Eine Frau in einer Bibliothek blickt in ein Buch (Illustration).
Rund nur jeder zehnte der Studierenden bekommt Bafög. Hier kann auch der KfW-Kredit eine Alternative zur teilweisen Finanzierung des Studiums sein. Bildrechte: Colourbox.de

Studienfinanzierung Experte: KfW-Kredit hoch, Bafög stehengeblieben

26. Januar 2023, 15:38 Uhr

Trotz steigender Studierendenzahl sinkt seit Jahren die Nachfrage nach Bildungskrediten zur Studienfinanzierung. Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) erklärt die Schwächen von KfW-Kredit und Bafög und wo er starken Reformbedarf sieht.

Stichwort: KfW-Bildungskredit Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schüttet einkommensunabhängige Darlehen für Studierende aus – im Rahmen des Bildungskreditprogramms der Bundesregierung. Die Förderungshöchstdauer beträgt bei Erst- oder Zweitstudium 14 Semester, sinkt aber je nach Alter bei Studienbeginn: bis 24 Jahre/14 Semester, bis 34 Jahre/zehn Semester, bis 44 Jahre/sechs Semester. Mit dem 44. Geburtstag gibt es nichts mehr.

Voraussetzung ist ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule mit Sitz in Deutschland. Informationen zur Höhe, Rückzahlungsmodalitäten und weiteren Anspruchsvoraussetzungen gibt die KfW auf ihrer Homepage.

Die Zinsen für KfW-Studienkredite wurden bei der letzten Anpassung angehoben. Sind weitere Schritte absehbar?

Ulrich Müller: In der Tat: Der Effektivzinssatz für den KfW-Studienkredit hat inzwischen mit 6,06 Prozent eine gewöhnungsbedürftige Höhe erreicht. Das wird nicht gerade dabei helfen, den Kundenstamm auszubauen. Der KfW-Studienkredit kämpft ohnehin seit Jahren und trotz steigender Studierendenzahlen gegen eine sinkende Nachfrage.

Übrigens: Als 2008 der Zinssatz des KfW-Studienkredits einmal auf sieben Prozent angehoben wurde, intervenierte die damalige Bundesbildungsministerin Schavan und führte eine Rücknahme der Erhöhung herbei. Mal schauen, wo im Jahr 2023 die Schmerzgrenze liegt. Mich wundert sowieso, dass es bislang kaum Reaktionen auf die letzte Erhöhung gab.

Was sind Stärken des KfW-Kredits?

Ulrich Müller: Der KfW-Studienkredit ist in Deutschland immer noch das populärste Angebot. Seine große Stärke ist die allgemeine Verfügbarkeit – deutsche Studierende, EU-Studierende und Bildungsinländer können ihn ohne Auswahlverfahren und Bürgschaften beantragen. Aber er hat noch deutliches Optimierungspotential.

Was sind die größten Probleme des KfW-Studienkredites?

Ulrich Müller: Die Auszahlungssumme von 650 Euro monatlich ist für viele Studierende schlicht nicht ausreichend. Versuchen Sie damit einmal in München oder Hamburg zu leben. Auslandssemester sind nur bei paralleler Einschreibung in Deutschland möglich. Und: Die Zinsen werden in der Auszahlungsphase nicht automatisch gestundet – man kann erst ab dem sechsten Fördersemester eine Stundung beantragen. Das heißt, bis dahin minimiert sich die Auszahlungssumme von Monat zu Monat, weil bereits während des Studiums Zinszahlungen abgezogen werden. Ein Unding, diese Konstruktion.

Die KfW bietet die Option auf Festzinssätze an. Lohnt sich das?

Ulrich Müller: Während der Auszahlungsphase, also während des Studiums, sind Studierende Änderungen der Zinssätze ausgeliefert. Für die Rückzahlungsphase kann man bei dem KfW-Studienkredit einen Festzinssatz für bis zu zehn Jahre vereinbaren – allerdings gegen einen Zinsaufschlag. Beglückwünschen können sich all diejenigen, die sich auf diese Weise in den letzten Jahren, in der Niedrigzinsphase, gute Konditionen gesichert haben. Die aktuellen Konditionen zu fixieren, lohnt nur, wenn man davon ausgeht, dass die Zinssätze in Zukunft weiter steigen. Da bin ich auch kein Prophet.

Als Teil der Corona-Hilfe des Bildungsministeriums war der KfW-Studienkredit über zwei Jahre zinslos gestellt. War das eine gute Unterstützung für Studierende?

Ulrich Müller: Da muss man genauer hinschauen. Die anfallenden Zinsen in der Auszahlungsphase wurden von Mai 2020 bis September 2022 vom Bund übernommen. Diese nette Geste entfaltete aber kaum Anreizeffekt. Der KfW-Studienkredit hat unter deutschen Studierenden selbst in der größten Krise der Nachkriegsgeschichte nur sehr überschaubar den Kundenkreis erweitern können. Nicht verwunderlich: Der Nullzins bezog sich ja nicht auf die viel entscheidendere, weil ungleich längere Rückzahlungsphase. Das hatte etwas von einem Lockvogelangebot. Was in den Corona-Jahren wirklich die Zahl der Neuverträge kurzfristig nach oben getrieben hat, war die befristete Öffnung des KfW-Kredits für internationale Studierende von Juli 2020 bis März 2021. Das war aber ein Einmaleffekt, ein Strohfeuer.

Wo sehen Sie bei der Studienfinanzierung auch mit Blick auf das Bafög Reformbedarf?

