Russland St. Petersburg: Junge Russen restaurieren die Stadt

31. August 2019, 05:00 Uhr

St. Petersburg lockt mit seinen glorreichen Sehenswürdigkeiten immer mehr Touristen. Doch viele Altbauten drohen zu zerfallen. Freiwillige versuchen nun die historische Substanz zu retten.

Eine Frau mit Eimer im Arm auf einer Straße.
Ksenia Sidorina ist regelmäßig mit Putzzeug "bewaffnet". Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Es ist Samstagmorgen als Ksenia Sidorina mit ihrem Putzzeug von zu Hause aufbricht. In ihrem Eimer: Plastikschaber, um aufgeweichte Farbe abzutragen sowie Handschuhe, um die Hände zu schützen. Eine große Restaurierungsaktion steht heute auf dem Programm. Ihr Ziel: ein prächtiger aber in die Jahre gekommener Altbau von 1910 in der Altstadt von Sankt Petersburg.

Eine alte Kachel auf der ein Fisch zu sehen ist wird von Farbe befreit.
Dicker brauner Lack verdeckte jahrzehntelang die Fische der Kachel aus Zarenzeiten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Es ist schon das neunte Haus, in dem die gelernte Museologin Ksenia seit März Architekturdetails freilegt. Für sie sind die Schnitzereien, Fresken und alten Klinken verborgene Schätze. 20 ehrenamtliche Helfer unterstützen sie heute. Das Haus wurde noch zu Zarenzeiten gebaut. Doch kleine Details, wie viele Wandverzierungen, wurden einfach übermalt. Heute entfernen Ksenia und ihre Freunde die dicke braune Lackschicht, die noch aus Sowjetzeiten stammt. Zum Vorschein kommen bunte Kacheln mit grünen Fischen.

Eine Frau.
Ksenia legt gerne Altes frei. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wenn die Leute renovieren, übermalen sie oft einfach Details von Wert. Unsere Aufgabe besteht darin, diesen Wert wieder zum Vorschein zu bringen.

Ksenia Sidorina Hobby-Restauratorin

Denkmalschutz tut zu wenig

Ksenia hat Museologie studiert und will das bauliche Erbe von St. Petersburg bewahren. Der Denkmalschutz tut ihrer Meinung nach zu wenig. Dabei gehe es nicht nur um Details, die Ksenia "retten" möchte. Der Denkmalschutz müsse vielmehr grundsätzliche, dringend notwendige Sanierungsarbeiten vorantreiben, um gesamte Gebäude vor dem Zerfall zu gefährden.

Und wie schlecht die Bausubstanz einiger Häuser tatsächlich ist, zeigt ein Fall vom Februar: Im historischen Zentrum stürzten bei kleineren Bauarbeiten Teile eines Universitätsgebäudes ein. Dutzende Studenten und Mitarbeiter waren für kurze Zeit eingeschlossen, verletzt wurde letztendlich niemand.

St. Petersburg ist bei Touristen beliebt

Viele Wohnhäuser der Jahrhundertwende sind in schlechtem Zustand. Die Touristenorte wie Kirchen mit goldenen Kuppeln und prächtige Paläste sind allerdings sehr gut in Schuss gehalten und bei Touristen sehr beliebt. 2018 besuchten 8,2 Millionen Gäste die Stadt. Damit waren es 700.000 Besucher mehr als im Vorjahr. Die Menschen strömen in die Metropole an der Newa, um die glanzvollen Bauten zu bewundern. Die barock-klassizistische Altstadt gehört zu den schönsten Europas.

Das "Tor zum Westen"

Das Architekturensemble in St. Petersburg sucht seinesegleichen. Als Peter der Große im Jahre 1703 an der Newa- Mündung die Stadt gründete, holte er führende Architekten aus Deutschland, Italien und Holland nach Russland, um einen Ort im neuen Geist zu schaffen. Es war das Zeichen einer nie da gewesenen Hinwendung Russlands zum Westen. St. Petersburg sollte das Fenster zu Europa werden. Heute gibt es in dem historischen Stadtzentrum mehr als 2.000 Paläste und Prunkbauten.

Zwei Männer tragen eine alte Holztür
Auch im Sperrmüll befinden sich viele alte Türen. Zu schade zum Wegwerfen finden viele St. Petersburger! Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mittlerweile entdecken immer mehr Privatleute den Altbaucharme für sich - das merken auch Ksenia und ihre Freunde. Obwohl sie erst seit zwei Monaten eine Werkstatt für Restauration betreiben, stapeln sich bereits 70 Türen an den Wänden und warten darauf, vom Lack befreit zu werden. Die meisten Türen finden die Restauratoren in der Regel in Hinterhöfen oder in Müllcontainern. Und die Nachfrage nach solchen alten Kulturschätzen ist groß, sagt der Restaurator Alexey Schischkin: "In den 1990er und 2000er-Jahren wurde alles massenhaft aus den Wohnungen gerissen. Stattdessen wurden alte Hauseingänge mit Metalltüren versehen. Heute wird immer klarer, dass die Leute statt Plastik und Holzfaserplatte lieber historische Holztüren einbauen wollen."

Mann und Frau restaurieren Fenster
Ksenia Sidorina dokumentiert für ihre über 20.000 Follower auf Instagram, was sie gerade "putzt". Bildrechte: Instagram/mettlachtile

Auf Instagram berichtetet Ksenia von ihren Putzaktionen und kündigt neue an. Über 23.000 Leute verfolgen mittlerweile ihren Kanal. Damit tut sie Gutes und ist nebenbei noch eine kleine lokale Berühmtheit.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 30. August 2019 | 17:45 Uhr

Ein Angebot von

Mehr aus Land und Leute

Mehr aus Osteuropa

Nachrichten

Handyaufnahme des Absturzes 1 min
Den Behörden zufolge sei der 240 Meter hohe Fernsehturm Ziel eines russischen Luftangriffes gewesen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 22.04.2024 | 20:32 Uhr

Der Fernsehturm von Charkiw im Nordosten der Ukraine ist in zwei gebrochen und zu Boden gefallen. Den Behörden zufolge sei der 240 Meter hohe Fernsehturm Ziel eines russischen Luftangriffes gewesen.

Mo 22.04.2024 20:22Uhr 00:31 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-ukraine-charkiw-fernsehturm-explosion-abgestuerzt-russland-krieg100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Feuerwehrleute löschen ein Feuer nach einem russischen Angriff. 1 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Yevhen Titov
1 min 14.04.2024 | 20:22 Uhr

Bei einem russischen Angriff auf Charkiw sind nach Angaben ukrainischer Behörden 17 Menschen verletzt worden. Demnach schlugen zwei Raketen im Zentrum der zweitgrößten Stadt der Ukraine ein und zerstörten Wohngebäude.

Mi 17.01.2024 08:33Uhr 00:34 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-ukraine-angriff-charkiw100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video