Der Bahnhof Neustadt Magdeburg
Quartiersmanager Mathias Kuhn erhofft sich durch den Umbau des Neustädter Bahnhofs in Magdeburg eine Aufwertung des Viertels. Die Neue Neustadt könnte dadurch für den Tourismus attraktiver werden. Bildrechte: MDR/Sarah-Maria Köpf

Quartiersmanagement Zwischen Tourismus und Bauprojekten: Was sich in der Magdeburger Neustadt verändert

29. April 2024, 12:01 Uhr

Die Gegensätze in der Neuen Neustadt in Magdeburg könnten nicht größer sein. Während immer mehr Kunst- und Kulturprojekte aufblühen, kämpft das Viertel weiterhin mit Müll- und Lärmproblemen, Berichte über Kriminalität bleiben in den Köpfen hängen. Dabei ist der Stadtteil im Wandel, Akteure bezeichnen die Neustadt als bunt und urban. Vergleiche mit Berlin-Kreuzberg werden gezogen. Die Quartiersmanager erzählen im Interview, wie sie das Viertel wahrnehmen und die Herausforderungen angehen.

Eine junge Frau mit blonden Haaren lächelt in die Kamera
Bildrechte: Sarah-Maria Köpf

Als lebendigen urbanen Stadtteil bezeichnen die Akteure der Neuen Neustadt ihr Viertel. Der Moritzhof als Kulturzentrum zieht schon seit Jahren Menschen aus allen Stadtteilen und dem Magdeburger Umland an. Gleichzeitig machen Berichte über Lärm und Müll auf den Straßen die Runde. Obwohl in der Neustadt einiges im Wandel ist, hat sich das negative Bild in vielen Köpfen festgesetzt.

Franziska Müller ist als Stadtteilmanagerin die Schnittstelle zwischen Verwaltung und den Anwohnern. Ihr Kollege Mathias Kuhn ist seit vergangenem Jahr Geschäftsstraßenmanager und für die Belange der Unternehmen im Viertel zuständig. Im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT sprechen die beiden über die aktuellen Herausforderungen und welche Chancen der Tourismus sowie der Umbau des Neustädter Bahnhofs bieten kann.

Mathias Kuhn und Franziska Müller sind die Quartiersmanager der Neuen Neustadt
Mathias Kuhn und Franziska Müller sind die Quartiersmanager der Neuen Neustadt Magdeburg. Bildrechte: Vivien Christoph

MDR SACHSEN-ANHALT: Die Magdeburger Neustadt wird häufig als "Problemviertel" bezeichnet. Ist das berechtigt?

Franziska Müller: Wenn man Menschen fragt: "Wie würdest du die Neustadt beschreiben?", dann wird häufig die sehr große Urbanität hier in den Stadtteilen genannt. Und wo verschiedene Menschen zusammenleben, kommen auch immer Themen auf, an denen man sich reibt. Wenn wir uns Statistiken angucken, dann ist es in der Neuen Neustadt nicht lauter, dreckiger oder gefährlicher als in anderen Stadtteilen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich ein subjektives Empfinden, dass bestimmte Sachen nicht gut laufen. Und da ist die Schwierigkeit, von dem pauschal schlechten Bild wegzukommen.

Mathias Kuhn:
Wenn man sich mal die positiven Dinge bewusst macht, sind wir hier der Stadtteil, der einen Zoo hat, der eine Boulderhalle hat. Wir sind ein Wissensstandort, wir haben die Universität, wir haben Schüler, die aus anderen Stadtteilen herkommen, um an unserem Gymnasium zu lernen. Wir haben einen Wissenschaftshafen, an dem ganz viele Dinge passieren. Es finden sich gerade Investoren, die Bauprojekte anschieben. Wir haben hier so viel, was nur wenig beachtet wird.

Blick die Lübecker Straße in der Neuen Neustadt herunter. Neben dem Fußweg: Viele bunte Ladenschilder von Friseuren, Apotheken, Bäckern, Banken, kleinen Gemüsemärkten und vielem mehr. 1 min
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Trotzdem häufen sich Berichte über Probleme im Viertel. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell in der Neustadt?

Mathias Kuhn: Natürlich haben wir Herausforderungen in einem Stadtteil, wo viele Menschen auf kleiner Fläche wohnen – sei es der Verkehr oder der Leerstand, weil es immer weniger Unternehmen gibt, die Einzelhandel machen wollen. Aber wenn man genau hinguckt, sieht man, dass wir eigentlich keinen exorbitanten Leerstand haben. Wir haben Unternehmen hier, die Fachkräfte suchen. Wir haben viele Flächen, die noch brachliegen, aber es gibt auch immer wieder Leute, die dann was machen wollen. Zum Beispiel die Bodenstein Brauerei, die jetzt anfängt, ihr Areal umzubauen oder die ehemalige Parteischule, die zu einem schönen Wohnkomplex werden soll. Es ist viel Bewegung in diesem Stadtteil.

