Russlands Engagement in Afrika Weltpolitik mit knappen Ressourcen

26. Oktober 2019, 05:00 Uhr

Mit dem großen Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi diese Woche meldet sich Moskau zurück auf dem afrikanischen Kontinent. Welche Ziele verfolgt der Kreml bei seinem Afrika-Engagement und welche Mittel setzt er dafür ein? Ein Gespräch mit Dr. András Rácz, Russlandexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Russlands Präsident Wladimir Putin nimmt an der ersten Plenarsitzung des Russland-Afrika-Gipfels im Sirius-Park für Wissenschaft und Kunst teil.
Wladimir Putin leitet die erste Plenarsitzung des Russland-Afrika-Gipfels in Sotschi. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Hochrangige Vertreter von 54 afrikanischen Staaten sind der Einladung von Russlands Präsident Wladimir Putin gefolgt und sind nach Sotschi gekommen. Damit war am 23. und 24. Oktober praktisch der gesamte Afrikanische Kontinent in der Stadt am Schwarzen Meer vertreten. Einen solchen Russland-Afrika-Gipfel hat es bisher noch nicht gegeben. In den beiden Tagen sollen laut Kreml mehr als 50 Abkommen im Wert von umgerechnet rund elf Milliarden Euro abgeschlossen worden sein.

Teilnehmer am zweiten Tag des Russland-Afrika-Gipfels 2019 und des Wirtschaftsforums im Sirius-Park für Wissenschaft und Kunst.
Ein Teilnehmer des Russland-Afrika-Gipfels und Wirtschaftsforums in Sotschi. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Heute im Osten: Warum drängt Russland auf den afrikanischen Kontinent?

Dr. András Rácz: Das hat mehrere Gründe. Als erstes ist es natürlich die innenpolitische Komponente. Jeder außenpolitische Erfolg, den Russland in Afrika erreicht, kann vor dem heimischen Publikum als Beleg dafür präsentiert werden, dass Russland als Weltmacht ernst genommen wird.

Als zweites gibt es wirtschaftliche Interessen: Russland verkauft immer mehr Waffen nach Afrika und einige russische Energieunternehmen sind an Geschäften auf dem afrikanischen Kontinent interessiert. Zu den Geschäftsinteressen gehört außerdem das russische Streben nach dortigen Rohstoffen, etwa in der Zentralafrikanischen Republik und im Süd-Sudan.

Aber auch die Weltpolitik spielt eine Rolle. Mit der Wiederaufnahme von Beziehungen zu vielen afrikanischen Staaten hofft Russland auf ihre Unterstützung bei kritischen Abstimmungen in den Vereinten Nationen.

Die Sowjetunion unterhielt viele Kontakte zu afrikanischen Staaten. Versucht Russland diese jetzt wieder zu beleben?

Die Sowjetunion war ideologiegetrieben. Heute neigen viele dazu, die Bedeutung der Ideologie zu unterschätzen. Aber in der sowjetischen Außenpolitik hat die Ideologie eine wichtige Rolle gespielt. Die afrikanischen Staaten, die mit der Sowjetunion verbündet waren, haben die antikolonialen und linken Aspekte der sowjetischen Außenpolitik unterstützt.

Heute versucht Russland, die antiwestliche und antiamerikanische Ideologie einzusetzen. Dieses ideologische System ist jedoch weit davon entfernt, die gleiche Kohärenz und Stärke zu haben, wie das sowjetische.

Darüber hinaus hat die Sowjetunion stark zur Modernisierung einiger afrikanischer Staaten beigetragen. In der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen, im Energiesektor, bei der Infrastruktur und auch beim Militär. Dem heutigen Russland fehlt es jedoch an Kapazitäten für eine derart umfassende Modernisierung. Russlands Bemühungen kann man nicht als inhaltsleer bezeichnen, das sind sie nicht. Aber die Ressourcen stehen in keinem Vergleich zu denjenigen, die die Sowjetunion zur Verfügung hatte.

Was halten Sie von dem Programm "Schuldenerlass gegen Entwicklung"? Wie ehrlich gemeint ist es?

Der Großteil dieser Schulden stammt noch aus Sowjetzeiten und wäre niemals zurückgezahlt worden. Diese Schulden abzuschreiben ist also ein bequemer Weg, sich das einzugestehen. Es ist aber auch eine Möglichkeit, die Sichtbarkeit des eigenen Engagements zu steigern, ohne dafür gesonderte Ressourcen aufzuwenden.

Man zahlt kein Extrageld, sondern schreibt einfach die Schulden ab. Das ist die Hauptmotivation für Russland, dem das Geld für eine umfassende Afrikastrategie fehlt. In der Sprache der Diplomatie kann man sagen, dass sie aktiv sind. Wenn es aber darum geht, das mit signifikanten Entwicklungsprogrammen zu untermauern, so sehe ich keine entsprechenden Finanzmittel dafür in Moskau.

König Mswati III. Von Eswatinis Front bei einem Stand des Kalaschnikow-Konzerns auf dem Russland-Afrika-Gipfel 2019.
König Mswati III von Swasiland am Stand des Kalaschnikow Konzerns auf dem Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Wie ordnen Sie die Förderrechte ein, die Russland in manchen afrikanischen Ländern bekommt?

Die Probleme der Finanzmittel betreffen beide Seiten. In vielen Fällen können afrikanische Staaten die russischen Dienste nicht mit harter Währung bezahlen. Die Zentralafrikanische Republik und der Süd-Sudan sind dafür gute Beispiele. Sie können Russland nicht in Dollar, Euro oder Rubel bezahlen, vergeben dafür aber Schürf- und Förderrechte.

