Eine Plastikflasche liegt am Strand der rumänischen Insel Sachalin.
Eine Plastikflasche liegt am Strand der rumänischen Insel Sachalin. Bildrechte: Vlad Basca/Asociatia MaiMultVerde

Internationaler Tag der Flüsse, 01.07.2019 Donau führt tonnenweise Plastikmüll mit sich

22. September 2019, 05:00 Uhr

Heute ist der Internationale Tag der Flüsse. Seit 2005 soll dieser Tag daran erinnern, dass Flüsse nicht nur Verkehrswege sind, sondern vor allem Lebensräume für Tiere und Pflanzen, die es zu erhalten und schützen gilt. Naturschutz und wirtschaftliche Nutzung sollten demzufolge unbedingt im Einklang stehen. Doch allzuoft ist das lediglich ein frommer Wunsch, wie das Beispiel der Donau zeigt. Tonnenweise Plastikmüll verschmutzen den Fluss, der durch zehn europäische Länder fließt.

Menschen ist der Zutritt auf Sacalin im Schwarzen Meer strikt verboten. Die rumänische Insel ist ein wichtiger Nist- und Rastplatz für knapp 100 Vogelarten. Im Frühjahr und Herbst treffen sich hier vor der Küste des Donaudeltas große Mengen Zugvögel. Kürzlich genehmigte die Verwaltung des Biosphärenreservates Donaudelta jedoch eine Ausnahme vom strengen Zutrittsverbot. Sie ließ Umweltaktivisten in das Naturschutzgebiet.

Die freiwilligen Helfer sammelten auf der menschenleeren Insel mehrere Tonnen Plastikmüll ein, den die Donau angespült hatte. Fliegenklatschen, Gasflaschen, Plastikflaschen - aus allen zehn Ländern, durch die der Fluss in Europa führt. Doru Mitrana von der Nichtregierungsorganisation "MaiMultVerde" ("Noch mehr Grün") hat die Abfallmenge nicht überrascht. "Bislang verstehen viele Rumänen die Donau als Kanal, in dem sie alles entsorgen können", sagt Mitrana, der die Sammelaktion ins Leben gerufen hat.

Viel Hausmüll in der Natur

Abfalltonnen für Flaschen, Papier und Plastik in der rumänischen Hauptstadt Bukarest
Laut Statistik recycelt Rumänien bislang nur 14 Prozent seines Hausmülls und belegt damit einer der letzten Plätze bei der Müllverwertung in der EU. Bildrechte: Annett Müller/MDR

In Rumänien ist vielerorts wilder Müll zu finden – nicht nur in der Donau. In manchen rumänischen Gemeinden wird der Abfall am Ortsrand einfach in die Natur gekippt, weil Deponien fehlen. Zwei Drittel der angelegten Müllhalden im Land entsprechen bis heute nicht den EU-Standards, belasten Boden, Grundwasser und Atmosphäre. Eigentlich hätte Rumänien in den vergangenen Jahren seine Abfallwirtschaft komplett umkrempeln müssen, doch das EU-Land ist damit überfordert. So verrotten auf den Abfallhalden neben Glas und Papier auch Metalle, Plastik sowie Bioabfälle – nur ein Bruchteil des Hausmülls wird im Vorfeld sortiert und recycelt. Die losen Abfälle auf den Müllkippen landen wieder in der Landschaft, wenn der Wind sie packt oder starker Regen sie fortspült.

Ideen für Müllverwertung gesucht

Drei Frauen beim Einsammeln von Müll.
Umweltschützer sammeln im Donaudelta umherliegenden Plastikmüll ein. Bildrechte: Vlad Basca/Asociatia MaiMultVerde

Angesichts dieses Kreislaufes wirkt das ökologische Engagement von "MaiMultVerde" wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Doch Vereinschef Mitrana geht es nicht nur ums fleißige Müllsammeln. Er will seine Helfer für mehr begeistern: "Sie sollen bei den Bürgermeisterämtern eine Infrastruktur für den Müll einfordern, sonst bleibt unsere Aktion ohne Wirkung." Per Facebook sucht die Organisation derzeit nach Helfern in zehn Ortschaften, die an der Donau liegen.

Erst wird Müll gesammelt, danach Ideen entwickelt, damit der eingesammelte Abfall nicht wieder in die Natur gelangt. Die besten Vorschläge der ehrenamtlichen Helfer werden prämiert – nicht von den Bürgermeisterämtern der beteiligten Ortschaften, sondern von einem Discounter, der mit der Umweltaktion bei seinen Kunden punkten will. Schließlich interessieren sich in Rumänien immer mehr junge Menschen für Ökologie.

