Abschied nehmen Warum es für eine Trauerrednerin aus Halle beim Tod keine Tabus gibt

20. November 2022, 08:11 Uhr

Wenn Doreen Stäglich Trauerfeiern organisiert, kann es bunt, laut und lustig werden. Die Trauerrednerin hebt sich bewusst von anderen ab und will eine positive Stimmung beim Gedenken der Verstorbenen. Dabei kam Stäglich eher zufällig zu ihrem ersten Einsatz.

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Die erste eigene Trauerrede kam für Doreen Stäglich unverhofft. Als Mitarbeiterin in einem Bestattungsunternehmen musste sie plötzlich einspringen – ein Trauerredner war ausgefallen. "Oh mein Gott, das kannst du niemals!", dachte sie damals, wie sie rückblickend erzählt.

Doch eine Alternative gab es nicht. Also überlegte sich Stäglich kurzfristig einen Ablauf und eine Geschichte. Schnell war ihr klar: "So wie ich's kenne, mache ich es auf keinen Fall." Weg vom klassischen Lebenslauf, hin zu mehr Spaß und Ausgefallenem bei der Trauerfeier. Stäglich zog es durch, ohne Erfahrung und war wahnsinnig aufgeregt – doch ihr Plan funktionierte. "Wir haben gelacht", erinnert sich die heute 45-Jährige an eine schöne und etwas verrückte Trauerfeier.

Da wo andere aufhören, fange ich an.

Doreen Stäglich, Trauerrednerin

Für Doreen Stäglich war es der Start in einen neuen Lebensabschnitt. Seit fünf Jahren ist die Trauerrednerin nun selbstständig und macht dabei bewusst Dinge anders. "Es gibt keine Tabus", sagt Stäglich. Diashows, Live-Bands, eine Salsa-Party zum Abschied, Feiern im Garten des Verstorbenen oder am Ostseestrand – Stäglich hat schon vieles auf die Beine gestellt. "Da wo andere aufhören, fange ich an", sagt sie.

Die Trauer in etwas Positives kehren

Der 45-Jährigen geht es beim Tod nicht nur um Trauer und Traurigsein, vielmehr will sie die Situation in etwas Positives kehren. Gern darf deshalb auch gelacht, geklatscht und gesungen werden. "Man sollte das einfach als schön empfinden", sagt Stäglich.

Ihre Reden und die Trauerfeiern organisiert sie im Sinne des Verstorbenen – und so, dass es für die Angehörigen danach weitergeht. "Na klar ist es traurig, dass sie den Menschen verloren haben. Aber es ist doch die Kunst, das umzuwandeln."

Für Stäglich heißt das auch, nicht Leiden und Gebrechen in den Vordergrund zu stellen, sondern das Leben der Verstorbenen in früheren Jahren. "Oft wird vergessen, dass Oma und Opa auch mal jung waren und dass sie auch mal bis zum Morgengrauen gefeiert haben", sagt die Trauerrednerin. Darüber müsse viel mehr gesprochen werden als über das Oma- und Opa-Sein. Und wenn ein Verstorbener gern AC/DC gehört hat, dann wird es bei der Trauerfeier eben auch mal laut und rockig.

Party für vestorbenen Tanzlehrer mit einer Frau und zwei Geliebten

Eine der kuriosesten Trauerfeiern war die für einen verstorbenen Salsa-Tanzlehrer. "Der hatte eine Frau – und zwei Geliebte", erzählt Stäglich. Zunächst sei sie sehr skeptisch gewesen, doch dann wurde es eine große Abschiedsparty: Alle seien da gewesen, hätten getanzt und ein Fest gefeiert. "Die Frauen haben sich umarmt, sich gedrückt und getröstet", sagt die 45-Jährige. "Das war krass!"

Gestört haben Stäglich die klassischen Trauerfeiern eigentlich seit jeher: Immer wieder die gleichen Geschichten, die gleichen Abläufe, die gleiche Deko – mit dem Argument, dass es doch "schon immer so" gewesen sei. "Die Leute kennen es nicht anders."

Genau das will Stäglich aufbrechen und den Menschen andere Möglichkeiten aufzeigen. "Die meisten wissen nicht, dass man die Urne mit nach Hause nehmen kann", sagt die 45-Jährige als Beispiel. Das liege auch an Bestattern, die sich zu wenig Zeit nähmen, um die Leute zu informieren. "Oftmals werden nicht alle Möglichkeiten erwähnt."

Auch nach Trauerfeier noch mit Angehörigen in Kontakt

Für Stäglich gehört es dazu, lange und intensive Trauergespräche zu führen. "Ich höre den Menschen bis zum Schluss zu." Zudem ist sie dauerhaft per Telefon erreichbar und bleibt auch nach der Trauerfeier noch lange mit den Menschen in Kontakt.

Einen größeren Dank als in diesem Beruf habe ich noch nie irgendwo bekommen.

Doreen Stäglich, Trauerrednerin

Das alles führt natürlich zu Abstrichen im eigenen Privatleben. Doch ihren Einsatz wissen die Angehörigen zu schätzen. "Einen größeren Dank als in diesem Beruf habe ich noch nie irgendwo bekommen." Die Menschen seien glücklich und erleichtert, sagt die 45-Jährige. Sie arbeitet deutschlandweit, fährt bei Bedarf auch Hunderte Kilometer.

Ihre Kinder sollen entscheiden

Wie ihre eigene Bestattung ablaufen soll, will Doreen Stäglich ihren Kindern überlassen. "Die sollen den richtigen Weg für sich finden, damit umzugehen", sagt sie. Fest stehe allerdings, dass sie anderen etwas Gutes tun möchte – ihren Organspendeausweis hat Stäglich immer im Portemonnaie dabei. "Mich kann man spenden, mich kann man zu Körperwelten schicken, mich kann man in die Uni schicken", sagt sie schmunzelnd.

Anderen Menschen helfen und die Wissenschaft stärken – auch damit bleibt Stäglich bis zum Schluss ihrem Motto treu: "Der Tod sollte etwas Positives haben."

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MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 18. November 2021 | 22:40 Uhr

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