Andere Investitionen müssen warten Magdeburg will Strombrücke mit Kredit finanzieren

20. September 2023, 18:36 Uhr

Die fehlenden 90 Millionen Euro beim Bau des neuen Strombrückenzugs will die Stadt Magdeburg mit einem neuen Kredit aufbringen. Dadurch könnten andere Investitionen zurückgestellt werden. Der Stadtrat muss noch darüber entscheiden.

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Die Stadt Magdeburg will einen Kredit aufnehmen, um die Sanierung und den Neubau des Strombrückenzuges finanziell abzusichern. Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) sagte MDR SACHSEN-ANHALT am Mittwoch, es werde auf jeden Fall weitergebaut.

Andere Investitionen müssen warten

Es müssten jedoch andere Investitionen in der Stadt möglicherweise zurückgestellt werden. Welche Investitionen das betreffe, werde man Anfang Oktober mit den Stadträtinnen und Stadträten besprechen. "Es gibt Ideen und Gedanken, aber die Stadträte müssen dem natürlich auch zustimmen", so Borris. Sie erklärte weiter: "Das bedeutet aber auch in Richtung anderer Vorhaben, dass wir dem Land und anderen Gemeinden sagen müssen: Wir sind nicht die Kuh, die man melken kann. Wir haben selber Probleme."

Das bedeutet aber auch in Richtung anderer Vorhaben, dass wir dem Land und anderen Gemeinden sagen müssen: Wir sind nicht die Kuh, die man melken kann. Wir haben selber Probleme.

Simone Borris (parteilos) Oberbürgermeisterin Magdeburg

Am Dienstag hatte das Ministerium für Infrastruktur und Digitales auf MDR-Anfrage mitgeteilt, dass die Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung der Landeshauptstadt ausgeschöpft seien. Der Aufbauhilfefonds zur Beseitigung der Hochwasserschäden 2013, aus dem das Bauprojekt zu großen Teilen gefördert wurde, sei leer.

Magdeburg hatte auf weitere Hilfen des Landes gehofft, nachdem sich die Kosten des Bauprojekts um die Brücken seit 2018 um mehr als 100 Millionen Euro auf rund 207 Millionen erhöht hatten. Borris sprach zuletzt von einer Lücke von über 90 Millionen Euro, die bereits eingeplant, aber nicht durch Landesmittel gedeckt seien. Diese Lücke könne nur mit Unterstützung des Landes oder des Bundes geschlossen werden. Die Stadt habe aktuell in der Haushaltsplanung ein Defizit von 31,5 Millionen Euro.

Land hat bereits 119 Millionen Euro gegeben

Das Ministerium für Infrastruktur und Digitales gibt an, die Sanierung bzw. den Neubau der Brücken über die Elbarme seit Juni 2016 dreimal gefördert zu haben – insgesamt seien so 119 Millionen Euro geflossen. Borris hatte Ende Juni erklärt, das Ziel sei weiterhin, den neuen Brückenzug vor Weihnachten zu eröffnen. Die wichtige Anbindung des Ostens an das Stadtzentrum ist seit Sommer 2022 gesperrt. Ursprünglich sollte der Verkehr in diesem Sommer wieder freigegeben werden.

Der Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt schrieb am Dienstag auf MDR-Anfrage, er teile die Einschätzung der Stadt, dass die jetzige Situation hinsichtlich der exorbitanten Kostensteigerung beim Strombrückenzug insbesondere der Langfristigkeit des Rechtsstreits im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren geschuldet sei. Hinzu kämen Preissteigerungen durch die Inflation, den Ukraine-Krieg und Lieferengpässe.

Ist der Bund der Steuerzahler "unabhängig, parteipolitisch neutral und gemeinnützig"?

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) ist bekannt für seine regelmäßigen Veröffentlichungen "Schwarzbuch - Die öffentliche Verschwendung" und "Die Schuldenuhr Deutschlands", in denen zu hohe und verschwenderische öffentliche Ausgaben kritisiert werden. Allerdings wird auch die Unabhängigkeit des Bundes der Steuerzahler angezweifelt.

