Ladeschiff Neptun
Das LNG-Terminal in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern), das Bild stammt von Januar 2023. Bildrechte: IMAGO / Frank Ossenbrink

CO2-Ausstoß Strom aus Braunkohle oder LNG – was klimaschädlicher ist

17. April 2023, 13:42 Uhr

Bis 2045 soll die deutsche Energie- und Stromversorgung komplett klimaneutral sein. Die Regierung will deshalb schnellstmöglich aus der Kohle aussteigen. Doch mit dem Wegfall des russischen Erdgases sind Alternativen für die Energiesicherheit nötig. Statt Braunkohle soll Flüssigerdgas, kurz LNG, bezogen werden. MDR AKTUELL-Nutzer Gert Olescher fragt, ob die Stromgewinnung aus durch Fracking gewonnenes LNG aus den USA genauso klimaschädlich ist wie die Verstromung von Braunkohle?

Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt, dass LNG-Gas tatsächlich eine sehr schlechte Klimabilanz habe – vor allem, wenn man auf die Produktionskette schaue. Das fängt nach Angaben von Luderer damit an, dass bei der Gasförderung, je nachdem, wo und wie sie erfolgt, erhebliche Mengen an Methan entweichen können: Methan wiederum ist ein sehr kraftvolles Treibhausgas. Hinzu kommt bei Flüssiggas, dass seine Verflüssigung und seine Regasifizierung für den Transport nach Europa extrem energieintensiv sind.

Auch bei der Förderung von LNG entsteht Kohlendioxid – die Menge entspricht etwa nochmal der Hälfte, die beim Verbrennen des Gases im Kraftwerk entsteht und das ist in der Tat etwas, was dazu führt, dass Gas aus Klimasicht auch keine übermäßig gute Option ist.

Fracking hat weitere Effekte auf die Umwelt

Doch die Rechnung kann nicht nur mit den Emissionen gemacht werden: Denn die Förderung durch Fracking hat zusätzliche Umweltauswirkungen, zum Beispiel auf die Landschaft vor Ort.

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Substanzen per Hochdruck in den Boden gepumpt. Dadurch entstehen Risse im Gestein, durch die das Erdgas herausgeschwemmt wird. Dabei besteht die Gefahr, dass Fracking-Wasser durch die Risse in das Grundwasser sickert und es verschmutzt. Außerdem besteht der Verdacht, dass dieses Verfahren Erdbeben auslöst.

Experte: "Braunkohle bleibt klimaschädlichste Option"

Für Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist dennoch klar, dass die Braunkohle die klimaschädlichste Option ist, die Deutschland zur Stromgewinnung habe. "Auch wenn man den ganzen Dreckeffekt mit einrechnet, kommt das Flüssiggas bei weitem nicht an die Klimaschädlichkeit der Braunkohle ran. Es gibt immer noch einen Unterschied von 20 bis 30 Prozent," erklärt Luderer.

Die Braunkohle ist wirklich die allerklimaschädlichste Option, die wir zur Stromgewinnung haben.

Gunnar Luderer Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Besser LNG verstromen oder Braunkohle?

Für Jakob Wachsmuth, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, hat der Braunkohleabbau "massive Umwelteinwirkungen, die man nicht aus dem Blick nehmen sollte". Auch er ist überzeugt, dass es besser sei, LNG-Gas zu verstromen statt Braunkohle.

Aus Klimaschutzsicht wäre Pipeline-Gas sinnvoller, aber wenn uns das nicht mehr zur Verfügung steht, ist es immer noch besser, LNG-Gas zu verstromen statt Braunkohle.

Jakob Wachsmuth Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe

LNG-Terminals Deutschland bezieht seit September 2022 kein russisches Erdgas mehr über die Nord Stream-Pipeline. Um Gas von alternativen Lieferanten kaufen zu können, wurden drei LNG-Terminals gebaut.

Erdgas gilt als zukunftsfähiger als Braunkohle

Auch das Bundesumweltamt bestätigt die Einschätzung auf Nachfrage von MDR AKTUELL. Zudem meint Wissenschaftler Jakob Wachsmuth vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, dass Erdgas zukunftsfähiger sei als Braunkohle. Man hoffe zudem, eines Tages von Erdgas auf Wasserstoff umzurüsten.

Ein weiterer Faktor ist dabei auch noch, dass wir hoffen, bei der Stromerzeugung auch bei Gas auszusteigen und Gaskraftwerke zum Beispiel auch wiederum leichter umrüstbar sind auf Wasserstoff als Braunkohlekraftwerke, für die das eben nicht möglich ist.

Jakob Wachsmuth Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung

LNG-Gas hat bessere Klimabilanz

Natürlich könne man nicht einfach Wasserstoff mit Erdgas austauschen, so Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Bei den sehr schnell gebauten neuen LNG-Terminals sei das bei der Planung nicht mitgedacht worden. Doch für zukünftige Planungen sei das möglich.

Deutlich wird also: Auch LNG-Gas ist nicht wirklich klimafreundlich – deswegen ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien das oberste Ziel. Da sind sich alle Experten einig. LNG-Gas ist aber in der Klimabilanz immer noch weitaus besser als Braunkohle.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. April 2023 | 06:00 Uhr

43 Kommentare

emlo am 18.04.2023

@hinter-dem-Regenbogen: Es ist der Sinn eines internationalen Stromnetzes, dass man Bedarfsschwankungen darüber ausgleichen kann und nicht jedes Land allein dafür sorgen muss, stets die maximal mögliche Last abzudecken (auch im Falle von Störungen im eigenen Kraftwerkspark). Speziell in Deutschland kommt der Umstand hinzu, dass wir zu wenig kurzfristig hoch- und herunterfahrbare bzw. regelbare Kraftwerke haben und zu viele nur wenig regelbare Dampfkraftwerke die ständig laufen (müssen), egal ob sie gerade wirklich gebraucht werden oder nicht. Zum Abdecken der Grundlast brauchen wir diese Anzahl nicht. Diese Kraftwerkstypen passen nicht zur schwankenden Stromerzeugung durch erneuerbare Quellen. Derzeit sind eigentlich nur Gasmotorenkraftwerke in der Lage schnell einzuspringen und genauso schnell wieder vom Netz zu gehen. Das können weder Kohle- noch Atomkraftwerke, zumindest nicht wirtschaftlich (technisch evtl. teilweise).

AlexLeipzig am 18.04.2023

Große Versicherungsunternehmen beispielsweise schauen mittlerweile sehr genau bei der Berechnung ihrer Risikobewertungen auf die Klimaauswirkungen ihrer Kunden.

AlexLeipzig am 18.04.2023

AKW's können technisch bedingt gar nicht "einspringen", Anni. Sie produzieren kontinuierlich oder gar nicht. Und genau das ist ein Problem, weil sie nicht bedarfsadaptiert Strom produzieren.

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