Studie: Mehr Plastik als Fischlarven

Für NGO-Aktivist Mitrana steht fest, dass die Donau täglich Tonnen von Plastik durch Europa transportiert. Österreichische Wissenschaftler hatten 2010 und 2012 Europas zweitgrößten Fluss unter die Lupe genommen. Eigentlich wollte sie auf einem 60 Kilometer langen Abschnitt zwischen Wien und dem slowakischen Bratislava die Verbreitung von Fischlarven untersuchen. Doch in ihren Netzen fanden sie jede Menge Kunststoffpartikel. Nüchtern notierten sie in ihrer Studie: "In beiden Beobachtungsjahren trieben tagsüber mehr Plastikgegenstände als Fischlarven in der Donau."

Die Wissenschaftler der Universität Wien rechneten die Plastikmenge aus ihren Netzen hoch und erklärten, dass die Donau täglich rund 4,2 Tonnen Plastikmüll bis ins Schwarze Meer spült. Drei Jahre später wurden jedoch ganz andere Zahlen veröffentlicht, vorgelegt von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und dem österreichischen Umweltbundesamt: Sie kamen bei ihren untersuchten Wasserproben auf eine 29 Mal kleinere Plastikmenge als ihre Kollegen von der Uni Wien.

Viele Variablen, wenig Vergleiche

Welches Forscherteam hat nun die verlässlichen Zahlen? Schwer zu sagen, denn die Ergebnisse lassen sich so gut wie nicht miteinander vergleichen. Nicht nur in Österreich, auch in anderen Donau-Anrainerstaaten untersuchen derzeit Wissenschaftler den sie verbindenden Fluss. Für ihre Untersuchungen müssen sie viele Fragen klären: Wie engmaschig sollte das Netz sein, mit dem die Wasserproben entnommen werden? Zu welcher Zeit und an welchem Ort im Wasser sollte gemessen werden, kurz nach Niederschlägen, wo der Fluss für gewöhnlich mehr Müll mit sich führt oder an einem trockenen Sommertag?

Bislang entscheidet jedes Team diese Variablen für sich, denn für die Untersuchungen von Mikroplastik in Gewässern fehlt es an international standardisierten Bestimmungsmethoden. Ein zuverlässiges länderübergreifendes Ergebnis für die Donau wird es damit sobald nicht geben, auch wenn die EU und die Anrainerstaat derzeit viel Geld investieren, um den Müllgehalt der Donau zu erforschen.

Kunststoff kommt in Nahrungskette

Auch drängt die Zeit, eine europäische Lösung für den Plastikmüll in der Donau zu finden, meint der in Bukarest lebende Wissenschaftler Iulian Pojar vom Nationalen Institut für Meeresgeologie und -Geoökologie (Geoecomar). "Die Kunststoffteilchen werden von den Fischen des Flusses verschluckt, die wiederum auf unseren Tellern landen“, sagt Pojar.

Der Mineraloge hat mit dem rumänischen Teil der Donau einen Sonderfall. Denn nach einem fast 3.000 Kilometer langen Weg durch Europa bildet der Fluss ein Delta, bevor er ins Schwarze Meer mündet. Es ist Europas größtes Feuchtgebiet – ein Paradies für Tiere und Pflanzen, wie die Vogelinsel Sacalin. Für das Donaudelta gelten deshalb strenge Umweltauflagen. Gegen die Mikroplastik, die der Fluss anschwemmt, sind sie aber machtlos.

Donaudelta als Filter

Plastikgartenzaun im Donaudelta
So kann man seinen Plastikabfall auch verwerten. Das Bild entstand 2016 im Dorf Letea im Donaudelta. Bildrechte: Thede Kahl

Wissenschaftler Pojar nennt das Delta "eine Art Sieb". Es filtere einen Gutteil des Mikroplastiks, das im Wasser und im Geröll verbleibe. Zu dieser Annahme lassen Pojar seine entnommenen Proben kommen. Mit dem bloßen Auge ist der Müll für den Forscher oft gar nicht sichtbar, denn das Plastik wird auf ihrem Weg in kleinste Partikel zerrieben.

Doch wie viel Abfälle gelangen in jedem der zehn Donau-Länder in den Fluss? Nimmt die Umweltbelastung mit dem Flussverlauf zu? Wie lässt sich die Müllmenge in der Donau spürbar reduzieren? Und ist das Schwarze Meer der Abfalleimer Europas? Viele Fragen, die noch geklärt werden müssen. Der 30-jährige Pojar wünscht sich hier mehr gemeinsame Initiative zwischen den Donau-Anrainern: "Wir tragen eine gemeinsame Schuld an der ökologischen Lage, ganz gleich, wie viel Plastik in jedem Land in die Donau gelangt."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 25. August 2019 | 19:30 Uhr

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