Nach eigenen Angaben ist der BdSSt eine "Interessenvertretung aller Steuerzahler". Er sei daher "unabhängig, parteipolitisch neutral und gemeinnützig". Nach einer Studie von Rudolf Speth für das Hans-Böckler-Institut wird der Bund der Steuerzahler durch Kooperationen und Mitgliederschwund zunehmend zu einem Verband der Gewerbetreibenden und Selbstständigen.

Auch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisiert diese Ausrichtung des Bundes und erklärt laut Lobbypedia: "Tatsächlich vertritt er vor allem mittelständische Unternehmer, Freiberufler und Besserverdienende, die ihn über Beiträge und Spenden finanzieren."

Steuerzahlerbund kritisiert Kreditaufnahme

Äußerst kritisch sieht der Verein die Entscheidung der Stadt, rund 50 Millionen Euro aus Liquiditätskrediten zu finanzieren. Bei diesen Krediten bestehe ein Risiko für hohe Zinszahlungen. Gegenwärtig sei in keiner Weise erkennbar, wie diese Kredite zeitnah getilgt werden sollten. Sollte das Land keine weiteren Mittel bereitstellen, stehe der Stadtrat vor schwierigen Entscheidungen.

Sanierung bereits 2018 beschlossen

Magdeburgs Stadtrat hatte im November 2018 die Sanierung der Strombrücke beschlossen. Die Brücke war 1965 eingeweiht und seitdem immer nur notdürftig repariert worden. Weil an den Lagern der Brücke massive Schäden aufgetreten waren, mussten bereits 2006 zwei der vier Fahrspuren für den Autoverkehr gesperrt werden. Eine Klage nach dem Vergabeverfahren hatte den Baustart zudem verzögert.

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MDR (Max Hensch, Engin Haupt, Michel Holzberger, Christoph Dziedo, Mario Köhne); zuerst veröffentlicht: 19. September 2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. September 2023 | 16:30 Uhr

22 Kommentare

Troll vor 32 Wochen

Wer sagt denn, dass ich aus Halle komme? Hier geht es generell darum, dass die Landesregierung eine Blase um Magdeburg schafft und der Rest des Landes immer weiter zurückfällt. Merkt man leidet auch an den Wahlprognosen. Als Dessauer ärgert man sich, dass man sich damals für die falsche Landeshauptstadt entschieden hat. Wäre es mal Dessau geworden.
Fragen Sie sich mal wem die Bahn gehört, die 120 Mio zum Tunnel auf dazu geben durfte? Nur weil ich es über Umwege bezahle, kommt es trotzdem vom Bund. Von 40 Mio auf 200 Mio ist eine Verfünffachung der Kosten.
Soweit ich weiß, ist die Eishalle in Halle noch nicht wieder hergestellt und das liegt auch daran, dass diese eine Brücke, die vorher bestimmt schon marode war, durch die Flutgelder neu hergestellt wird und einen sehr großen Teil der Flutgelder verschlingt. Dagegen sind das Planetarium und die Eishalle Peanuts.

Christoph_Strebel vor 32 Wochen

1. Rechtzeitig genau definieren, was der Staat haben will
2. Baustelle genau durchmessen, 3D- Abbildungen im CAD der Umgebung und Ausgangslage erstellen, Bodenproben oder Bohrungen für Geologie unter der Baustelle.
Wer Mist misst, haftet dafür. Ggf sollen unabhängig von einander mehrere Anstalten messen.
3. Einen digitalen Zwilling im 5D (3D +Zeit+Werkstoffe) erstellen
4. Mit dem Digitalen Zwilling letzte Änderungen besprechen. DANACH keine Änderungen mehr möglich.
5. Mit den Daten des Digitalen Zwilling geht es in Produktion und Montage.

Harka2 vor 32 Wochen

Und wieder wurde das billigste Angebot genommen, und wieder hat die Firma "unvorhersehbare" Probleme, und wieder wird alles viel teuerer ... Gähn.

Wann werden endlich mal die Firmen inn Regress genommen, die mit offensichtlichen Billigangeboten sich den Auftrag sichern und dann nachfordern und nachfordern. Lasst die Brücke unvollendet und hängt ein großes Schild dran: "Hier hat die Firma XY versucht das Land zu erpressen. Möge dieses Mahnmal alle daran erinnern!"

Es geht hier ja nicht um eine Preissteigerung von 10%, nein, es geht um 200%!

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