PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski verlässt die Bühne
PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski verlässt die Bühne am Wahlsonntag. Bildrechte: imago images/Eastnews

Ein Kommentar aus Warschau Polen: Auf PiS warten schwierige Zeiten

15. Oktober 2019, 10:12 Uhr

Die national-konservative PiS hat bei der Parlamentswahl am Sonntag das beste Ergebnis für eine Partei seit dem Umbruch 1989 in Polen eingefahren. Erstmals wird es aber auch verschiedene Mehrheiten in beiden Parlamentskammern geben. So verpasste die PiS im Senat knapp die Mehrheit, die sie im Sejm weiterhin hält. MDR-Ostbloggerin Monika Sieradzka meint, dass die Opposition die Regierungspartei nun bremsen kann. In der Vergangenheit hatte die PiS immer wieder Gesetze im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht. Ein Kommentar aus Warschau.

Ostbloggerin Monika Sieradzka vor polnischer Flagge.
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Der haushohe Sieg der Regierungspartei PiS, die acht der knapp 18,5 Millionen abgegebenen Wählerstimmen auf sich vereinen konnte, kann auf den ersten Blick beeindrucken. Auch ist die Popularität der PiS in den vergangenen vier Jahren stark gewachsen. Bekam sie 2015 noch 37,6 Prozent, waren es am Sonntag 43,59 Prozent der Wählerstimmen.

Die großzügige Sozialpolitik, die angesichts einer starken Konjunktur leicht umzusetzen war, hat sich als Patentrezept für die PiS erwiesen. Kein Wunder in einer Gesellschaft, die seit 30 Jahren die Härten des Kapitalismus am eigenen Leibe zu spüren bekommt und den Begriff soziale Marktwirtschaft nur aus Medienberichten über westeuropäische Länder kennt.

Neue Machtverteilung im Parlament

Doch trotz ihres haushohen Sieges muss die Regierungspartei mit schwierigen Zeiten rechnen. Denn die Machtverteilung in der Volksvertretung ist seit Sonntag viel komplizierter. Die Linken haben es wieder ins Parlament geschafft, die in vielen Fragen mit dem liberalen Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) auf einer Linie liegen werden – und nicht mit der PiS. Auf der anderen Seite muss die Regierungspartei den radikalen Nationalisten von der neuen Partei Konfederacja die Stirn bieten, die elf Sitze im Sejm bekommen hat. Die Partei besteht teils aus Exzentrikern, die garantiert für Schlagzeilen sorgen wollen.

Konkurrenz kommt von weiter rechts

Die rechtsnationale Konfederacja ist eine der größten Herausforderungen für die PiS – jeder fünfte Pole zwischen 19 und 29 Jahren hat sie gewählt. Das zeigt auch, dass selbst die schrillen patriotischen und nationalistischen Töne der PiS für einen Teil des jungen Publikums nicht stark genug klingen. Das neue polnische Selbstbewusstsein, das die PiS über Jahre sorgfältig gestärkt hat, nimmt Ausmaße an, die selbst die Erwartungen der Partei übertreffen.

Wenn PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski jetzt ankündigt, jene Gesellschaftsgruppen ansprechen zu wollen, die die PiS-Politik noch nicht erreicht, dann sind auch die jungen Rechten und Rechtsradikalen gemeint. Doch die PiS muss hier einen Balanceakt meistern. Mit allzu nationalistischen Parolen könnte sie die Gesellschaftsmitte in die Arme der Liberalen treiben. Setzt sie ihre bisherige Linie fort, die vom rechten Rand als zu liberal und pro-europäisch kritisiert wird, dann wird die Konfederacja-Partei noch mehr Zulauf bekommen. Der Hang zum extremen Konservatismus ist besonders unter den jungen Menschen stark verbreitet, die darin die Rettung Polens vor einer angeblichen Invasion der liberalen Werte aus dem Westen sehen.

Keine Mehrheit mehr im Senat

Doch auch der Senat, die zweite Parlamentskammer in Polen, wird der PiS zu schaffen machen. Dort hat sie bei der Wahl am Sonntag ihre Mehrheit verloren. Die hält jetzt die Opposition mit 52 von 100 Sitzen. Die PiS kann damit nicht mehr – wie in der Vergangenheit – Gesetze im Eiltempo durchdrücken. Zwar kann der Senat die Gesetzesentwürfe nicht stoppen, aber Änderungen verlangen und die Entwürfe an den Sejm zurückschicken. Den Gesetzgebungsprozess wird das deutlich entschleunigen.

Kontroverses Wahlversprechen

Dennoch wird die PiS-Regierung ihre Reformen natürlich fortführen. Auf der Agenda steht der sogenannte "Fünf-Punkte-Plan", der einen Straßenausbau aber beispielsweise auch Entlastungen für Unternehmer vorsieht. Zu den kontroversen Wahlversprechen gehört eine sogenannte Medienselbstregulierung. Das würde bedeuten, dass ein Selbstverwaltungsorgan entscheiden würde, wer den Beruf des Journalisten ausüben darf. Damit könnte die PiS die komplette Kontrolle über alle Medien im Land bekommen. Die Justizreformen sind sowieso schon voll im Gange, ungeachtet der Kritik aus den Oppositionsreihen und aus Brüssel.

Kampf um Präsidentenamt

In den kommenden Monaten wird sich die PiS auch auf die Wahl eines neuen Staatsoberhauptes konzentrieren. Die Präsidentenwahl steht im Sommer 2020 an. Auch hier muss die PiS mit starken Gegenwind aus vielen Richtungen rechnen. Der Verlust des Präsidentenamtes würde ein Anfang vom Ende der PiS-Ära bedeuten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 14. Oktober 2019 | 23:19 Uhr

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