Wenn man genau hinguckt, sieht man, dass wir eigentlich keinen exorbitanten Leerstand haben.

Mathias Kuhn Geschäftsstraßenmanager Neue Neustadt Magdeburg

Franziska Müller: Die Klassiker, die immer thematisiert werden, sind die Lautstärke oder der Müll. Da würde ich aber immer sagen, dass das nicht nur ein Problem der Neustadt ist, sondern ein Thema, was man gesamtstädtisch hat, wo die Neustadt unserer Meinung nach nicht negativ heraussticht.

Mathias Kuhn: Wir diskutieren das auch mit der Städtischen Abfallwirtschaft und suchen nach Lösungen. Wir haben gerade wieder in den letzten Monaten verstärkt Mülleimer im öffentlichen Raum aufgestellt. Das zeigt erste Wirkung. Natürlich muss man immer wieder hingehen und den Leuten Hilfestellung geben, wie sie Müll vermeiden können. Da denken wir dran und versuchen Konzepte und Ideen zu finden.

Eine Idee, die aktuell im Gespräch ist, ist der sogenannte Quartiershausmeister. So etwas gibt es bereits in Städten wie Essen und funktioniert dort sehr gut. Wie kommt dieses Vorhaben in der Neustadt voran?

Mathias Kuhn: Wir versuchen aktuell eine Finanzierung zu bekommen, damit die Maßnahme auch langfristig funktioniert. Wir glauben, dass der Quartiershausmeister dieses Jahr, spätestens aber nächstes Jahr kommen wird. Da geht es dann nicht nur um Müll, sondern auch darum zu gucken, was los ist in unserem Stadtteil – wo ist zum Beispiel die Laterne kaputt, wo kann man den Weg sicherer machen, all diese Dinge. Ein Quartiershausmeister ist ein Brückenbauer zwischen den Beteiligten, weil er tagtäglich im Viertel präsent sein kann.

Der Polarspielplatz in der Neuen Neustadt. 1 min
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Was für andere Projekte sind für die Neue Neustadt aktuell in Planung?

Franziska Müller: Es gibt einige Projekte, die absolut notwendig waren, beispielsweise Spielplätze zu bauen oder zu erneuern. Dann wird es einen neuen Bolzplatz geben, hinter der Thomas Müntzer Gesamtschule. Das ist super, weil wir einen sehr hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen haben, die immer durchs Raster fallen, wenn es darum geht, wo sie sich aufhalten können. Wir haben natürlich auch tolle soziale Projekte: "Moritz4all" und "MUTopolis", die Freiflächen bespielen und das Thema Partizipation in den Mittelpunkt stellen. Wir haben Wandgemälde in Planung und können damit möglicherweise eine Freiraumgalerie in Magdeburg etablieren. Im Bereich Ehrenamt haben wir auch ein tolles Projekt: die grüne Oase, die intensiv mit der Roma-Community arbeitet.

Mathias Kuhn: Auch aus unserem Management heraus ist im vergangenen halben Jahr eine Menge passiert. Wir haben es geschafft, mehr Leute miteinander ins Gespräch zu bringen. Wir bewegen schon eine Menge in die richtige Richtung und sind noch lange nicht fertig. Es gibt gerade den Trend, dass immer mehr Übernachtungsmöglichkeiten entstehen, also möblierte Apartments. Wo wir dann auch den nächsten Schritt in Richtung Tourismus machen können, weil wir den Zoo, die Gedenkstätte, die Nikolaikirche und die Parks haben. Wir haben in der Neustadt touristisch gesehen eine Menge zu bieten und in zwei, drei Jahren einen tollen Bahnhof. Mit der Brauerei Bodenstein haben wir bald einen Biergarten. Wir sind da sehr zuversichtlich.

Franziska Müller: Es gibt in der Stadtentwicklung auch ganz viel, was dynamisch passiert, was man von außen nicht steuern kann. Das beobachten wir mit großer Neugier. Beispielsweise der Neustädter Bahnhof: Das ist seit vielen Jahren ein Sorgenkind. Es gab mehrere Eigentümerwechsel, bei denen vom Stadtplanungsamt immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert wurde, um zu schauen, was städtebaulich gefördert werden könnte. Aber am Ende des Tages entscheidet der Eigentümer. Vor drei Jahren gab es einen Eigentümerwechsel und plötzlich war da jemand, der eine tolle Vision hatte, der eine Leidenschaft für die Entwicklung von Bahnhöfen hat. Und jetzt ist es so ein tolles Projekt.