Ulrich Müller: Derzeit erreicht das BAföG knapp 89 Prozent der Studierenden nicht mehr. In den 1970er-Jahren hatten wir Förderquoten über 40 Prozent. Das BAföG hat in seiner jetzigen Form sowohl ein Ausgestaltungs- als auch ein Akzeptanzproblem. Die derzeitige staatliche Studienförderung insgesamt ist nicht zeitgemäß, nicht krisensicher und nicht transparent.

Wo ist die Studienfinanzierung nicht zeitgemäß?

Ulrich Müller: Die (Hochschul-)Welt hat sich weiterentwickelt, das BAföG dagegen ist stehengeblieben. Die Ausbildungsförderung hat schlicht nicht Schritt gehalten mit der Lebensrealität der Studierenden und den Entwicklungen im Hochschulsystem. Das BAföG hält die Vorstellung aufrecht, dass ein Standardstudent, in Vollzeit und in Regelstudienzeit studiert – und dass in Deutschland keine Studiengebühren fällig werden. Damit ist das BAföG schlicht nicht auf der Höhe der Zeit.

Ein Teilzeitstudium ist nicht förderfähig – dabei ist Teilzeit-Studium weit verbreitet. Das BAföG wird grundsätzlich nur für die Regelstudienzeit bezahlt – aber 67 % der Studierenden schließen nicht in der Regelstudienzeit ab. Das BAföG geht davon aus, dass im Inland keine Studiengebühren gezahlt werden müssen – aber knapp zwölf Prozent studieren kostenpflichtig an einer privaten Hochschule. Das BAföG kennt innovative Studienformen nicht, etwa Orientierungssemester oder Zertifikatsstudiengänge.

Wo ist die derzeitige Studienfinanzierung nicht transparent?

Ulrich Müller: Über Jahre wurden immer wieder neue Finanzierungsbausteine eingeführt (nach dem BAföG den Bildungskredit, den KfW-Studienkredit, dann zeitweise Studienbeitragsdarlehen, dann das Deutschlandstipendium, das Aufstiegsstipendium und 2021 die Überbrückungshilfe). Jetzt kann man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Wir haben eine Vielzahl von Angeboten, die haben alle ein Ziel: ein Studium zu finanzieren.

Sie schließen sich aber teilweise gegenseitig aus; sie sind nur eingeschränkt kombinierbar. Sie zielen auf unterschiedliche Zielgruppen und Studienphasen, haben unterschiedliche Altersgrenzen und unterschiedliche Zuständigkeiten. Nicht zuletzt auch getrennte Rückzahlungsverfahren mit verschiedenen Modalitäten. Studierende müssen sich selbst einen Finanzierungsmix zusammenstellen, sich aus verschiedenen Töpfen einzelne Bausteine zusammenzusuchen. Das ist viel zu komplex und zu wenig transparent. Nicht die Vielzahl der Bausteine ist entscheidend, sondern ein überzeugendes Gesamtbild!

Wir haben eine Vielzahl von Angeboten, die haben alle ein Ziel: ein Studium zu finanzieren. Sie schließen sich aber teilweise gegenseitig aus.

Ulrich Müller, Centrum für Hochschulentwicklung

Macht der Koalitionsvertrag der Ampelregierung Hoffnung auf Besserung?

Ulrich Müller: Tatsächlich ist der Koalitionsvertrag der Ampel in diesem Punkt "vielversprechend" – im doppelten Sinn. Was die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag plant, ist insgesamt nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der Studienfinanzierung: eben nicht nur eine Erhöhung der BAföG-Fördersätze und Freibeträge, sondern die überfällige Orientierung an der realen Lebenswelt. Aber gerade beim BAföG heißt es im Koalitionsvertrag häufig: "wird geprüft", "wird angestrebt"… Mal abwarten, was wirklich daraus wird!

Wie könnte eine Verbesserung der Studienfinanzierung aussehen?

Ulrich Müller: Was wir brauchen, ist ein zeitgemäßes, zukunftsfähiges System, das sich an der Lebensrealität orientiert. Das "neue BAföG", ich würde es "Bundesstudienförderung" nennen, muss unterschiedliche Eventualitäten und Lebenslagen auffangen, es muss ganz unterschiedliche Bildungsbiografien und Studienmodelle ermöglichen. Es müsste auch die Option bieten, Studienbeiträge an privaten Hochschulen vorzufinanzieren.

Entscheidend wird sein, dass der Neuentwurf staatlicher Studienfinanzierung nicht kleinteilig erfolgt, sondern dass er als großer Wurf die übrigen staatlichen Instrumente mit einbezieht. Das neue BAföG muss Studieninteressierten klarer als bisher Orientierung und Erwartungssicherheit in Finanzierungsfragen bieten, ein starkes Signal setzen, das lautet: "Ein Studienwunsch scheitert nicht am Geld!" Dafür muss das unverbundene Nebeneinander verschiedenster staatlicher Studienfinanzierungsinstrumente beendet werden. Das "neue BAföG" müsste mindestens das bisherige BAföG, den KfW-Studienkredit, den Bildungskredit und die Überbrückungshilfe zu einem umfassenden und in sich flexiblen System der Studienfinanzierung bündeln.

Das "neue BAföG" müsste mindestens das bisherige BAföG, den KfW-Studienkredit, den Bildungskredit und die Überbrückungshilfe zu einem umfassenden und in sich flexiblen System der Studienfinanzierung bündeln.

Ulrich Müller, Centrum für Hochschulentwicklung

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | recap – bei Youtube | 25. November 2022 | 17:00 Uhr

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