Was dabei gefördert wird, ist dann die Bezahlung. Das ist nicht nur in Afrika so. Russische Söldner, die so genannte Wagner-Gruppe, werden auch in Syrien auf diese Weise bezahlt. Die Dienste der Wagner-Gruppe werden Berichten zu Folge von der syrischen Regierung mit Ölförderrechten abgegolten. Im Grunde ist das das gleiche Model.

Was wissen Sie über die Aktivitäten der Wagner-Gruppe in Afrika? Offiziell bestreitet Russland, sie dort einzusetzen. Solche Söldnertruppen sind in Russland sogar verboten.

Die Wagner-Gruppe steht in enger Verbindung mit dem Oligarchen Ewgeni Prigoschin, der großen Einfluss im Kreml hat und einer der engsten Freunde Putins ist. Die Wagner-Gruppe ist ein privates Militärunternehmen. Und ja, in Russland sind solche Unternehmen verboten. Das eine ist jedoch, ein entsprechendes Gesetz zu haben, und das andere, es auch anzuwenden.

Die Wagner-Gruppe hat enge Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU, obwohl Russland stets leugnet, sie für russische Interessen im Ausland einzusetzen. Es gab zum Beispiel im Februar 2018 einen Vorfall in Syrien, als die Wagner-Kämpfer zum Ziel eines amerikanischen Luftangriffs wurden und hunderte von ihnen starben.

Damals wurden die Überlebenden mit russischen Militärmaschinen in Militärkrankenhäuser geflogen. Die Zusammenarbeit zwischen dem russischen Militär und der Wagner-Gruppe scheint also sehr eng zu sein. Um es etwas formaler auszudrücken: Es sieht so aus, als würde Russland bestimmte hochintensive Militäroperationen an private Truppen auslagern.

Concord Catering Generaldirektor Jewgeni Prigoschin
Der Catering- und Medienunternehmer Jewgeni Prigoschin gilt als Putinvertrauter und Chef der russischen Söldnertruppe "Wagner", die Medienberichten zufolge in mehreren afrikanischen Ländern aktiv sein soll. Bildrechte: imago/ITAR-TASS

Wie aber ist ihre Rolle in Afrika, wofür werden sie dort eingesetzt?

Die Wagner-Gruppe ist ein integraler Bestandteil des russischen Vorgehens in Afrika. Es sind Stellvertretereinheiten, deren Einsatz viele Vorteile im Vergleich zum regulären Militär bietet. Der russische Staat trägt formal keine Verantwortung dafür, was die Wagner-Gruppe tut.

Er muss auch nicht vor der Öffentlichkeit für deren Verluste geradestehen. Sie trägt dazu bei, den Sicherheitssektor, etwa in der Zentralafrikanischen Republik zu modernisieren. Sie ist aber auch in Libyen präsent, wo sie Berichten zufolge an Kampfeinsätzen teilnimmt.

Heute im Osten: Sind auch offizielle russische Streitkräfte in Afrika anwesend?

Minimal. Es gibt Militärattachés und sonst nichts.

Haben Sie Informationen, darüber, dass Russland sich in Wahlen in Afrika eingemischt hat?

Ja, es gab solche Fälle. Einer der überraschendsten war, als Russland sich in Wahlen in Madagaskar eingemischt hat. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen über die Gründe der Einmischung. Ich persönlich bezweifele, dass es für den Kreml von besonderer Bedeutung ist, Wahlen in Madagaskar zu entscheiden.

Ich neige eher zu solchen Erklärungen, die davon ausgehen, dass die Führung im Kreml, inklusive Präsident Putin, gerne Nachrichten über Russlands Einmischungen hört. Weil es für sie einfach ein Beleg für den globalen russischen Einfluss ist. Aber es ist lediglich meine Vermutung. Wir haben keine Quellen dazu, sie sind alle geheim.

Russlands Präsident Wladimir Putin beim Gruppenfoto mit teilnehmenden Staatsoberhäuptern.
"Familienfoto": Wladimir Putin mit Teilnehmern des Russland-Afrika-Gipfels in Sotschi. Bildrechte: imago images/ITAR-TASS

Wenn wir den Blick weiten und uns das globale "geopolitische Spiel" anschauen, ist Russlands Engagement in Afrika eine Herausforderung für die USA oder für China?

Ich würde es nicht als Herausforderung bezeichnen. Es ist eher eine Konsequenz davon, dass sich die USA aus Afrika zurückziehen. Dabei entsteht ein Machtvakuum, das Russland gerne und bereitwillig füllt. Wenn sich die USA jedoch nicht zurückziehen würden, hätte das russische Engagement keine Chance.

Und mit dem chinesischen Engagement hält das Russische keinem Vergleich stand. Weder in Bezug auf eingesetzte Ressourcen, noch auf das Personal oder die Anzahl der Unternehmen dort. Chinas Präsenz in Afrika ist etwa um den gleichen Faktor größer, um den die chinesische Wirtschaft größer ist als die russische. Es ist nicht vergleichbar.  

Dr. András Rácz Der promovierte Historiker Dr. András Rácz ist Senior Research Fellow beim Robert Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Seine Schwerpunkte liegen bei der Außen- bzw. Sicherheits- und Verteidigungspolitik Russlands.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 25. Oktober 2019 | 17:45 Uhr

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