum mit angeschlossener Dachterasse sei für größere Gesellschaften prädestiniert, findet der Gastronom.

Bis Anfang Juni soll die Umbauarbeiten abgeschlossen werden. Dann soll es losgehen. Insgesamt soll das Restaurant ein mediterranes Flair auch durch Farbgestaltung und Einrichtung bekommen. "Das ist die Herausforderung, so ein historisches Gebäude auf ein anderes Level zu heben", sagt Jörg Siersleben. "Ich will zeigen, dass man sich auch in einem Knast wohlfühlen kann", sagt er mit einem Augenzwinkern.

MDR (Bernd-Volker Brahms, Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 03. Mai 2024 | 19:00 Uhr

2 Kommentare

Uborner vor 2 Wochen

Ein schönes altes Backsteinhaus, mit Wohnungen, und bald auch mit Restaurant. Eine sinnvolle und attraktive Nachnutzung. Auch wenn da mal ein Knast drin war, das ist nichts schlimmes sondern ein ( leider notwendiger ) Teil unserer Gesellschaft. Gute Entscheidung und nicht die erste Nachnutzung mit Knastvergangenheit.

Thommi Tulpe vor 2 Wochen

Im Restaurant gibt`s vielleicht Würstchen im Schlafrock - den Schlafrock selbstverständlich frisch gewaschen!?

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