Bijan Djir-Sarai, FDP Generalsekretär, spricht neben Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP Spitzenkandidatin bei der Europawahl, bei einer Pressekonferenz nach der FDP Präsidiumssitzung.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat den Wirtschaftsplan seiner Partei am Montag auf einer Pressekonferenz nach der Präsidiumssitzung der FDP gemeinsam mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, vorgestellt. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

12-Punkte-Plan für Wirtschaftswende FDP will Rente mit 63 abschaffen – SPD und Grüne entsetzt

23. April 2024, 08:48 Uhr

Die FDP will eine Wirtschaftswende einleiten und dafür unter anderem Abstriche bei mehreren Sozialleistungen machen. Am Montag hat der Parteivorstand ein entsprechendes Papier beschlossen, das nun für die nächsten Diskussionen in der Ampel-Koalition sorgt. Doch nicht nur auf Bundesebene äußern SPD und Grüne teils scharfe Kritik an den Vorschlägen des Koalitionspartners, auch in Mitteldeutschland ist man empört über den 12-Punkte-Plan.

Weniger Bürokratie, weg mit dem Lieferkettengesetz, Abschaffung der Rente mit 63, härtere Sanktionen beim Bürgergeld – diese Kernforderungen des FDP-Papiers klingen wie eine Kampfansage an SPD und Grüne.

Empörung und Unverständnis bei Grünen und SPD in Mitteldeutschland

"Also ich bin ehrlich gesagt etwas entsetzt", sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Thüringer Landtag, Madeleine Henfling. Die Vorschläge der FDP seien ein klarer Angriff auf die Koalitionspartner, sagt Henfling, die es erstaunlich findet, dass man sich in einer Koalition so verhält. "Und ich verstehe auch ehrlich gesagt die Intention dahinter nicht, wenn man weiterhin mit SPD und Grünen auf Bundesebene regieren will."

Auch mit Blick auf die anstehende Landtagswahl ergebe das Papier wenig Sinn. Henfling bezieht sich auf den jüngsten Thüringen-Monitor. Darin hatten fast 90 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ein höheres Renteneintrittsalter ablehnen. Sinn ergibt es allerdings dann, wenn die FDP eben nicht mehr gemeinsame Sache mit Rot-Grün machen will – oder zumindest damit drohen will.

Die Misstöne zwischen den Koalitionären sind laut Katrin Michel jedenfalls nicht nur in der Führungsriege zu vernehmen. Die sächsische SPD-Co-Chefin und Bundestagsabgeordnete berichtet auch von Spannungen auf der Arbeitsebene. "Ich will sagen, das kommt nicht aus heiterem Himmel. Diese Ansichten haben sich in den letzten Wochen und Monaten verschärft, will ich mal sagen. Wo man am Anfang noch moderat war, sind doch die Ansagen recht hart aktuell. Und ja: Es kommt einem vor, als würde ein Partner betteln: 'Selbst gehen, will ich nicht unbedingt, aber vielleicht schmeißt mich ja einer raus'."

Erinnerung an Lambsdorff-Papier von 1982

Einer, der gerne selbst gehen würde, ist der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich. Er ist bekanntermaßen kein Freund der Ampel. "Ich fordere selbst in vielen Gesprächen, sich an das Lambsdorff-Papier aus dem Jahre 1982 zu erinnern. Dort hatten wir auch eine sehr schwierige wirtschaftliche Phase und Otto Graf Lambsdorff – der damalige Wirtschaftsminister – hat auch einen Punkte-Plan zur Gesundung der Wirtschaft aufgeschrieben." Wenige Wochen später hatte die FDP damals gemeinsam mit der Union SPD-Kanzler Helmut Schmidt gestürzt.

Jetzt, so Kemmerich, müsse es darum gehen, die Wirtschaftswende zu schaffen. Es sei wichtig, Unterstützung auch aus den Reihen der Koalitionäre zu bekommen. "Wenn das nicht der Fall sein sollte, muss man sich als Ultima Ratio die Frage stellen, ob die Fortsetzung der Koalition noch Sinn macht oder wir uns Mehrheiten für eine wirklich wichtige Revitalisierung unserer Wirtschaft suchen".

Fratzscher: "Sozialstaats-Populismus auf Kosten der Schwächsten"

Dass das mit dem 12-Punkte-Plan der FDP zu bewerkstelligen ist, halten Experten mindestens für fraglich. Der Chef der Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagt: "Es mangelt einfach an Vorschlägen, wie denn genau die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gestärkt werden soll. Da kommen dann manche Punkte zum Lieferkettengesetz, aber die sind ja umgesetzt. Es gibt ja ein Lieferkettengesetz. Was will denn die FDP genau machen, um das für die Unternehmen leichter zu machen? Also das sind eher Lippenbekenntnisse und ich sehe hier keinen Plan, wie Deutschland wirtschaftlich erfolgreicher werden will."

Fratzscher spricht im Zusammenhang mit dem FDP-Papier von Sozialstaats-Populismus auf Kosten der Schwächsten. Sanktionen beim Bürgergeld und Kürzungen bei der Altersrente brächten überhaupt keinen Vorteil für die deutsche Wirtschaft.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 23. April 2024 | 06:03 Uhr

117 Kommentare

JanoschausLE- vor 1 Wochen

Frau Weber,in den meisten Bundesländern gibt es eine Mehrheit für mitte/rechts? Wer will denn mit der sog.afd? Keiner.
Sicher,in Umverteilung von unten nach oben,neoliberal,da hat die FDP die meisten Schnittstellen mit der sog.afd,vielleicht auch in Teilen der Merz/Linnemann cDU ,die afd hat das Problem undemokratisch zu sein

JanoschausLE- vor 1 Wochen

dimehl,
Sorry,hier geht es um Bundespolitik,da ist eine sog.afd ganz weit weg von 30%.Haben Sie den Artikel nicht verstanden?Thüringer Landespolitik hat auf dieses Thema in Entscheidungen fast 0 Einfluss.

JanoschausLE- vor 1 Wochen

Es waren krasse ãußere Einflüsse,auch strittige Entscheidungen als Reaktion auf den UA-Krieg.Aber auch corona und die weltweiten Wirtschaftsfolgen.Da hat DE kein Alleinstellungsmerkmal.Aber auch die Konservativen Regierungen zuvor,die die Ampel beerbt hat.Ich gebe Ihnen Recht,die FDP ist fehl am Platz,Buschmann,der seine Arbeit nicht macht,wie auch Wissmann,aber Dinge,die im Koalitionsvertrag vereinbart waren,blockieren. 1982 hat die FDP schon bewiesen,dass man ihr nicht trauen kann,40 Jahre später abermals.

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