In den vergangenen Monaten gab es auch immer wieder Diskussionen um den Umzug der Ausländerbehörde in die Neue Neustadt. Welche Chancen bietet das für das Viertel?

Mathias Kuhn: Das bietet immer Chancen. Am Ende des Tages ist es eine Behörde, die bei uns angesiedelt ist. Da sind Arbeitskräfte, die müssen mittags was zu essen besorgen und dann profitiert auch die Gastronomie im Umfeld.

Franziska Müller: Der Umzug war ja eine Notwendigkeit, was die räumlichen Bedingungen anging. Jetzt hat man dort eine moderne Behörde, die sich auch im Bereich der Digitalisierung anders aufgestellt hat. Was auch mitgedacht wurde: Dass es ein Ort ist, wo zum Beispiel im oberen Bereich Gemeinwesen-Arbeitssitzungen stattfinden können, wo auch Akteure aus dem Stadtteil sein können und man die Kompetenzen und Synergien bündelt. Man könnte dort vielleicht auch eine Migrationsberatung machen. Das Gebäude ist noch im Umbau, aber ich denke, es wird ein lebendiger Ort sein, wo Menschen für ihre Anliegen einen Anlaufpunkt haben und wo auch der Stadtteil viel in dieses Gebäude einwirken kann.

Franziska Müller, Stadtteilmanagerin der Neuen Neustadt, steht vor ihrem Stadtteilladen. 1 min
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Der Anteil der ausländischen Bevölkerung in der Neuen Neustadt liegt nach Stadtangaben bei 25 Prozent. Wie gelingt das Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen?

Franziska Müller: Vor etwa drei Jahren hat hier eine Bäckerei eröffnet, die handwerklich sehr gut ist. Aber es ist eben auch ein sozialer Ort für viele Menschen, die aus den osteuropäischen Gebieten zugewandert sind und hier einen Ankerpunkt finden. Wir empfinden das als sehr bereichernd, wenn man spürbar erlebt, wie es in anderen Ländern sein kann, wenn man ins Gespräch kommt, wenn man auch unterschiedliche kulinarische Sachen genießen kann.

Die Lübeckerstraße in der Neuen Neustadt an einem verregneten Tag. Links und rechts Läden.
In der Neuen Neustadt gibt es auch viele internationale Geschäfte. Bildrechte: MDR/Leonard Schubert

Mathias Kuhn: Und nicht zu vergessen die Universität. Wir bekommen immer mehr Studierende aus dem Ausland, die dann hier im Stadtteil leben und die sich glücklich schätzen, dass sie ein paar Dinge aus ihrer Heimat wiederfinden.

Dieses pauschal schlechte Bild der Neustadt trage ich so nicht mit.

Franziska Müller Stadtteilmanagerin Neue Neustadt in Magdeburg

Was hat sich für Sie in den vergangenen Jahren in der Neuen Neustadt verändert?

Franziska Müller: Mir war von Anfang an wichtig zu sagen: Dieses pauschal schlechte Bild der Neustadt trage ich so nicht mit. Es stimmt auch einfach nicht. Ich habe schon das Gefühl, dass sich das Image gewandelt hat. Man merkt es an den unterschiedlichsten Entwicklungen, die ablaufen. Egal, ob das soziokulturelle Projekte und Unternehmensansiedlungen sind oder verschiedene Flächen, die baulich entwickelt werden. Das hat diese Lebendigkeit, es wird jetzt mehr als etwas Positives gelesen. Das war – als ich begonnen habe – noch nicht so. Da haben wir es geschafft, den Imagewandel langsam anzustoßen, aber das ist natürlich noch nicht zu Ende.

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MDR (Sarah-Maria Köpf) | Erstmals veröffentlicht am 28.04.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wir wir | 28. April 2024 | 17:00 Uhr

2 Kommentare

ria vor 1 Wochen

Eigentlich befindet sich der Wissenschaftsthagen sowie die Uni nicht in der Neuen Neustadt sondern in der Alten Neustadt. Das sollte man schon wissen und ja, die Lübecker Straße zeigt den Zustand des ganzen Stadtteil.

Pete111 vor 1 Wochen

Wenn man die beiden Herrschaften so hört, ist ja alles in feinster Ordnung. Schade, dass sich der Dreck auf der Lübecker Straße zum Beispiel, der sich so schön dekorativ in den Frühlingsblumen verfängt, nicht wegreden lässt... Und das ist nur das, was auf der Hauptstraße des Stadtteils gleich ins Auge fällt. Da nützt mir der Hinweis auf den schicken Wissenschaftshafen auch nicht viel...

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